Die Vereinigung Schweizerischer Privatbanken behauptet, eine Analyse in Sachen Swiss Private Banking von finews.ch sei unzutreffend und hat eine Gegendarstellung verfasst. Die Redaktion hält an ihren Aussagen fest. Der Autor argumentiert in einer Duplik.

Am 25. August veröffentlichte finews.ch einen Artikel mit dem Titel «Swiss Banking in den Beziehungen mit der EU auf dem Holzweg». Nach Ansicht von finews.com-Redaktor Andrew Isbester ist der fehlende Marktzugang auf den überholten Kundenschutz in der Schweiz zurückzuführen.

Diese Ansicht sei nicht zutreffend, findet die Vereinigung Schweizerischer Privatbanken (VSPB) und hat eine Gegendarstellung verfasst. Die VSPB schreibt:

Veralteter Kundenschutz

Nach Ansicht des Redaktors ist der mangelnde Marktzugang auf einen veralteten Kundenschutz in der Schweiz zurückzuführen. Diese Einschätzung ist nicht stichhaltig und die VSPB legt Wert darauf, dies zu korrigieren.

  1. Dem Redaktor gelingt ein Kunststück, indem er das schweizerische Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) im Artikel nie erwähnt. Dieses Gesetz von 2018, das 2020 in Kraft trat, hat gerade das Ziel, den Kundenschutz zu stärken. Insbesondere sieht es eine Angemessenheits- und Eignungsprüfung und weitere Informations- und Transparenzpflichten nach dem Modell der europäischen Regelung MiFID vor. Die Idee war, dass sich die Schweiz dem europäischen Kundenschutz im Sinne einer Gleichwertigkeit annähert und sich so das Leben von Finanzdienstleistern mit schweizerischen und europäischen Kunden vereinfacht.
  2. In der Einleitung wird behauptet, dass weder Protektionismus noch politische Erwägungen der Grund für den fehlenden Marktzutritts seien. Doch in Europa sind es offensichtlich protektionistische Gründe, warum den schweizerischen oder englischen Banken das Leben schwer gemacht wird. Wenn Frankreich, Italien und weitere Staaten eine Filiale in ihrem Land verlangen, damit die Bank eines Drittlands mit Kunden vor Ort Geschäfte machen kann, wollen sie nur ihre eigenen Banken verteidigen. Es geht diesen Ländern mitnichten um fehlenden Kundenschutz oder «klaffende Lücken in der Regulierung».
  3. Zudem wird im Artikel angezweifelt, dass die Schweizer Banken die lokalen MiFID-Regeln für europäische Kunden korrekt einhalten. Hier geht vergessen, dass ein europäischer Kunde eine Schweizer Bank dank dem Lugano-Übereinkommen in seinem Heimatland und nach seinem Recht anklagen kann, wenn diese Regeln nicht korrekt eingehalten werden. Dieses Risiko ist hiesigen Finanzdienstleistern viel zu hoch, was erklärt, warum in der Praxis die MiFID-Regeln strikt eingehalten werden.
  4. Beim Thema Einlagensicherung scheint der Redaktor nicht sehr sattelfest zu sein. Die Fragen, die sich scheinbar bei diesem Thema stellen, sind einfach zu beantworten: Alle Banken mit einer Geschäftsstelle in der Schweiz sind zwingendermassen Mitglied von esisuisse, der schweizerischen Einlagensicherung. Sollte eine Bank Konkurs gehen, sichert esisuisse allen ihren schweizerischen oder ausländischen Kunden die rasche Auszahlung ihrer gesicherten Guthaben zu, was jedoch die Wertschriften nicht umfasst.
  5. Der Kritik am Familienbesitz gilt es auch zu widersprechen: diese Banken wenden die Finma-Regeln so strikt wie alle anderen Banken an. Die Behauptung des Gegenteils eines einzigen Experten ist sowohl grundlos wie auch beleidigend. Der Familienbesitz führt dazu, dass diese Banken sehr vorsichtig und langfristig orientiert agieren, da es auch um das eigene Vermögen geht. Des Weiteren wird der Begriff «Privatbankiers» am Anfang und Ende des Artikels benutzt, womit wahrscheinlich kleine Privatbanken gemeint sind. Die Bezeichnung «Privatbankier» ist als Marke hinterlegt und entspricht einer genauen Definition, die auf der Präsenz von einem oder mehreren unbeschränkt für die Bank haftenden Teilhabern beruht; davon gibt es heute noch fünf Institute in der Schweiz.

Es ist eine Tatsache, dass die Banken in der Schweiz unter dem fehlenden Marktzugang, insbesondere in den EU-Markt, leiden. Dies ist für den Finanzplatz Schweiz eine der grössten Herausforderungen. Das hat nichts mit Lücken in der schweizerischen Regulierung oder der Aufsicht zu tun.

Der Grund liegt vielmehr im vermehrt protektionistischen Verhalten der EU. Diese Problematik zeigt auf, dass es auf politischer Ebene nur eine Lösung gibt: geregelte Beziehungen zur EU, wovon der Finanzplatz und die Wirtschaft insgesamt nur profitieren könnten.

Die Antwort des Autors

Andrew Isbester hat die Replik zur Kenntnis genommen, steht aber voll und ganz hinter dem Inhalt seines Artikels und möchte auf folgende Punkte hinweisen:

  • Das Gesetz wurde nicht erwähnt, da es sich um einen übergeordneten, allgemeinen Text handelt. Wie im Artikel erwähnt, enthält das Gesetz keine direkten Verweise auf faires Verhalten, verantwortungsvolle Produktangebote und schutzbedürftige Kunden. Die Finma wurde beim Verfassen des Artikels direkt angefragt, und aus ihrer daraufhin erhaltenen Antwort geht hervor, dass es in ihren Richtlinien, Weisungen und Rundschreiben keine direkten Verweise auf die oben genannten Begriffe gibt. Hinzu kommt, dass das Gesetz in der Schweiz erst 2020 in Kraft getreten ist, also weit über ein Jahrzehnt später als in vielen anderen Ländern.
  • Der Autor möchte anmerken, dass in Hongkong das erste Rundschreiben zur Eignung 2009 herausgegeben wurde, in Singapur und den USA 2011, im Vereinigten Königreich wurde 2016 ein Eignungsrahmen eingeführt und, was am wichtigsten ist, in der EU bereits 2012. Darüber hinaus hat die Monetary Authority of Singapore (MAS) in den Jahren 2018 und 2019 thematische Prüfungen der Eignung bei Privatbanken durchgeführt. In Hongkong fanden diese bereits Mitte des letzten Jahrzehnts statt, lange vor der Schweizer Gesetzgebung. Die Tatsache, dass eine solche Überprüfung in der Schweiz noch nicht stattgefunden hat, ist ein Beweis dafür, dass die Jurisdiktion eine Generation im Rückstand ist, wie im Artikel behauptet wird.
  • Der Autor möchte diese Argumentation erneut widerlegen. Die EU ist nicht per se protektionistisch. Ihr Ansatz scheint viel deutlicher zu sein. Wie in dem Artikel angedeutet, plant die EU die Einführung neuer Rechtsvorschriften, die direkt auf das Privatkundengeschäft abzielen, indem sie es als einen höheren Risikofaktor einstufen. Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen des Autors in den Bereichen Compliance, Risiko und Finanzkriminalität würde dies es den Instituten möglicherweise äusserst schwer machen, ohne Präsenz oder Lizenz tätig zu sein. Angesichts dessen wäre es sinnvoller, eine solche Lizenz zu beantragen und eine solche Präsenz aufrechtzuerhalten. Die Situation im Vereinigten Königreich ist völlig anders und hängt hauptsächlich mit dem Austritt des Landes aus der EU zusammen.
  • Wie im Artikel erwähnt, halten sich Schweizer Banken im Ausland an höhere Standards als in der Schweiz selbst. Ob sie dies auch im Inland tun, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt ungeprüft, da das Gesetz erst 2020 in Kraft tritt.
  • Der Verband hat diesen Punkt falsch interpretiert. In dem Artikel geht es um kleine Privatbanken, die sich Zugang zu Nachbarländern verschaffen wollen, in denen sie nicht präsent sind. Für diese gibt es kaum einen Anreiz, das Risiko oder die Unsicherheit eines solchen Verfahrens mit edusuisse einzugehen. Auch wurde es nach Kenntnis des Autors und in Gesprächen mit verschiedenen Compliance-Experten offenbar noch nicht in der Praxis erprobt.
  • Der Autor hat Verständnis für die Kritik am Familienbesitz, vertritt aber die Auffassung, dass der umsichtige und langfristige Ansatz wahrscheinlich im besten Interesse der Institution und nicht unbedingt des Kunden liegt, was die Eignung neben anderen Kundenschutzmaßnahmen zu mildern versucht. Bei der Stellungnahme eines einzelnen Experten handelte es sich um eine kuratierte Ansicht, und die Quelle hatte die Möglichkeit, sie zu überprüfen.

Der Herausgeber hat volles Verständnis für die Schlussfolgerung des Verbandes hinsichtlich der Herausforderungen, denen sich das Land gegenübersieht, und der aktuellen Situation mit der EU.

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