Als Franzose, der mittlerweile beruflich mehr Zeit in Deutschland verbringt und das Land entsprechend gut kennt, sind Sie eine seltene Spezies. Wer in Europa wird nach Ihrem Urteil am meisten vom Brexit profitieren?

Niemand, sofern der Brexit wirklich umgesetzt wird. Aber das ist noch unklar. Sicher ist hingegen, dass die Briten die ersten Leidtragenden sein werden – und danach die Europäer, weil die wirtschaftliche Dynamik schwinden wird.

Wird die Londoner «City» ihre Vormachtsstellung als führender Finanzplatz Europas verlieren?

Kommt der Brexit tatsächlich, wird die Themsestadt als Finanzzentrum zweifelsohne an Strahlkraft verlieren. Profitieren werden einerseits jene Wirtschaftsräume, wo man Englisch spricht – wie Dublin – und andererseits grosse Zentren wie Frankfurt und Paris.

Dass die Schweizer Grossbank UBS ihren Europasitz in Frankfurt aufbaut, ist für mich ein vielsagendes Indiz für die Kräfteverhältnisse im Europa von morgen. Aber auch Paris besitzt Trümpfe in diesem Standortwettbewerb.

Welche denn?

Paris ist eine wunderbare Metropole mit einer einzigartigen Geschichte und Kultur. Die öffentliche Hand ist ausgeprägt und kann vieles bewirken und fördern. Die Bankbranche besteht aus Instituten, die gestärkt aus der Finanzkrise hervorgegangen sind und heute zu den stabilsten in Europa gehören.

«Wird der Brexit umgesetzt, profitieren mehrere europäische Städte davon»

Es ist aber auch eine Tatsache, dass die Sozialkosten in Frankreich überdurchschnittlich hoch sind und der Arbeitsmarkt unflexibel ist. Ich bestreite auch nicht, dass die Infrastruktur in Frankreich, namentlich zwischen dem Flughafen Charles-de-Gaulle und dem Zentrum von Paris ausgesprochen schlecht ist.

Da sie mittlerweile drei Tage die Woche in Deutschland verbringen, ist Ihnen auch dieses Land vertraut. Was spricht für den Finanzplatz am Main?

Frankfurt hat sicherlich seine Vorzüge: tiefe Immobilienpreise, nach wie vor grosse Landreserven, einen tadellosen und gut erschlossenen Airport sowie den Sitz der Europäischen Zentralbank. Letztlich denke ich: Wird der Brexit umgesetzt, profitieren mehrere europäische Städte davon.

Sie betonen, «sofern» der Brexit umgesetzt wird. Zweifeln Sie denn daran?

Diese Frage stelle ich mir tatsächlich, und ich habe noch keine Antwort darauf gefunden. Am Ende sind es die Engländer, die eine Antwort darauf finden müssen.

Mit Ihrer deutsch-französischen Oddo-Finanzgruppe sind sie eigentlich gut positioniert für die Zukunft in Europa. Was ist Ihre Strategie?

Wir verstehen uns primär als Experten für die Eurozone – sowohl was unsere Klientel anbelangt als auch in Sachen Know-how. Darauf haben wir in den vergangenen Jahren gezielt hingearbeitet und vor diesem Hintergrund drei deutsche Finanzinstitute übernommen: die Frankfurter Close Brothers Seydler (2014), die Düsseldorfer Meriten Investment Management (2015) sowie die Frankfurter BHF-Bank (2016).

«Kundenseitig befinden sich in unserem Einzugsgebiet sehr grosse Vermögen»

Mit dem Know-how und Research in unseren beiden Kernmärkten Deutschland und Frankreich decken wir 60 Prozent der Marktkapitalisierung in der Eurozone ab. Kundenseitig befinden sich in unserem Einzugsgebiet sehr grosse Vermögen.

In Deutschland sind das die vielen wertvollen Unternehmen des Mittelstands, und in Frankreich stehen wir auf Grund unserer Herkunft der Firmenwelt schon lange sehr nahe.

Den Grundstein für die heutige Oddo-Gruppe haben Sie vor zwanzig Jahren gelegt, als Sie mit der Übernahme von Delahaye Finance ihre erste grosse Akquisition tätigten. Was hat sich in zwei Jahrzehnten am meisten verändert?

Die Konsolidierung hat dazu geführt hat, dass es heute viel weniger Finanzinstitute gibt. Dominierten früher vor allem Übernahmen in einem Land, so nehmen heute länderübergreifende Transaktionen, so genannte Crossborder-Deals, rasant zu. Zudem erhalten unabhängige Asset Manager, also Vermögensverwalter, auf Grund der Konsolidierung eine immer grössere Bedeutung.

«Nun sind wir daran, dieses deutsch-französische Konstrukt in der Realität umzusetzen»

Jüngstes Beispiel ist Amundi, das den Konkurrenten Pioneer übernommen hat. Neben den grossen Playern können aber auch kleine, in Nischen tätige Anbieter überleben. Alles, was dazwischen liegt, hat es schwer.

Sie haben in den vergangenen zwanzig Jahren eine Vielzahl von Akquisitionen getätigt. Was wäre jetzt noch Ihre Wunschübernahme?

Ich muss das relativieren. Denn wir haben rund fünf Jahre auf eine Übernahme der BHF-Bank hingearbeitet. Insofern ist das durchaus eine Wunschakquisition. Nun sind wir daran, dieses deutsch-französische Konstrukt, das auf dem Papier bereits besteht, auch in der Realität umzusetzen – mit länderübergreifenden Teams, sei das nun in der operativen Führung oder bei den Fachleuten für die verschiedenen Anlageklassen.

Bis Ende März 2017 sollten wir diesen Plan mit den entsprechenden Verantwortlichkeiten umgesetzt haben. (Lesen Sie den zweiten Teil des Interviews heute im Laufe des Tages.)


Der 57-jährige Philippe Oddo zählt zu den bedeutendsten Unternehmerpersönlichkeiten Frankreichs. Er entstammt einer Pariser Familie, die über mehrere Generationen im Devisenhandel tätig war. Nach seinen Studien in Paris, New York und Köln trat Oddo 1984 dem familieneigenen Unternehmen bei, wo er 1987 – erst 28-jährig – Teilhaber wurde.

In der Folge baute er die Firma in eine Unternehmerbank um, die vor exakt 20 Jahren mit der Akquisition von Delahaye Finance den Grundstein legte, zu einer bedeutenden Finanzgruppe heranzuwachsen. Mit der Übernahme dreier deutscher Institute, Close Brothers Seydler (2014), Meriten Investment Management (2015) und der BHF-Bank (2016) etablierte sich die Oddo-Gruppe als einer der wichtigsten Akteure in der europäischen Finanzbranche.

Das familienbetriebene Unternehmen ist höchst erfolgreich, nicht zuletzt weil es seine Mitarbeiter an der Firma grosszügig beteiligt. Philippe Oddo, verheiratet und Vater von vier Kindern, verbringt mittlerweile die Mehrheit seiner Arbeitszeit in Deutschland. Mit der BHF-Bank und Oddo Asset Management ist die Gruppe auch in der Schweiz präsent, wo sie 2017 substanziell expandieren will.

 

Gold hat mit 2'400 Dollar ein neues Allzeithoch erklommen. Ist dies der Anfang einer nachhaltigen Hausse?
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