Hotelsterne, Zimmerkategorien und Buchungsklassen verlieren ihren Status als Gütesiegel für extravagante Ferien. Der Top-Feriengenuss von heute wird eher mit Erlebnissen, Gefühlen und kurzweiliger Abwechslung verknüpft.

Von Robert Wildi, freier Autor

Was ist schon Luxus. Jeder definiert für sich selbst, was er damit verbindet. Im alltäglichen Leben genauso wie beim Konsumverhalten. Objektiv lässt sich die Frage daher nicht beantworten. Feststellbar ist aber gleichwohl, dass sich die Bedeutung des Luxusbegriffs über die letzten Jahre und Jahrzehnte verändert hat. In der Tendenz weg von einer materiellen hin zu einer eher immateriellen Interpretation.

Am Puls dieses Wandels befindet sich die Reisebranche. Ferien sind seit jeher ein Synonym für den Luxus einer arbeitenden Gesellschaft, die sich ein paar Wochen im Jahr nicht der Geldbeschaffung widmet, sondern dem Ausgeben des beschafften Geldes.

Luxusbedürfnis ist das nach Exklusivität

Reisen wir heute anders vor zehn oder 20 Jahren? Michael Bötschi, Product Manager beim Fernreisespezialisten Knecht Reisen, stellt schon eine Veränderung fest. «Noch vor zehn Jahren stellten unsere Kunden Luxus überwiegend mit einer schönen Yacht-Kreuzfahrt oder einem sehr exklusiven Hotel gleich.» Das sei heute anders. Es werde viel öfter nach dem «Luxus» gefragt, an sehr exklusive Orte zu reisen oder in den Ferien Erlebnisse sammeln zu können, die der Masse mehrheitlich verwehrt blieben.

Auch was die Auswahl der Feriendestination betrifft, haben sich die Gewichte in Sachen Wahrnehmung von Exklusivität markant verschoben. «Noch vor nicht allzu langer Zeit galt jede Reise nach Nordamerika bereits als Luxus», so Bötschi. Heute hingegen, wo sich fast jeder Schweizer einen Flug nach Übersee problemlos leisten könne, müsse man sich schon an die abgelegenen «Spots» begeben, um noch von Luxus statt Masse reden zu können.

Sei dies in Form eines exklusiven und oft auch teuren Packages mit hochwertigen Leistungen oder aber mit aussergewöhnlichen Reiseideen. «Das kann etwa die Durchquerung eines US-Bundestaats auf dem Velo oder eine mehrtägige Trekkingtour durch die entlegensten Winkel Kanadas sein.»

Von der Alphütte in die Top-Suite

Ein neues Bild von einem «Luxusgast» hat sich über die vergangenen Jahre auch in der heimischen Hotellerie etabliert. Das beobachtet zum Beispiel Jan Stiller, Direktor des beliebten Fünfsternhotels Lenkerhof im Berner Oberland, immer mehr. «Viele unserer Gäste haben schon die ganze Welt gesehen, führen auch an ihrem Wohnort ein Leben voller Annehmlichkeiten und suchen bei uns daher oft etwas Abwechslung.»

Dies zeige sich darin, dass sich der typische Lenkerhof-Besucher gerne mehrere Optionen offen halte. «Der Luxusgast will zum Beispiel die erste Nacht in einem Berghaus verbringen und dort Fondue essen, dann für die zweite Nacht in eine unserer Topsuiten wechseln und sich ein Festmenü gönnen», macht Stiller ein Beispiel.

Süsses Nichtstun ist out

Massiv zugenommen habe auch der Bewegungsdrang der Gäste. Sich eine Woche lang den Bauch voll schlagen, viel Wein trinken und drei Kilogramm schwerer nach Hause fahren, ist out. Der Luxus des «Süssen Nichtstuns» wird heute eher als Strafaufgabe empfunden. Stattdessen treiben die Gäste Sport, oft mehr als eine Disziplin pro Tag.

«Am Morgen früh bei perfekten Bedingungen auf die Skipiste und dann nachmittags auf die Langlaufloipe, um den Puls hochzutreiben, ist eine sehr beliebte Variante», so Stiller. Der Wunsch, von einem möglichst breiten und vielseitigen Angebot mit hohem Erlebniswert zu profitieren, beschreibe den am intensivsten nachgefragten Luxus des modernen Gasts.

Persönlicher Reiseberater

Diese gesteigerte Individualität in den Ferien nach Lust und Laune ausleben zu können, drückt sich zunehmend bereits im Buchungsprozess aus. Einerseits beim Reservationszeitpunkt, der heute viel spontaner und tendenziell kürzer vor der Abreise gewählt wird. Anderseits auch beim Buchungskanal. Hier zeigt sich als Gegenpol zum immer bedeutenderen Onlinekanal das Phänomen, dass sich viele Kunden ihre persönlichen Reiseberater schnappen und von diesen alle Sonderwünsche erfüllen lassen.

«Je nach Situation werden die Berater von den Reisenden sogar während der Ferien kontaktiert und um konkrete Hilfeleistungen gebeten», sagt Annette Kreczy, Verkaufschefin beim Reiseveranstalter DER Touristik Suisse.

Auch dieses Beispiel zeigt: Der Reiseluxus von heute ist tendenziell weniger sichtbar, dafür mehr spürbar. In Form von Erlebnis, Wohlgefühl, Abwechslung und auch Sicherheit.