Der Schweizer Bestseller-Autor Rolf Dobelli über die Glaubwürdigkeit der Banker, und warum er ihnen nie blindlings vertrauen würde. Im Interview mit finews.ch erklärt er auch, weshalb es legitim ist, Finanzprodukte wie Luftbefeuchter zu verkaufen.  


Herr Dobelli, seit der Finanzkrise leidet das Image der Banker? Ist es überhaupt noch kurierbar?

Jedes Image ist kurierbar, nur wird es lange dauern. Vielleicht braucht es sogar eine ganze Generation, damit die Kapriolen und Übertreibungen der letzten zehn Jahre in Vergessenheit geraten. Das heisst, die Banken müssen jetzt anfangen, ganz bescheiden und kundennah zu operieren, fast schon sparkassen-ähnlich, damit sich das Image wieder heben kann.

Was hingegen das Investmentbanking oder das proprietäre Trading betrifft, wird es immer zu Überreizungen kommen, weil die Deals riesig sind, und es hin und wieder zu grossen One-Shot-Gewinnen kommt, die nach aussen dringen. Das ist nicht zu vermeiden. Ein «gieriges» Image wird diesen Sparten nicht auszutreiben sein.

Vertrauen Sie den Bankern noch?

Ich habe Bankern noch nie blind vertraut, so wie ich nie irgendeinem Verkäufer blind vertraue. Banker verkaufen ein Produkt und wollen daran verdienen. Das ist legitim.

«Aus gesellschaftlicher Sicht müssten die Saläre und Boni auf ein Normalmass gesenkt werden»

Wenn ich das Produkt nicht verstehe, das der Banker mir verkaufen will, kaufe ich es nicht. Wenn das Produkt zu teuer ist, kaufe ich es auch nicht. Das ist nicht anders bei Autos, Luftbefeuchter oder Waschmaschinen.

Was müssten die Bankbranche und ihre Vertreter unternehmen, um wieder glaubwürdiger zu werden?

Aus gesellschaftlicher Sicht müssten die Saläre und Boni auf ein Normalmass gesenkt werden. Das ist bei vielen kleinen Banken bereits der Fall, und diese Banken haben kein Image-Problem.

Wenn alle Banken sich so wie zum Beispiel eine Migros Bank verhielten, bescheiden, volksnah, kostengünstig, dann gäbe es keine Image-Probleme. Und wir bräuchten keine «claw-back»-Richtlinien bei den Boni falls der Staat eingreifen muss.

Wird es in zehn Jahren überhaupt noch Banken geben, angesichts der Fintech-Entwicklung und Digitalisierung?

Das glaube ich schon. Fintech hat alle Anzeichen einer Blase. Die ersten Jahre von Fintech, in denen wir uns momentan befinden, laufen natürlich rosig. Kredite werden gesprochen, die Fintech-Firmen wachsen.

«Plötzlich wird man Fintech-Unternehmen nicht anders beurteilen als stinknormale Banken»

Doch irgendwann kommt der Tag der Wahrheit, der Punkt, an dem die ersten über Fintech abgewickelten Kredite zurückbezahlt werden müssen. Dann wird es unweigerlich zu Ausfällen kommen. Und plötzlich wird man die Fintech-Unternehmen nicht anders beurteilen als stinknormale Banken.

Was macht Sie diesbezüglich so sicher?

Etwas Ähnliches habe ich in der Airline-Industrie erlebt, als ich dort vor vielen Jahren arbeitete. Jeder Idiot kann eine Fluglinie mit neuen Flugzeugen starten. In den ersten fünf Jahren sind die Kosten tief, weil kaum Wartungsarbeiten oder Reparaturen anfallen. Reinster Honeymoon.

Doch so nach fünf Jahren kommt der Tag der Wahrheit, an dem diese Flugzeuge langsam wartungsintensiv werden, an dem sich Lohndruck einstellt, zum Beispiel von den Gewerkschaften ausgehend. Dann knicken viele Airline-Startups ein. So ähnlich beurteile ich die momentane Honeymoon-Zeit bei den Fintechs.

«Gut möglich, dass Google und Facebook selbst eine Bank gründen»

Hinzu kommt das Hacking-Risiko. Das ist bei Fintech viel grösser. Und zwar nicht, weil diese Server anfälliger sind als zum Beispiel ein Server einer Grossbank, aber weil auf Seite der Endkunden Browser, Kommunikationskanäle und billige Passwörter verwendet werden, die Hacker geradezu einladen.

Was sind die 7 wichtigsten Tugenden eines Bankers heute?

Nur zwei: Bescheidenheit und Kundennähe.

Wie beurteilen Sie Chancen von Firmen wie Google oder Facebook, dereinst eine Bank zu lancieren?

Gut möglich, dass Google und Facebook selbst eine Bank gründen – vielleicht à la PayPal mit einer roboterisierten Wealth-Management-Komponente. Aber ich glaube nicht, dass sie ins Hypothekargeschäft oder ins Commercial Banking einsteigen werden. Vom Investmentbanking ganz zu schweigen.

Kann sich der Finanzplatz Schweiz angesichts der epochalen Veränderungen behaupten, oder mutiert er mittelfristig zur Bedeutungslosigkeit?

Die politische Stabilität und die «rule of law» werden dem Finanzplatz Schweiz weiterhin helfen, eine überdurchschnittliche Rolle zu spielen.


Rolf Dobelli, geboren 1966 in Luzern, studierte Philosophie und Betriebswirtschaft, arbeitete bei der Swissair, gründete ein Unternehmen und lebte in Australien, Hongkong, England und in den USA. Bei Diogenes erschienen sieben Bücher, zuletzt ›Fragen an das Leben‹, im Carl Hanser Verlag seine beiden Sachbuchbestseller ›Die Kunst des klaren Denkens‹ und ›Die Kunst des klugen Handelns‹. Seine Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt. Rolf Dobelli lebt mit seiner Familie in Bern.

Das Interview mit Rolf Doebelli führte finews.ch im Hinblick auf die Jahrestagung «Professionelle Kapitalanlage» vom 15./16. November 2016 in Zürich. finews.ch ist Medienpartner an dieser Veranstaltung, und Dobelli tritt als Referent auf.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
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