Ursprünglich bezog sich nachhaltiges Investieren vor allem auf Aktien von Firmen, die nicht im Alkohol-, Glücksspiel-, Waffen- oder Tabakgeschäft tätig waren. Das hat sich grundlegend geändert, wie Marc Briand von Mirova im Gespräch nit finews.ch erklärt. 

Mittlerweile sind weltweit umgerechnet mehr als 500 Milliarden Franken in sogenannte Green Bonds investiert. Das ist verglichen mit anderen Anlageklassen nach wie vor ein sehr kleiner Anteil.

Doch die Wachstumsperspektiven sind enorm – dies aus verschiedenen Gründen, wie Marc Briand, Obligationenexperte bei Mirova im Gespräch mit finews.ch erklärt. Das französische Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft des Asset Managers Natixis Investment Managers und zählt zu den grössten Anbietern von Green Bonds.

Herr Briand, zunächst einmal, wie definieren Sie Green Bonds überhaupt?

Ursprünglich bezog sich sozialverantwortliches Investieren auf Aktien von Firmen, die nicht im Alkohol-, Glücksspiel-, Waffen- oder Tabakgeschäft tätig waren, oder die der Umwelt halfen.

«Das ist für institutionelle Investoren wichtig»

Seit rund vier Jahren etwa umfasst dieser Investmentansatz auch Obligationen, die von Unternehmen oder von staatlichen Behörden für Umwelt- oder Klimaförderungsprojekte ausgegeben werden. Sogenannte grüne Anleihen unterstützen Initiativen für sauberes Wasser, erneuerbare Energie oder auch Energieeffizienz.

Umweltanliegen sind in der breiten Bevölkerung derzeit tatsächlich hoch im Kurs, wie die vielen Demonstrationen und anderen Massenveranstaltungen zeigen. Warum aber begeistern sich Finanzinvestoren, die es in erster Linie auf eine Rendite abgesehen haben, für dieses Thema?

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Green Bonds bieten eine hohe Transparenz beim Einsatz der bereitgestellten finanziellen Mittel. Sie orientieren sich an standardisierten Nachhaltigkeitsprinzipien, sie binden den Emissionserlös an Umwelt- und Sozialprojekte, und die Emittenten lassen die Zweckbindung der finanziellen Mittel typischerweise von einer unabhängigen Seite überprüfen. Das ist für institutionelle Investoren wichtig, die aufgrund des Anspruchs grüner Anleihen sehr genau wissen wollen, was mit dem Geld geschieht.

Ausserdem ist diese Anlageklasse gerade in Zeiten negativer Zinsen unverzichtbar in der Portfoliokonstruktion.

Warum?

Weil zahlreiche Studien bewiesen haben, dass Green Bonds renditemässig anderen Obligationen mittlerweile in nichts mehr nachstehen respektive sie zum Teil sogar übertreffen. Solche Märkte bieten nun Arbitrage-Möglichkeiten. Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt erwähnen.

«Angesichts der absehbaren gesetzlichen Veränderungen werden viele Firmen ihre Finanzierungspolitik anpassen»

Zwar sind grüne Anleihen heute noch ein kleiner Markt. Aber angesichts der absehbaren gesetzlichen Veränderungen in vielen Ländern, insbesondere in Europa, werden viele Unternehmen ihre Finanzierungspolitik entsprechend anpassen, so dass Green Bonds weiterhin Rückenwind erhalten.

Was war der Auslöser, der in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt hat, dass Green Bonds in der Finanzwelt auf den Radar kamen?

Der Markt für grüne Anleihen ist meines Erachtens 2012 mit der ersten grossen Emission der European Investment Bank über 500 Millionen Euro so richtig in Fahrt gekommen. Dann folgten Projekte im Bereich erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind sowie in Bezug auf Energieeffizienz in Gebäuden etwa.

Bei der Emission nachhaltiger Anlagen scheint international gesehen Europa die Nase vorn zu haben. Warum ist das so?

Das ist so. Das öffentliche Bewusstsein für nachhaltige Anliegen im weitesten Sinn ist in zahlreichen, vor allem westeuropäischen Staaten sehr weit fortgeschritten. Der Hauptzweck grüner, sozialer und nachhaltiger Anleihen ist es, zusätzliche finanzielle Mittel dafür zu generieren. Mit anderen Worten, man will dazu beitragen, den Wandel der Weltwirtschaft in Richtung der Nachhaltigkeits- und Klimaziele zu bewegen und beispielsweise eine schädliche Klimaerwärmung reduzieren.

«Selbst die Automobilbranche geht heute mit gutem Beispiel voran»

Dafür gibt es auch klare Ziele: Um das Pariser Klima-Szenario einer Erderwärmung um maximal 2-Grad Celsius zu erreichen, sind gemäss OECD Investitionen in Infrastruktur von fast sieben Billionen Dollar pro Jahr bis 2035 nötig.

Vor diesem Hintergrund herrscht die Überzeugung, dass insbesondere Green Bonds dazu dienen können, privates Kapital für den Umwelt- und Klimaschutz zu mobilisieren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich das Angebot an Emittenten bereits spürbar gewandelt hat.

Inwiefern?

Seit rund zwei Jahren kommen immer mehr grüne Anleihen von Emittenten aus den Bereichen Industrie, Kommunikation, Technologie und Assekuranz auf den Markt.

Mit anderen Worten: Heute wollen auch Unternehmen, die nicht unbedingt als grosse Verfechter ökologischer Ziele auffallen, den globalen Trend für grüne Initiativen respektive für entsprechende Bonds nutzen. Selbst die Automobilbranche geht mit gutem Beispiel voran und will die weitere Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen mit Green Bonds finanzieren.

Mit dieser Antwort drängt sich zwangsläufig die Frage auf: Wer wird denn alle diese grünen Anleihen kaufen?

An vorderster Front wird es vermutlich die Europäische Zentralbank (EZB) stehen, die aufgrund der Coronakrise unlängst ihr geldpolitisches Lockerungsprogramm (Quantitative Easing) wieder aufgenommen hat. Pro Monat will sie Obligationen für 20 Milliarden Euro kaufen.

«Staatsanleihen machen derzeit rund ein Viertel des Marktes für grüne Euro-Anleihen aus»

Und weil in diesem Kontext nur auf Euro lautende Anleihen zugelassen sind, werden auch Green Bonds davon profitieren. Neue Fonds- und andere Investmentvehikel werden zusätzlich dazu beitragen, dass diese Anlageklasse auch unter Privatinvestoren eine weiterwachsende Nachfrage erfahren wird.

Wie geht es weiter nach Corona?

In der Vergangenheit haben vor allem staatliche Emittenten sowie Finanzinstitute und Energieunternehmen die meisten grünen Anleihen aufgelegt. Staatsanleihen machen derzeit rund ein Viertel des Marktes für grüne Euro-Anleihen aus. Frankreich und Irland haben 2019 erstmals Green Bonds emittiert.

«Deutschland hat eine Emission in Höhe von zehn Milliarden Euro angekündigt»

In weiteren Jahresverlauf werden nun weitere Länder folgen. So hat Deutschland eine Emission in Höhe von zehn Milliarden Euro angekündigt. Italien und Schweden sind ebenfalls in der Planungsphase.

Zusätzlich könnten sich auch mehr Unternehmen mit dem Gedanken tragen, Green Bonds auszugeben, darunter Firmen der Automobilindustrie. Wir sind auf dem besten Weg, den Markt für grüne Anleihen nachhaltig zu vergrössern.


Marc Briand ist Leiter der Abteilung Fixed Income bei Mirova, einer Tochtergesellschaft von Natixis Investment Managers. Er begann seine Karriere 1988 innerhalb der CDC-Gruppe als Verkaufsleiter. Im Jahr 1990 kam er als Portfoliomanager für festverzinsliche Wertpapiere zu Natixis Asset Management. Von 1996 bis 1998 war er für die Verbriefung bei der Caisse Centrale des Caisses d'Epargne zuständig. Im Jahr 2000 wurde er ein leitender Euro-Anleihen-Portfoliomanager und wurde zum Leiter des Multi-Strategies-Teams befördert. Er ist seit 2013 bei Mirova tätig. Er verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Investmentbranche. Er ist seit 2008 an ESG-Strategien und seit 2012 an Investitionen in grüne Anleihen beteiligt. Er absolvierte das Institut Supérieur de Gestion (ISG) in Paris.