Jan Loeys von der US-Bank J.P. Morgan sagt den grössten Vermögensverwaltern voraus, wohin sich die Börsen in den nächsten zehn Jahren bewegen. finews.ch hat mit ihm über das Geheimnis des Langfrist-Strategen gesprochen.

Jan Loeys (Bild unten) ist in seinem Fachgebiet nicht leicht aus der Reserve zu locken. Die rasant kletternden Inflationsraten in den USA? «In den 1970er-Jahren war es schlimmer», findet er. Und der Bärenmarkt an den Börsen? «Bloss ein Rauschen.» Aber die drohende Rezession? «Rezessive Phasen kommen und gehen, auch wenn sie für die Betroffenen schwere Folgen zeitigen», sagt Loeys. «Aus Anlegersicht sollte man sie zum Zukauf nutzen.»

Der gebürtige Belgier, der die meiste Zeit seines langen Berufslebens in Grossbritannien und den USA verbracht hat, ist im besten Sinne des Wortes cool, das wird schnell klar.

Grossinvestoren sind wie Supertanker

Und das nicht von ungefähr: Er kann so abgeklärt über die Inflation vor 50 Jahren sprechen, weil er sie hautnah miterlebte – 1981 machte er seinen Doktor in Volkswirtschaft. Anfang der 1980er-Jahre war er bereits als Ökonom für die örtliche Fed in der US-Stadt Philadelphia tätig; 1986 wechselte er in die Dienste des Wall-Street-Hauses J.P. Morgan, wo er seither verblieben ist – mehr als 30 Jahre lang.

Loeys 500

(Bild: Linkedin)

Eigentlich wäre er schon länger pensioniert, doch die führende Bank der USA mochte ihn nicht ziehen lassen. Nun blickt er für die grössten Anlagekunden des Instituts nach vorne in die Zukunft, weit nach vorne: Als «Longterm-Strategist» ist es seine Aufgabe, milliardenschweren Pensionskassen und Vermögensverwaltern beim Entscheid helfen, wie ihre strategische Vermögensaufteilung in den nächsten zehn Jahre aussehen soll.

«Manche Investoren sind sehr gross geworden, aber die Liquidität an den Märkten hat nicht mitgehalten», berichtet der Finanzprofi. Er vergleicht diese Kunden mit Supertankern, die nur schwerfällig den Kurs wechseln können. Entsprechend müssten sie langfristig investiert sein. Diese Riesen durch das Auf und Ab der Börsen zu lotsen, hat ihm mit 65 Jahren nochmals eine neue Aufgabe verschafft.

«An der Spitze will niemand gehen»

Ausserdem habe er auch Platz machen wollen für frisches Blut, findet Loeys. «Es ist ein Problem dieser Firma, dass an der Spitze niemand gehen will», sagt er. Ein Kommentar, der durchaus auch auf Jamie Dimon zutrifft, der seit 2005 als CEO von J.P. Morgan wirkt. Anders als Loeys ist Dimon aber erst seit dem Jahr 2004 bei der Bank.

«Zehn Jahre sind eine etwas willkürliche Wahl für Langfristigkeit», räumt der Börsenveteran ein. Aber diese Zeitspanne erlaube es, über den nächsten Unternehmenszyklus hinauszusehen und damit viel präzisere Annahmen zu treffen. «Finanzmärkte sind lärmig und voller Ablenkungen», weiss Loeys.

Um durch diesen «Noise» zu blicken, helfen ihm mathematischen Berechnungen. «Empirisch betrachtet gleichen die Einnahmen aus Coupons die Kursbewegungen von US-Anleihen auf zehn Jahre hinaus aus», erklärt er das Vorgehen. Entsprechend zeigten die heutigen Renditen das an, was man in den nächsten zehn Jahren mit Obligationen verdienen könne. «Das ist ganz einfach.»

Voraussagen müssen präzise sein

Wirklich? Bei Aktien sei die Wahrscheinlichkeit von Abweichungen bei Preisprognosen deutlich grösser, gibt er zu bedenken. «Doch verglichen mit der Volatilität an den Börsen ist sie immer noch überraschend gering. Auch hier halten wir uns an simple Bewertungszahlen, und lassen uns nicht von Schätzungen der zukünftigen Unternehmensgewinne ablenken.»

Das ist das Geheimnis des Langfrist-Strategen: Er macht keine Voraussagen über die mittelfristige Börsenlage, die Konjunktur, die Zinsen oder die Geopolitik. Er berechnet nur, wie viel Rendite Wertschriften in den nächsten zehn Jahren im Schnitt abwerfen.

«Voraussagen, welche die langfristigen Ziele einer Vermögens-Allokation bestimmen, müssen präzise sein», betont der Ökonom, der bei J.P. Morgan bis zum erlauchten Rang eines Managing Director aufgestiegen ist. Deshalb gilt, dass Loeys sich nur auf gegenwärtige und vergangenen Kursdaten verlässt, «also Dinge, die wir mit Sicherheit wissen».

Aktien rentieren 6,5 Prozent pro Jahr

Damit, so das Versprechen, erreicht sein Team eine hohe Genauigkeit. «Das Wort Wenn benutzen wir nicht. Stattdessen legen wir mit dem Kunden ein langfristiges Renditeziel fest und erklären ihm, mit welcher Allokation er dieses erreicht.»

Was heisst das konkret? «Wenn ich nur die Preisentwicklung beachte, dann weiss ich, dass Aktien in den nächsten zehn Jahren ihre jetzigen Verlusten wettmachen werden. Wir rechnen mit einer nominalen Rendite von durchschnittlich 6,5 Prozent pro Jahr», sagt Loeys. Mit Anleihen hingegen werde man in der Eurozone über die nächsten zehn Jahre höchstens 2 Prozent verdienen können, und 3,5 Prozent in Dollar.

Krypto – ein heikles Thema

Bei Cash wiederum seit die Wahrscheinlichkeit gross, das Bargeld langfristig weniger rentiert als Bonds. «Wer so viel Geld hat, dass er Markteinbrüche verkraften kann, sollte primär in Aktien investieren», empfiehlt er.

Und was sagt der Langfrist-Stratege zum jungen Phänomen der Krypto-Anlagen? Das ist ein heikles Thema, hat doch sein Chef Dimon im Jahr 2017 erklärt, jeden Banker zu feuern, der mit Bitcoin handle. «Persönlich glaube ich, dass man eine Investment komplett verstehen muss, um Geld darauf zu setzen», findet  Loeys. «Bei Kryptos ist dies bei mir nicht der Fall – ich bin entweder zu alt oder nicht schlau genug, um deren Eigenschaften zu begreifen.»

Auch hier weiss Loeys ganz genau, wovon er die Finger lassen muss: Er überlässt Kryptos den jüngeren Generationen.

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