Die Wale unserer heutigen Wirtschaftsgesellschaft seien in den Ozeanen der Finanzmärkte angesiedelt, sagt Bill Gross. Dabei seien echte Innovatoren wie Steve Jobs und Bill Gates unter den Privilegierten 1 Prozent so selten anzutreffen wie Riesenkraken unter Haien.

Sie machen die Anleger glauben, dass Aktien, Anleihen und Immobilien vorhersehbare, positive Kursentwicklungen erfahren, während die Preise in Wirklichkeit auf einem Ozean aus Krediten treiben – einem Ozean, in dem alle Fische und Säugetiere durch die hohe Verschuldung und die Folgen des Schuldenabbaus nun zunehmend gefährdet sind.

Beim Schuldenabbau dieses Systems gibt es dennoch Gewinner und Verlierer – wir haben es hier mit einer Art Nahrungskette der Finanzbranche zu tun.

Um dauerhaft bestehen zu können, sind diese wirtschaftlichen und/oder finanziellen Nahrungsketten auf einer Vielzahl kleiner Fische im Ozean angewiesen.

Dreieck der Wohlstandsverteilung

Vor Jahrzehnten beschrieb ich in einem meiner ersten Investment Outlooks die «Plankton Theory», in der ich die Hypothese aufstellte, dass die mächtigen Wale zum Überleben auf das unbedeutende Plankton angewiesen sind. Das Gleiche gilt meiner Meinung nach für die Finanzwirtschaft und sogar für die Realwirtschaft.

Bei der Betrachtung des altbekannten Dreiecks der Wohlstandsverteilung, das sich aus Grundbesitz, Arbeitskraft und Kapital zusammensetzt, führt die Nahrungskette der Finanzbranche in Hinblick auf das Kapital zu einer Trennung zwischen denen, die es haben, und denen, die es nicht haben: Dabei entsprechen die Federal Reserve und ihre Mitgliedsbanken den metaphorischen Walen und die kleinen Investoren, die durch ihre Geldmarktfonds eine Rendite von 0,01 Prozent erzielen, dem Plankton.

Verzerrtes Ungleichgewicht

In Bezug auf die Arbeitskraft lassen sich ähnliche Vergleiche anstellen. So sind wir an einem Punkt angelangt, an dem die Gewinne und die Vergütung der begünstigten 1 Prozent – sowohl finanzieller als auch nicht finanzieller Natur – die Gehälter der restlichen 99 Prozent übersteigen, wobei das Ungleichgewicht zwischen den beiden Gruppen ebenso verzerrt ist wie in Bezug auf das Kapital.

Unsere globale Wirtschaft und ihre Finanzmärkte könnten im Jahr 2012 mit den Worten «neunundneunzig für einen» und «einer für neunundneunzig» charakterisiert werden, wobei es sich von selbst versteht, dass es vorteilhafter ist, sich auf der Seite der Wale zu befinden als auf der Seite des Planktons.

Umfeld im Wandel

Die Wale aus der Finanzwirtschaft und aus Newport Beach, wie meine Person, besitzen nicht nur ein Blasloch, mit dessen Hilfe sie ihre Allmächtigkeit zum Ausdruck bringen können, wenn sie sich von Zeit zu Zeit für öffentliche Stellungnahmen an die Oberfläche begeben, sondern sie müssen sich derzeit noch keine Sorgen machen, dass sie auf dem Speiseplan eines anderen Meeresbewohners landen.

Während die Wale nicht direkt vom Aussterben bedroht sind, unterliegt ihr Umfeld dennoch einem Wandel – und zwar im negativen Sinne. Das globale Währungssystem hat sich während des vergangenen Jahrhunderts stets weiterentwickelt und verwandelt, wobei sich dieser Wandel kontinuierlich in Richtung einfacherer, günstigerer und üppigerer Kredite vollzog.

Gerechte Verteilung

Nun könnte es jedoch an einen Punkt gelangt sein, an dem es nicht länger effizient und fair funktionieren kann, um das Wirtschaftswachstum zu unterstützen und eine gerechte Verteilung der daraus resultierenden Gewinne zu gewährleisten. In näherer Zukunft stehen Veränderungen an, die für die überdimensionierten Kreaturen unserer Ozeane unvorteilhafter ausfallen dürften.

Das Gleichgewicht zwischen den Finanzwalen und dem Plankton – den mächtigen Gläubigern und den wesentlich kleineren Schuldnern – hängt entscheidend vom reibungslosen Funktionieren unseres globalen Währungssystems ab. Doch was ist ein globales Währungssystem?

Rohstoffe oder Papier

Im Grunde genommen beschreibt es die Art und Weise, auf die der Handel in unserer Welt betrieben und vergütet wird. In der Vergangenheit kamen mehrere unterschiedliche Systeme zum Einsatz, die im Grunde jedoch entweder auf Rohstoffen basierten – vorrangig auf Gold und Silber – oder auf Papier – Papiergeld.

Nach der Abkehr vom Goldstandard einigten sich die Industrienationen mit Bretton Woods im Jahr 1945 auf ein Hybridsystem, das auf der Konvertibilität des Dollars und seiner Festsetzung bei 35 US-Dollar pro Unze Gold basierte.

Nixon und sein «gutes Benehmen»

Als dieses System Ende der 1960er Jahre durch die Haushaltsdefizite der USA und das damit einhergehende Drucken von Dollars ausser Gefecht gesetzt wurde, führte US-Präsident Richard Nixon ein neues, relativ locker definiertes System ein, das sich für den Handel und die Währungstransaktionen zwar weiterhin des Dollars bediente, dabei allerdings ausschliesslich auf dem gegenseitigen «guten Benehmen» der Zentralbanken in den G7-Ländern beruhte, mit ihren Gelddruckmaschinen sparsam umzugehen und ein Inflationsziel nahe 2 Prozent anzustreben.

Dieses implizite Versprechen, für das sich der damalige Fed-Chef Paul Volcker 1979 einsetzte, wurde durch die Märkte und Volkswirtschaften allmählich akzeptiert. So wuchsen die globalen Kreditmärkte und ihre Volkswirtschaften wie junge Wale heran und verschlangen Tonnen von Schulden-Plankton, bis sie schliesslich ausgewachsen waren.

Wie ein Symbol von Seaworld

Das globale Währungssystem schien einwandfrei zu funktionieren und wurde als «The Great Moderation» bezeichnet, statt ihm den zutreffenderen Namen Shamu zu verleihen – in Anspielung auf das Symbol von Seaworld. Die Gesetze der natürlichen Auslese und der modernen Finanzwelt schienen wie erwartet zu funktionieren, und so gewannen die Wale zunehmend an Einfluss.

Das System funktionierte zwar, aber nicht ganz so moderat und einwandfrei wie erwartet – insbesondere seit 2008. Durch die Massnahmen der fiskal- und währungspolitischen Entscheidungsträger liessen sich umfangreiche Schuldenschnitte der Finanzwerte in unserem globalen Währungssystem verhindern, die sich insgesamt auf rund 200 Billionen US-Dollar belaufen.

Anstieg der Schuldenquoten

Allerdings ging dies mit einer Erhöhung der Risiken und einer Reduzierung der Renditen von Staatsanleihen einher, die den Kern des globalen Währungssystems ausmachen. Auf Grund des rasanten Anstiegs der Schuldenquoten in zuvor unantastbaren AAA-Ländern entwickelte sich die günstige Finanzierung zunehmend zu einer Aufgabe der Zentralbanken, statt in den Händen der Privatanleger zu bleiben.

In den vergangenen Jahren wurden wir Zeuge zahlreicher quantitativer Lockerungsprogramme in den USA und langfristiger Refinanzierungsgeschäfte durch die EZB, die sich insgesamt auf mehrere Billionen Dollar beziehungsweise Euro belaufen.

Potenzielle Schwachstelle

Im Zuge dessen kam es allerdings auch zu einem Rückgang der Renditen und künftigen Erträge, die nun nicht länger einem warmen Pazifischen Ozean positiver Realzinsen gleichen, sondern in Anbetracht der Inflationsraten von 2 bis 3 Prozent, die in den industrialisierten Volkswirtschaften bereits an der Tagesordnung sind, eher an die eiskalte, arktische See erinnern.

Die verringerte Qualität und die niedrigeren Renditen von Schuldtiteln, die zuvor als unantastbar galten, stellen demnach eine potenzielle Schwachstelle unseres inzwischen 40 Jahre alten globalen Währungssystems dar.

Zu hohen Risiken ausgesetzt

Noch vor fünf Jahren galten diese Entwicklungen als unmöglich. In der heutigen Zeit, in der selbst die USA eine Herabstufung ihrer Kreditwürdigkeit auf AA+ hinnehmen müssen und das Privileg einer Investition in US- Staatsanleihen mit einer realen Verzinsung von negativen 200 Basispunkten entlohnt wird, dürfte die Bereitschaft der Gläubiger-Wale – im Gegensatz zu den Schuldner-Walen – zur Unterstützung des aktuellen Systems jedoch bald schwinden.

Ein derartiger Wandel kommt dadurch zustande, dass die Gläubiger sich entweder zu hohen Risiken ausgesetzt fühlen oder nicht bereit sind, sich mit den sehr niedrigen Investmenterträgen zufrieden zu geben.

«Der Wal! Da bläst er!»

Wenn der Wert grosser Teile unseres heutigen Finanzsystems infrage gestellt wird, das sich derzeit auf 200 Billionen US-Dollar beläuft, greifen die Investoren auf andere Anlageformen zurück – auf Sachwerte wie Grundstücke, Gold und greifbare Güter oder auf Cash und eine symbolische Matratze, in der ihr Geld zumindest jederzeit verfügbar ist.

«Der Wal! Da bläst er!», ruft Kapitän Ahab bei Moby Dick, und Schuldner mit ähnlichen Absichten könnten diesem Beispiel bald folgen. Demnach besteht in den kommenden Jahren die Chance, ein neues globales Währungssystem zu schaffen. Sollte dies nicht geschehen, werden wir es mit einem stagnierenden, gestörten und für die Förderung der produktiven Investitionstätigkeit schlecht ausgestatteten Währungssystem zu tun haben.

Plünderung von Fort Knox

Zwar herrscht in allen Währungssystemen ein Gleichgewicht zwischen Schuldnern und Gläubigern, zumindest solange es zu keinen willkürlichen Zahlungsausfällen kommt, dennoch werden die Regeln für einen Übergang zu einem neuen Regime im Allgemeinen durch die Gläubiger aufgestellt.

Dies war Ende der 1960er-Jahre der Fall, als der damalige französische Staatspräsident Charles de Gaulle mit der Plünderung von Fort Knox drohte – für den Fall, dass kein neuer Standard eingeführt werden sollte.

Schichtet China um?

Da die Dollar-Reserven heutzutage weitläufig auf China, Japan, Brasilien und weitere Überschussnationen verstreut sind, liegt die Vermutung nahe, dass wir an einen Punkt gelangen werden, an dem negative Realzinsen von minus 2 Prozent nicht länger als Kompensation für die bisher mit dem Kauf von Staatstiteln verbundenen Vorteile ausreichen.

So könnte China beispielsweise eine schrittweise Umschichtung der gehaltenen US- Staatsanleihen in höher rentierliche Anlagen wie Rohstoffe oder Sachwerte vornehmen, wodurch eine allmähliche oder auch recht plötzliche Umgestaltung unseres derzeit Dollar-basierten Kreditsystems eingeleitet werden könnte. In Anbetracht der verringerten Anreize zum Kauf von US-Staatstiteln und zur Eindämmung einer Aufwertung des Yuan könnten sich China und seinesgleichen auf die Suche nach anderen Ertragsquellen begeben.

Änderung des Währungssystems

Darüber hinaus werden auch die zuvor gefürchteten, inzwischen jedoch geschätzten Privatakteure am Anleihenmarkt, wie PIMCO, vor derselben Wahl stehen, sobald ihre Kunden die Anlagerichtlinien ihrer derzeit an Indizes gekoppelten Anteile erweitern. Gemeinsam verfügen die Gläubiger öffentlicher und privater Kredite über das Potenzial, eine Änderung der Art und Weise herbeizuführen, auf die Kredite finanziert und vergeben werden – eine Änderung unseres globalen Währungssystems.

Hartes Geld anstatt Papier

Wie dies aussehen mag, lässt sich nur vermuten, allerdings wird es eher auf der Basis von hartem Geld anstelle von Papier aufgebaut sein. Sollte das neue Währungssystem dennoch auf Papiergeld beruhen, wird es wohl weniger auf eine Dollar- basierte Reservewährung ausgerichtet sein. Ein derartiger Übergang dürfte jedoch in jedem Fall einen störenden Verlauf nehmen und ein schlechtes Omen für die Seefahrer unter den Anlegern darstellen.

Dieser Wandel deutet nach wie vor darauf hin, dass höhere globale Inflationsraten eine Rettung für die verlängerten und mit Schulden überladenen Bilanzen darstellen – ganz gleich, ob sie öffentlicher oder privater Natur sind. Demnach sollten Anleiheninvestoren zum Beispiel Staatstitel hoher Qualität vorziehen, die zu den «saubersten unter den schmutzigen Hemden» zählen (USA, Mexiko und Brasilien).

Ratschläge für Investoren

Zudem sollten sie ihren Schwerpunkt auf Laufzeiten mittlerer Dauer legen, die sich innerhalb der kommenden Jahre allmählich verkürzen. Aktieninvestoren sollten ihren Schwerpunkt entsprechend auf globale Unternehmen mit stabilen Cashflows sowie auf Firmen mit Engagement in wachstumsstarken Märkten legen.

Ganz allgemein wird es den Investoren jedoch schwerfallen, die grösstenteils auf dem rechten Rand der Wahrscheinlichkeitsverteilung gelegene Performance der vergangenen 30 Jahre zu wiederholen – einer Ära, die eher durch die Wale als durch das Plankton dominiert wurde und die auf exzessiver Kreditausweitung aufbaute.

Historische Hebelwirkung

Volkswirtschaften und Finanzmärkte, die sich in einem Prozess des Schuldenabbaus befinden, bieten ein ganz anderes und niedriger rentierliches Umfeld als jene der zurückliegenden Jahrzehnte, in denen die Kreditvergabe dominierte.

Der Grund hierfür ist, dass die historische Hebelwirkung fast immer durch eine Kapitalaufnahme zu kurzfristigen Zinssätzen und eine längere und risikoreichere Kreditvergabe zu höheren Zinssätzen erreicht wurde. Diese «Renditeprämien» fungierten während der vergangenen 30 Jahre praktisch als Garantie für gehebelte Erträge oberhalb der Leitzinsen.

Verringerte Ertragsmargen

Dabei spielte es keine Rolle, ob sie bei 10 Prozent oder 5 Prozent lagen oder sich allmählich der Nullgrenze annäherten: Während der zyklischen Konjunkturabschwünge, die durch kurzlebige Phasen der restriktiven Geldpolitik durch die Federal Reserve bedingt waren, befanden sich die Renditeprämien nur vorübergehend in Gefahr. Solange sich die Wirtschaft wieder erholte, bestand nie eine wirkliche Bedrohung für die Kreditausweitung und ihre Rentabilität.

All dies änderte sich jedoch durch die verringerten Ertragsmargen, den Einbruch der Vermögenspreise und die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe aufseiten der Gläubiger (und in vielen Fällen auch bei der Schuldenaufnahme vonseiten der Schuldner), die der Schuldenabbau mit sich brachte.

Ertragserwartungen zurücknehmen

In Kombination mit den derzeit negativen Realzinsen von minus 200 bis 300 Basispunkten am vorderen Ende der Zinskurve steht nun die Fähigkeit einer erfolgreichen Hebelung der Finanzmarkterträge auf dem Spiel. Im Bereich der Anleihen, Aktien und aller sonstigen Finanzwerte, die durch diese Dynamik strukturell miteinander verbunden sind, müssen die Ertragserwartungen verringert werden. Es gilt, aufmerksam zu bleiben!

Die weltweiten Finanzmärkte scheinen ihr Hauptaugenmerk derzeit auf die täglichen geld- und fiskalpolitischen Entwicklungen in Euroland zu legen, die als Basis für die Entscheidung bezüglich des Risk-on-beziehungsweise Risk-off-Modus an den Märkten sowie für den allgemeinen Erfolg von Carry- und Risikostrategien dienen, die eine zentrale Rolle für die Gesamterträge auf den Anlagenmärkten einnehmen. Dennoch handelt es sich im Fall von Euroland nur um einen lokalisierten Tumor.

Krebserkrankung der Kredite

Im Zuge der fortschreitenden Krebserkrankung der Kredite könnten sich bereits Metastasen und verhängnisvolle Schwachstellen im globalen Währungssystem gebildet haben, die durch die Schuldenkrise sowie die entsprechenden politischen Reaktionen bedingt sind und sich in Form zunehmend risikoreicher und inakzeptabel niedriger Renditen ausdrücken.

Der grosse weisse Wal wartet am Horizont. Die Anleger sollten ihre Schiffe mit Vorsicht steuern, und die oberen 1 Prozent der Finanzbranche sollten ihre Schwimmwesten anlegen, wenn sie diesen unvermeidlichen Sturm überstehen wollen, der sich als Bedrohung herausstellen könnte für die Kabinen der ersten Klasse, die sie so sehr zu schätzen gelernt haben.

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