Peter Schuppli, Managing Partner Cottonfield Family Office, analysiert die vielschichtige Branche und fordert klare Standards.

– Herr Schuppli, ist der FO-Boom eine Folge der Finanzkrise?

Wohlhabende Privatpersonen und Familien haben sicher erfahren, dass aktuelle und konsolidierte Vermögensübersichten, ein neutraler „Vermögenscontroller" und eine bankunabhängige Marktmeinung dazu beitragen, Vermögen zu erhalten. Dazu kommt eine gewisse Unzufriedenheit mit den Banken, der Wunsch nach mehr Einflussnahme bei der Vermögensgestaltung und nach einer Professionalisierung bei der Verwaltung und Überwachung. Das eigene Unternehmen mit Geschäftsleitung und Verwaltungsrat wird oft besser überwacht, als das persönliche Vermögen. Die Kunden haben auch erkannt, dass die Kosten für ein Family Office bei weitem eingespart werden über tiefere – offene oder versteckte – Gebühren der Finanzdienstleister.

– Wer schaut den FO auf die Finger?

Die Family Offices sind in der Schweiz nicht einheitlich organisiert. Sie treten auch in ganz unterschiedlichen Formen auf. Man könnte sie über die geographische Ausdehnung definieren: Binnenmarkt, international, gobal oder über die Grösse der Kunden unter 300 Millionen Franken Vermögen. 300 Millionen bis 1 Milliarden oder darüber. Das sind signifikante Unterschiede. Ein weiteres Merkmal ist die Zahl, Single Family Office, Single FO mit zusätzlichen Kunden oder Multi Client FO. Ein anderes die Unabhängigkeit: arbeitet es für einer Familie, dominiert ein Mehrheitsaktionär oder ist es völlig unabhängig? Man kann die Family Offices auch nach ihrem Angebot unterscheiden: Fokussieren sie sich auf die Vermögensverwaltung und das Investment Controlling oder decken sie sämtliche Beratungsleistungen ab – inklusive der Concierge Aufgaben? Koordinieren sie nur sämtliche Aufgaben oder haben sie alle Kompetenzen inklusive Recht, Steuern und Banking im Haus? Allein diese Betrachtung zeigt, dass es ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Angebote gibt. Darum ist es auch unmöglich, einen Idealtypus zu definieren. Weil es aber immer um eine anspruchsvolle Vermögensberatung geht, müssen – zumindest für die Leistungserbringer für Dritte – verbindliche Mindeststandards aufgestellt werden. Stichworte dazu wären: Mindestkapitalisierung, Mindestgrösse, Ausbildungsstand und Erfahrung der Schlüsselpersonen, Aufsicht, anerkannte Revisionsgesellschaft mit Erfahrung in der Bankrevision, Geschäftsleitung und Verwaltungsrat mit entsprechender Erfahrung.

– Was kann das FO, was ein unabhängiger Vermögensverwalter nicht kann?

Der unabhängige Vermögensverwalter konzentriert sich meist auf einen Teil des Bankvermögens seiner Kunden und verwaltet diese im Rahmen von klaren, vertraglichen Richtlinien. Das FO hat immer die Kundengesamtsicht und ist in der Regel auch zuständig für die Überwachung und Verwaltung des Gesamtvermögens. Neben der Strategischen Vermögensallokation – auch unter Einbezug der Nicht-Bankanlagen – wählt es geeignete Manager aus, überwacht diese, erstellt Konsolidierungen, Reportings, verhandelt Kosten und taktet den Entscheidungsprozess. Neben den reinen Investment-Aufgaben koordiniert ein Family Office die kundeneigenen Spezialisten und Dritte, begleitet den Kunden bei Nichtbankanlagen seien es Direktanlagen, Liegenschaften oder Versicherungslösungen. Eine hohe Systematik, absolute Unabhängigkeit – nur durch den Auftraggeber entschädigt – und ein breites Dienstleistungsangebot und Netzwerk sind zwingend. Nur die wenigsten Family Offices führen auch so genannte Concierge services. Die Kunden können das sehr wohl selbst.

– Kann ein Banker nicht unabhängig denken – oder handeln?

Ein Mitarbeiter einer Bank ist – auch bei hoher Kundenloyalität – per Definition nicht ganz unabhängig und frei von Interessenkonflikten. Er hat Wachstums-, Verkaufs- und Ertragsvorgaben, welche mit seiner Entlöhnung und Karriereentwicklung zusammenhängen. Und diese Vorstellungen der Bankleitung sind nicht immer kompatibel mit den Interessen der Kunden. Beispielsweise: Die Rückzahlung einer Hypothek zu lasten von überschüssigem Bargeld verursacht in der Bankbilanz auf beiden Seiten einen Rückgang. Und daneben fällt das Zinsdifferenzgeschäft weg. Oder: Eigene Produkte mit versteckten Kosten sind oft weniger leistungsfähig als Angebote im offenen Markt. Zudem hat jede Bank im Anlagegeschäft ihre Fähigkeiten, deckt aber nie das gesamte Universum ab. Warum soll der Kunde nicht vom Best in class profitieren?

– Family Office im Firmennamen macht noch kein Family Office. Was dann?

Das ist tatsächlich so. Sehr viele Family Offices sind im Kern gar keine, sondern entweder Treuhandunternehmen mit erweitertem Angebot, Banken mit einer Gesellschaft, Vermögensverwalter mit Ambitionen, Investment Controller mit einem neuen Standbein, etc. Die umfassende Vermögensstrukturierung nach Anlageklassen, die bankunabhängige Konsolidierung, die Auswahl der besten Manager, Kostenverhandlungen, die Koordination von Spezialisten, die professionelle Begleitung der Kunden bei Direktanlagen, die Nachfolgeregelung/-vorbereitung stellen weit höhere Anforderungen. Der Begriff Familie Office wird oft eingesetzt, ohne dass die entsprechenden Leistungen oder Qualitätsmerkmale damit verbunden sind. Der guten Ordnung halber muss aber auch angefügt werden, dass viele Kunden auch ganz unterschiedliche Erwartungen an ein FO haben.

– 100 Millionen Franken Vermögen, dann doch lieber gleich das eigene Single Family Office?

Die Grenze für ein eigenes Family Office liegt je nach Anlagestruktur, Familiensituation, Internationalität eher bei 300 bis 500 Millionen. Sonst sind die Fixkosten zu hoch oder es ist zu wenig Fachwissen vorhanden. Cottonfield Family Office konzentriert sich auf Privatpersonen und Familien, die ein zu grosses oder komplexes Vermögen haben um es selbst zu betreuen, die aber zu klein sind für eine eigene Struktur. Und da lohnt es sich schon ab einem tiefen zweistelligen Vermögen, da ja nur bezahlt wird, was auch genutzt wird.

– In China soll die Zahl der Dollarmilliardäre in einem Jahr von 101 auf 130 gestiegen sein. Wäre das ein Markt für Cottonfield? Kann man mit dem FO auch expandieren?

Wir wollen nur ganz gezielt wachsen. Die mit einem internationalen Wachstum verbundene Komplexität –Sprachen, Kulturen, Steuersysteme, Reisezeiten – ist oft so gross, dass der Kerngedanke der Boutique verloren geht und die Partner anschliessend mit Managementaufgaben überlastet sind. Da gibt es bessere Lösungen in Form von Plattformen, Netzwerken, Franchisen. Wir haben uns auf einen klaren Markt konzentriert, welchen wir sehr gut kennen und wo wir ein breites Netzwerk haben. Wir müssen unsere Kunden verstehen und sie uns. Darum suchen wir auch weitere Kunden und Kollegen aus unserem Heimmarkt.

– Sie haben einen Verbund gewählt, warum? Was spricht gegen den Sololauf?

Wir sind Mitglied der Aquila Gruppe. Zum einen entlastet uns das Stammhaus der Gruppe von vielen zeitraubenden, operativen Aufgaben wie Buchhaltung, Revisionen, Personal, IT, Fondsmanagement, Legal & Compliance, Controlling. Und zum anderen erhalten wir vom Investment Office – wo wir im Strategischen Anlagekommitee vertreten sind – solide Ideen und Unterlagen aus einem systematischen und bankunabhängigen Anlageprozess. Damit können wir uns im Investment Bereich auf die Umsetzung und unsere Kernthemen fokussieren. Das Stammhaus ist zudem direkt der Finma unterstellt. Wir müssten personell einiges aufstocken, wenn wir die gleichen Leistungen im Alleingang anbieten wollten. Darum haben wir auch die ganze Konsolidierung und Datenaufbereitung ausgelagert, weil das nicht unsere Kernkompetenz ist.

– Wie baue ich mir als superreiches Individuum mein eigenes FO? Kann mein eigenes FO von mir unabhängig genug sein?

Als Ultra High Net Worth Individual würde ich mir mein eigenes FO aufbauen oder dieses mit ein paar wenigen, ähnlich denkenden Familien teilen. Da wird ja dann auch in viele nichttraditionelle Anlageklassen und Nicht-Bankanlagen investiert. Und als Patron ist es mir ein Anliegen, meine Anlagen aktiv mitzusteuern. Ich möchte dort entlastet sein, wo es mir wenig Spass macht und ich will involviert sein, wo wichtige Entscheide anstehen – ganz wie im eigenen Unternehmen. Dazu brauche ich eine personelle Mindestgrösse von 10 bis 15 Personen – je nach Struktur und Aufgabenportfolio. Wichtig ist, dass – ebenfalls wie im Unternehmen – die Aufgaben und Kompetenzen klar verteilt sind. Es braucht wie in einem gut eingespielten VR einen sauberen Führungsrhythmus. Auch wenn ich oder meine Familie die Besitzer sind gilt es, mein FO-Team und deren Fähigkeiten richtig einzusetzen und den Wert zu schätzen. Sonst erhalte ich keine unabhängig denkenden, erfahrenen Spitzenleute für die Führung des FO oder Spezialaufgaben.

– Es soll 400 FO in der Schweiz geben. Sind es 2010 bereits das Doppelte oder sind einige der 400 einfach bald viel grösser?

Die Zahl ist am Wachsen. Sowohl Single Family Offices – bei denen steuerliche und standortbezogene Überlegungen überwiegen dürften – als auch Multi Client Family Offices nehmen zu. MCFO haben den Vorteil, dass die Kunden Synergien nutzen können, die Eintrittsschwelle viel tiefer liegt und nur bezahlt werden muss, was auch genutzt wird. Immer mehr wohlhabende Familien suchen Kontinuität, Unabhängigkeit und Entlastung. Und sie wollen einen Trusted advisor, der ausschliesslich ihre Interessen vertritt. Bei den Anbietern wird es auch in Zukunft eine breite Bandbreite geben, wobei sich der Typ des MCFO immer mehr etabliert.

– Finde ich genügend Spitzenkräfte und Spezialisten aus dem – sehr gut bezahlten – Finanzbereich für die Aufgaben in einem Family Office?

Die Arbeit in einem Family Office ist eine sehr persönliche Aufgabe in einem kleinen, professionellen Team. Nicht Prestige, sondern hohe Kundenorientierung, nicht Management by delegation, Stäbe und Emails prägen den Tagesablauf, sondern harte Knochenarbeit mit direkter Resultatverantwortung. Die unternehmerische Freiheit ist sehr gross und das breite Gebiet lässt genügend Spielraum für persönliche Präferenzen. Die Entschädigung ist fair, aber weit weg von den Riesenboni gewisser Finanzdienstleister und Führungsebenen. Ein Family Office ist eine "Werkstatt" mit solider Arbeit und bietet Spitzenleuten aus dem Finanz- und Treuhandumfeld attraktive Aufgaben mit ausgewählten Kunden, bei welchen die Chemie stimmt.

Peter Schuppli ist Managing Partner des 2004 gegründeten Cottonfield Family Office, Zürich, ein Mitglied der Aquila Gruppe.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.78%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.27%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.75%
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