Kaum ein Schweizer Private Banker, der nicht das Heil in Asien sucht. Lateinamerika ist aber nicht minder lukrativ, sagt Bernardo Brunschwiler von FS Associates.

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Herr Brunschwiler, wie beurteilen Sie heute die Private-Banking-Aktivitäten, der in der Schweiz angesiedelten Banken und Vermögensverwalter in Lateinamerika?

Lateinamerika ist traditionell ein sehr bedeutender Markt für das Schweizer Private Banking. Schätzungsweise  300 Milliarden Franken dürften in der Schweiz betreut werden.

Aufgrund des dramatisch veränderten Umfeldes im Internationalen Private Banking wird Lateinamerika von vielen in der Schweiz tätigen Banken und Vermögensverwaltern als speziell interessanter Wachstumsmarkt angesehen.  Der World Wealth Report von Merrill Lynch und Capgemini schätzt die Zahl lateinamerikanischer Millionäre auf über 400‘000. Und bekanntlich wachsen viele lateinamerikanische Länder überdurchschnittlich, mit weiterhin sehr interessanten Perspektiven.

«Anforderungen werden unterschätzt»

Schätzen die Banken und Vermögensverwalter Lateinamerika richtig ein?

Nein, aufgrund meiner langjährigen Erfahrung  im Geschäft mit Lateinamerika stelle ich fest, dass sich das regulatorische Umfeld in Lateinamerika und der Schweiz in den letzten Jahren massiv verändert hat. Diese komplexen Regeln und Sorgfaltspflichten, und die damit verbundenen Herausforderungen an das existierende und an das neue Geschäft, werden von vielen klar unterschätzt.

«Grauzonen werden verschwinden»

Konkret, wie sehen Sie das regulatorische Umfeld?

In Lateinamerika waren Themen wie Know-Your-Customer, Due Diligence und Herkunft der Gelder schon immer eine komplexe Materie. Marktnähe und langjährige, gründliche Marktkenntnisse sind klare Bedingungen, um diese Anforderungen zu erfüllen. Nicht zuletzt auch aufgrund von Reputationsrisiken.

Die Anforderungen an Marktnähe werden also immer komplexer?

Ja, definitiv. Denn gerade diese Anforderungen werden immer höher. Die Finma verlangt heute konsequenterweise, dass die lokalen Regeln und Gesetze der Länder, in denen man tätig ist, respektiert und eingehalten werden. Dies bedeutet, dass das traditionell aus der Schweiz betriebene Offshore-Geschäft dort an eindeutige Grenzen stösst, wo lokale Lizenzen zur Akquisition oder Beratung von Kunden notwendig sind. Solche Lizenzen sind effektiv in den meisten lateinamerikanischen Ländern erforderlich. Heute noch ausgenützte Grauzonen werden verschwinden.

«Vermutlich gegen 80 Prozent nicht korrekt versteuert»

Sie denken auch an die Weissgeldstrategie der Schweiz?

Aus historischen, politisch/wirtschaftlichen, sowie Vertraulichkeits- und Sicherheitsgründen sind vermutlich gegen 80 Prozent der in der Schweiz verwalteten lateinamerikanischen Vermögen nicht korrekt versteuert.

Diese Tatsache dürfte über kurz oder lang für Schweizer Finanzakteure zum Problem werden. Und dies nicht nur wegen der Weissgeldstrategie der Schweizer Behörden und der immer strikteren OECD-Regeln.

Übrigens, diese Steuerproblematik besteht ebenso für lateinamerikanische Vermögen, die zum Beispiel in Miami, New York, London, Hamburg oder Monaco deponiert sind. Es ist also nicht ausschliesslich ein Thema des Schweizer Finanzplatzes.

Wie sieht es denn diesbezüglich in den lateinamerikanischen Ländern aus?

Viele Länder haben bereits konkrete Massnahmen gegen Schwarzgelder getroffen. Chile und Brasilien sind gute Beispiele. Der Trend ist klar steigend.

Zudem sind auch die lateinamerikanischen Behörden  in der Ära von Internet, Google und sozialen Netzwerken, oder durch die Überwachung von Zahlungsströmen, Devisen- und Immobiliengeschäften oder Kreditkartenzahlungen, in der Lage, Steuersünder relativ einfach zu identifizieren. Argentinien – ein traditionell sehr wichtiger Offshore-Markt für Schweizer Banken – ist diesbezüglich ein gutes Beispiel. Die Regierung setzt alle Hebel in Bewegung, um die internationalen Devisen- und Finanzgeschäfte ihrer Landsleute zu überwachen oder Steuersündern auf die Schliche zu kommen.

«Ende des traditionellen Offshore-Geschäftes»

Und wie reagieren die Kunden?

Viele sind natürlich beunruhigt  und stark verunsichert. Letztlich kommen aber auch die lateinamerikanischen Kunden selber immer mehr zur Einsicht, dass Schwarzgelder in ihren eigenen, zum Teil stark wachsenden Volkswirtschaften nicht einsetzbar sind! Dadurch verpassen sie immer mehr interessante lokale Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten!  Dies wird – gepaart mit den Anstrengungen der Regierungen – zu einem klar wachsenden Potential an korrekt versteuerten Geldern führen. Diese Entwicklung ist in vollem Gang.

Man kann also ein Ende des traditionellen Offshore-Geschäftes mit lateinamerikanischen Kunden  voraussagen?

Nicht sofort, aber aufgrund der regulatorischen und steuerlichen Gegebenheiten und Entwicklungen ist es nicht schwierig, für die nächsten Jahre das Ende des traditionellen Offshore Private Bankings mit Lateinamerika vorherzusagen.

Auch die Kunden werden auf diese Situation reagieren. Wenn der Berater nicht mehr regelmässig zu Besuch kommt und die Beratungsqualität und -frequenz stark abnimmt, dann sinkt die Bereitschaft, das Geld in der Schweiz anzulegen.

Und logischerweise stellt sich die Frage, ab wann die Schweiz lateinamerikanischen Ländern im Rahmen der Weissgeldstrategie vereinfachten Informationsaustausch gewährt oder Abgeltungssteuern oder ähnliches aushandelt. An Druck seitens der lateinamerikanischen Länder wird es über kurz oder lang nicht fehlen!

«Der Trend muss Richtung Onshore gehen»

Was ist zu tun?

Wie gesagt, es ist eindeutig, dass Lateinamerika einen sehr interessanten Vermögensverwaltungsmarkt darstellt. Der Trend muss in Richtung Onshore-Strategie gehen. Die zwei Schweizer Grossbanken sind bereits heute mit lokalen Banklizenzen in Brasilien und Mexiko aktiv und dürften rasch wachsen.

Auch sogenannte lokale Advisory-Office- oder Investment-Advisor-Lizenzen sind in einigen Ländern bereits heute möglich. Diese lokalen Plattformen und Lizenzen vereinfachen dann auch das Geschäft mit der Schweiz – wo durchaus die entsprechenden Gelder deponiert werden können – während der Beratungsprozess in Lateinamerika vor Ort stattfinden kann.

Ist dies in allen Ländern Lateinamerikas möglich?

Grundsätzlich ja, wobei es allerdings sehr wichtig ist zu verstehen, dass es nicht einfach «eine Lateinamerika-Strategie» geben kann. Die Länder sind regulatorisch, wirtschaftlich und politisch zum Teil sehr unterschiedlich. Mexiko ist nicht gleich Brasilien, Kolumbien nicht gleich Venezuela, etcetera. Demzufolge kann eine Konzentration auf einige wenige Länder – gerade für kleinere Institutionen und Vermögensverwalter – sehr sinnvoll sein.

«Zeit, Geld und Geduld»

Es braucht also neue Geschäftsstrategien?

Genau, die Zukunft gehört eindeutig Banken und Vermögensverwaltern, die eine neue Geschäftsstrategie aufbauen können! Dies bedingt viel Zeit, Geld und Geduld! Denn es gilt vollkommen neue Kundensegmente aufzubauen! Kunden, die meistens voll aktiv im Berufsleben stehen.

Der typische zukünftige Kunde wird also eher ein Unternehmer oder ein erfolgreicher Geschäftsmann, Anwalt, Manager oder Arzt sein, der ganz andere Ansprüche stellt, verschiedenste Dienstleistungen benötigt – Wealth Planning und Wealth Solutions beispielsweise – und vor allem eine exzellente Performance erwartet.

Ein zusätzlicher Gedanke: Eine amerikanische SEC-Lizenz (oder eine enge Zusammenarbeit mit einer SEC-lizenzierten Firma) könnte für manchen Finanzintermediär im Geschäft mit Lateinamerikanern von Vorteil sein. Wohlhabende lateinamerikanische Familien sind stark USA-orientiert, sei es wegen Ausbildung, Arbeit, geschäftlichen Beziehungen, Direktinvestionen oder Immobilienbesitz.

Ohne eine solche SEC-Lizenz können diese Familien nicht vollumfassend betreut werden, ganz zu schweigen von den regulatorischen Implikationen bei der Betreuung von «US-Persons».

«Image der Schweiz ist immer noch hervorragend»

Hat die Schweiz in einem Weissgeld-Umfeld überhaupt noch eine Chance im Private Banking mit lateinamerikanischen Kunden?

Absolut, lateinamerikanische Kunden leben auch heute noch in Hochrisiko-Ländern, sei es betreffend ihrer persönlichen Sicherheit oder wegen immer noch volatiler politischer, wirtschaftlicher und sozialer Umstände.

Global denkende und unternehmerisch aktive Lateinamerikaner sind deshalb an stabilen, vertrauenswürdigen Beziehungen interessiert und suchen professionelle Betreuung und Beratung für Ihr Vermögen und ihre Finanzgeschäfte. Das Geschäftspotenzial ist also ohne Zweifel für den Standort  Schweiz weiterhin klar vorhanden. Das Image der Schweiz ist in Lateinamerika immer noch hervorragend!


Bernardo P. Brunschwiler ist Executive Consultant von FS Associates, Inc.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.83%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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