Steuerdelikte sollen künftig eine Vortat zur Geldwäscherei werden. Warum dies ein Unsinn ist, schreibt David Zollinger von der Privatbank Wegelin.

David.Zollinger.quadratVon David Zollinger, Mitglied der Geschäftsleitung, Wegelin & Co. Privatbankiers

Vor einer Woche tauchte wie aus dem Nichts eine Meldung in den Medien auf: Die Financial Action Task Force Against Money Laundering, (FATF), eine Schwesterorganisation der OECD, plane als Teil ihrer Empfehlungen die Steuerdelikte («tax crimes») zur Vortat für Geldwäscherei zu erklären.

Die Mitgliedstaaten (darunter die Schweiz) müssten innert 18 bis 24 Monaten ihre Gesetzgebung anpassen, ansonsten ihnen ein Platz auf einer Schandliste sicher sei. Nach ein paar Tagen erlosch das Interesse der Medien wieder. Doch es ist fast so sicher wie das Amen in der Kirche, dass dieses Thema bald wieder aufs Tapet kommt.

Es erstaunte auch nicht, dass sich die Journalisten gegenseitig abschrieben: Dass mit dieser Neuerung die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug wegfallen würde; dass damit jede Bank unversteuerte Vermögenswerte mit einer Geldwäschereimeldung an die Meldestelle melden müsste; und dass sie sich, würde sie es nicht tun, der Geldwäscherei oder mindestens der Gehilfenschaft dazu schuldig machen würde.

Was etwas mehr erstaunte: Dass sogar Experten und Spitzenbeamte das Ganze unbesehen übernahmen und Überlegungen dazu anstellten, was nun zu machen sei.

Kampf gegen das organisierte Verbrechen

Worum geht es eigentlich? Beginnen wir bei der FATF. Diese Organisation gibt seit 1990 vierzig Empfehlungen an ihre Mitgliedstaaten ab, mit welchen Massnahmen (vorwiegend in der Gesetzgebung) die Geldwäscherei bekämpft werden soll.

Nach den Attentaten vom 11. September 2001 sind zusätzlich 9 Spezialempfehlungen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung hinzugekommen. Ziel ist es, mit einer einheitlichen Regulierung dafür zu sorgen, dass das organisierte Verbrechen in allen Mitgliedstaaten auf Granit beisst und man nicht Geld waschen kann.

Deutschland nimmt es gelassen

Die Empfehlungen sind nicht bindend oder «self-executing» im Sinne des Völkerrechts, aber die einzelnen Mitgliedstaaten respektive deren Gesetzgebung und Strukturen werden in unregelmässigen Abständen überprüft und der Zustand in einem Länderbericht beschrieben.

Soeben wurde der Länderbericht zu Deutschland veröffentlicht. Dieser hält beispielsweise fest, dass das deutsche System 5 Empfehlungen gar nicht und 17 nur teilweise befolgt, während 22 wenigstens «weitgehend» umgesetzt wurden. Die Schweiz ihrerseits belegt seit Jahren einen Spitzenplatz bei der Umsetzung der Empfehlungen und versucht jeweils, die festgestellten Lücken raschest möglich zu füllen.

Den USA ist es herzlich egal

Es gibt andere Länder wie die USA, denen ein Platz am Ende der Liste herzlich egal ist; auch aus Deutschland haben wir bis heute keine Reaktion darüber gehört, mit welchen Massnahmen man die Empfehlungen nun endlich vollständig umsetzen will.

Es versteht sich von selbst, dass im Rahmen eines solchen Prozesses immer neue Wege gefunden werden, wie man «Geldwäscherei» noch effektiver bekämpfen könnte. Dazu gehört, dass stetig neue Vortaten bestimmt werden, welche ebenfalls in die Gesetzgebung einbezogen werden müssen.

Mafiöse Organisationen

Während zu Beginn der neunziger Jahre hauptsächlich Delikte aus dem Umfeld des organisierten Verbrechens (wie Drogenhandel und ähnliches) im Visier der Organisation waren, kamen je länger je mehr auch andere Straftaten hauptsächlich aus dem Bereich der Vermögensdelikte dazu.

Die nicht ganz falsche Logik dabei: Eine mafiöse Organisation handelt nicht nur mit Drogen und erpresst Schutzgelder, sondern macht noch vieles andere, was der Gesetzgeber verboten hat, und das soll auch durch «Geldwäscherei» erfasst werden. Der nicht ganz unbeabsichtigte Nebeneffekt: So kommen nicht nur Mafia-Bosse, sondern auch eine ganze Reihe anderer Straftäter ins Visier der Fahnder und erhöhen so die Erfolgsstatistiken.

Fiktive Handelsgeschäfte

Etwa im Jahr 2003 wurde die Idee zum ersten Mal offiziell geäussert, man müsse auch Steuerdelikte (genauer: «tax fraud») zur Vortat für Geldwäscherei erklären. Dazu muss man Folgendes wissen: Speziell im EU-Raum hatten sich so genannte Mehrwertssteuerkarrusselle als Volkssport der besonderen Art entwickelt.

Wer es geschickt anstellte, konnte mit fiktiven Handelsgeschäften zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten innert weniger Monate Erlöse im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich erzielen. Der Trick dabei ist, dass tatsächlich kein Geld zwischen den angeblichen Handelspartnern fliesst, diese aber sich vom Staat die angeblich bezahlten Vorsteuern in bar auszahlen lassen.

Deliktsummen in Milliardenhöhe

Es dauert durchschnittlich vier bis sechs Monate, bis die Steuerbehörden feststellen, dass gar keine Vorsteuern bezahlt worden sind. Wenn also die EU-Behörden von «Betrugsbekämpfung» respektive von «Steuerbetrug» reden, dann ist damit in der Regel der gewerbsmässige Abgabebetrug gemeint.

Etwas untechnisch wird oft auch der gewerbsmässige Schmuggel dazu gezählt, obwohl es sich – wie wir gleich sehen – um eine andere Deliktsform handelt. Die genannten Straftaten führen zu Deliktssummen in Milliardenhöhe, und es ist nachvollziehbar, dass die Staaten dagegen etwas unternehmen wollen und müssen. Dass die Delikte zudem von mafiösen oder mafiaähnlichen Organisationen begangen werden, erhöht zusätzlich den Handlungsdruck.

Steuerdelikte des kleinen Mannes

Die Schweiz hat hier längstens nachgezogen und per 1. Februar 2009 den so genannten bandenmässigen Abgabebetrug nach Art. 14 Abs. 4 VStrRG zum Verbrechen erklärt. Wer seither als Bande auf betrügerische Art vom Staat Auszahlungen erwirkt (etwa die genannten Vorsteuerabzüge oder auch Subventionen), auf die er keinen Anspruch hat, begeht ein Verbrechen und eine Vortat zur Geldwäscherei.

Ganz anders verhält es sich mit den Steuerdelikten des kleinen Mannes, der Steuerhinterziehung und dem Steuerbetrug im Sinne des Schweizer Rechts. Neben dem Umstand, dass diese Taten meistens von Einzelpersonen und im «kleinen Rahmen» begangen werden, gibt es zusätzlich einen gewichtigen Unterschied zum «tax fraud» im oben geschilderten Sinne: Wer Steuern hinterzieht (ob mit oder ohne gefälschte Urkunden), erzielt nicht einen betrügerischen Deliktserlös, sondern bezahlt dem Staat zu wenig.

Absolut irreführend

Das ist zwar strafbar und bald auch in allen Formen amtshilfefähig, aber das unversteuerte Geld stammt nicht aus einem Verbrechen – jedenfalls dann nicht, wenn das Gewerbe, mit dem das Geld erzielt wurde, nicht deliktischer Natur ist.

Erstaunlicherweise gehört auch der Schmuggel in diese Kategorie: Zwar geht es oft um hohe Beträge, welche den Zollbehörden vorenthalten werden – es ändert aber nichts daran, dass auch hier der Schmuggler einfach zu wenig (Zollabgaben) bezahlt und nicht etwa vom Staat Geld ertrügt. Nur schon deswegen ist es absolut irreführend, wenn erzählt wird, die Steuerhinterziehung werde zur Vortat für Geldwäscherei werden: Hinterzogenes respektive unversteuertes Geld, ist kein Geldwäschereiobjekt, so lange es nicht durch ein Verbrechen wie Drogenhandel oder ähnliches verdient wurde.

Was in der Schweiz gewaschen werden kann

In der Schweiz kann nur «gewaschen» werden, was aus einem Verbrechen herrührt (oder, was sich von selbst versteht, einer kriminellen Organisation gehört). Nicht nur sind bis heute mit Ausnahme des bandenmässigen Abgabebetruges in der Schweiz sämtliche Steuerdelikte keine Verbrechen (sondern «nur» Vergehen oder Übertretungen), sondern wie oben erwähnt ist unversteuertes Geld kein Geldwäschereiobjekt, wenn es nicht durch ein Verbrechen erzeugt wurde.

Auch wenn die FATF «tax crimes» als Vortat zur Geldwäscherei erklären sollte, würde es immer noch den einzelnen Staaten obliegen, welche Delikte sie als «tax crimes» bezeichnen. Da wir in der Schweiz den bandenmässigen Abgabebetrug bereits als Verbrechen ausgestaltet haben, liegen wir einmal mehr vorne. Und es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass eines Tages die Regierungen in ihrer unergründlichen Weisheit auf die Idee kommen, das Entgegennehmen oder Aufbewahren von steuerlich undeklarierten Vermögenswerten zum Delikt zu erklären.

Vielleicht würde sogar die qualifizierte Form als Verbrechen ausgestaltet sein. Mit Geldwäscherei hat das dann aber definitiv nichts mehr zu tun, sondern mit einer Massnahme zur Durchsetzung des Steueranspruchs.

 

 

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