In der Finanzindustrie werden Unsummen für strategische Projekte ausgegeben, die nicht das gewünschte Resultat bringen. Behavioral Science bietet Werkzeuge, die in der Beratungsbranche nun immer stärker zum Einsatz kommen.

Zwei Musterbeispiele, die nicht für eine bestimmte Bank sprechen, aber im Banking der Post-Finanzkrise von hoher Bedeutung sind: Nachdem ein Institut in mehrere Skandale verwickelt war, die Bussen in Milliardenhöhe verursacht haben, ordnen Verwaltungsrat und Management einen Kulturwandel an.

Mit Hilfe eines externen Beratungsteams werden Visionen und Leitsätze bestimmt, Powerpoint-Präsentationen quer durch die ganze Bankengruppe abgehalten, Massnahmen erarbeitet und Ziele definiert, die bis zu einem bestimmten Datum erreicht werden müssen. Nur: Am Ende des Prozesses zeigt sich, dass die Motivation der Angestellten, für die Bank tätig zu sein, irgendwo im Zuge des vermeintlichen Kulturwandels auf der Strecke geblieben ist.

Der Mensch entscheidet nicht rational

Zweites Beispiel: Ein Finanzinstitut schlägt eine digitale Strategie ein und investiert in E- und Mobile Banking, bietet mit Robo-Advisor und Online-Hypothekenangebot eine wunderbare Customer Experience und Journey an. Doch die Kunden beissen nicht an.

Aus Sicht der in den letzten Jahren stark aufgekommenen wissenschaftlichen Disziplin Behavioral Science ist der Grund für diese vermeintlich unvorhersehbaren Ergebnisse relativ einfach: In der Ausarbeitung ihrer Strategien haben Bankenmanager und ihre Berater vernachlässigt, dass die Entscheidungen und Handlungen ihrer Angestellten – ebenso wie ihrer Kunden – immer auch von einem bestimmten Kontext beeinflusst sind.

Riesiges Potenzial für Verbesserungen

Oder in den Worten des Experten: «Es ist ein klassischer Fehler, dass Banken bei strategischen Projekten nicht berücksichtigen, dass der Mensch kein rationaler Entscheider ist.» Die Worte stammen von Torben Emmerling (Bild unten), der mit Affective Advisory ein junges Beratungsunternehmen führt, welches den Ansatz von Behavioral Science nutzt.

«Eine Strategieänderung oder ein Kulturwandel in einem Unternehmen erfordert immer eine Verhaltensänderung einer bestimmten Zielgruppe», sagt Emmerling im Gespräch mit finews.ch. Doch würden solche Prozesse in der Regel durch quantitative Messgrössen – sogenannte Key Performance Indicators – definiert und begleitet.

Torben Emmerling

«Die Verhaltenswissenschaften bieten hier riesiges Potential für entscheidende Verbesserungen», so Emmerling, der auf dem Schweizer Finanzplatz bereits einige Kunden bei entsprechenden Projekten begleitet hat.

Verhaltensökonom erhielt Nobelpreis

Während Behavioral Finance – die Wissenschaft, wonach Anleger nicht rational entscheiden – in der Vermögensverwaltung teils etabliert ist, handelt es sich bei Behavioral Science in der Strategie- und Kommunikationsberatung um eine relativ junge Disziplin. Zum Durchbruch verhalf sicherlich auch die Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an den Verhaltensökonomen Richard Thaler im Jahr 2017.

Emmerling stiess schon früher auf das Thema, als er selber als im Strategiebereich tätiger Banker bei Rothschild realisierte, dass die besten Vorhaben und Pläne nichts bringen, wenn sie das Verhalten der Menschen, welche sie umsetzen sollten, nicht berücksichtigen. «Um zielführende Lösungen zu entwickeln, gilt es den Kontext genau zu analysieren, zu interpretieren und zu konstruieren», beschreibt Emmerling seine Tätigkeit.

Strategie live im Test

Vielfach reicht ein sogenannter «Nudge», um das Verhalten von Mitarbeitern und Angestellten zu beeinflussen – ein kleiner Schubs in Form einer Veränderung des Kontextes.

Von der Tech-Branche schauen sich die Banken gerne ab, wie sie mit Daten umgehen oder kundenfreundliche Auftritte gestalten. Was die Geldhäuser offenbar nicht wissen oder ignorieren, ist, dass Technologieunternehmen ihre Strategien jeweils live testen. Facebook lässt beispielsweise mehrere Versionen der Website gleichzeitig laufen, um Nutzerverhalten zu messen und zu vergleichen.

Emmerling bietet seinen Kunden in der Finanzbranche – aber auch in anderen Industrien – sogenannte evidenzbasierte Lösungen an. Das heisst, die Umsetzung der Lösung zeigt sofort ein Ergebnis, das wiederum durch eine Veränderung des entsprechenden Kontextes zu einer Verbesserung der Lösung dienen kann.

Ein vollkommen anderer Ansatz

Damit unterscheidet sich Emmerling mit Affective Advisory vom herkömmlichen Ansatz der klassischen Beratungsmetiers, wo Probleme und Handlungsoptionen auf dem Papier skizziert und entsprechend umgesetzt werden.

Vielfach mit bescheidenem Erfolg, da weder das irrationale Verhalten der Angestellten und Kunden mit einberechnet wird noch der Kontext, in welchem dies geschieht. Ganz unbescheiden sagt Emmerling denn auch: «Wir haben das Ziel, die klassische Strategieberatung zu revolutionieren.»

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