Finanzdienstleistungs-Experte  Nils Hafner über ein paar Lektionen, welche die Bankenbranche von Aldi, Migros und Co. lernen könnte.


Nils_Hafner
Nils Hafner ist Dozent und Studienleiter am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ und Geschäftsführer des Customer Competencies Instituts in Zürich und Kreuzlingen 


Soeben veröffentlichten Ernst & Young und die Universität St. Gallen ihre Studie «Retail Banking 2020», und angesichts der Antworten, welche die CEO und Retailbanking-Leiter dort abgaben, kann einem Angst und Bange werden.

Zwar sind sich die Befragten mehrheitlich sicher, dass das Retailbanking auch 2020 noch strategisch interessant und profitabel sein wird. Dies aber vor allem, weil sie an zwei weitere Thesen glauben, nämlich

  • erstens, dass keine fremden Konkurrenten die Bühne der Schweiz betreten; und
  • zweitens, dass der Preis nicht das alleinbeherrschende Entscheidungskriterium der schweizerischen Retail-Banking-Kunden wird.

Da kann man nach all dem, was wir jüngst an Studien, Zahlen und Neugründungen gesehen haben, nur fragen: Liebe Banken, wie kommt Ihr da drauf?!

Der Aldi-Effekt

Allein in den letzten Monaten entstanden in der Schweiz verschiedene Hypothekarvermittler, Crowdfunding-Unternehmen und Peer-to-Peer-Lending-Anbieter. Und die IFZ Retail Banking-Studie 2012 hat es gezeigt: Die Margen sinken dramatisch. So setzt die Raiffeisenbank – wie CEO Pierin Vicenz jüngst an der IFZ-Retail-Banking-Konferenz darlegte – weiterhin voll auf Wachstum und nimmt den Margenverlust hin.

Auf genau diesem Weg ist die Firma Aldi seit langer Zeit in einer anderen Branche sehr erfolgreich: im Lebensmittel-Detailhandel. Diese Branche lässt sich hervorragend als Beispiel heranziehen. Durch den Druck, den der Eintritt von Aldi in den schweizerischen Markt erzeugt hat, haben Migros und Coop ihre Preise auf Kosten der Marge deutlich angepasst.

Gesucht: Die richtigen Kundengruppen

Ein Ende dieses Effekts ist nicht abzusehen. Aber auch im Lebensmittel-Retail gibt es Möglichkeiten, dem Preisdruck zumindest teilweise zu widerstehen. Es geht um die Analyse von Kundenbedürfnissen und eine entsprechende Segmentierung, anhand derer man Marketing und Kundenmanagement anpassen kann.

Diese These wird in der Studie «Retail Banking 2020» von den befragten Banken respektive ihren Spitzenvertretern sogar geteilt: Eine klare Mehrheit findet, dass die Segmentierung der Kunden nach den heutigen Kriterien ausgedient habe.

Also müssen neue Kriterien gefunden werden. Denn die Produkte im Retail Banking sind austauschbar. Zumindest da sind sich mittlerweile alle Banken einig. Und folglich können sich Segmentierungskriterien ja nur noch aus dem Verhalten der Kunden ergeben.

Doch Voraussetzungen wären hier:

  • 1. Man muss solche Kriterien erfassen. An der damit verbunden Systematik scheitern in der Schweiz zur Zeit alle Retailbanken.
  • 2. Man braucht eine Infrastruktur, um solche Kriterien tagesaktuell auswerten zu können. Wenn die Postfinance neu sämtliche Auswertungen an der Kundenschnittstelle mit der weltweit führenden Statistiksoftware SAS analysiert und systematisch Verkaufsmöglichkeiten ableitet, sollten sich auch für viele Manager im Retail-Banking neue Handlungsfelder ergeben.
  • 3. Man braucht Mitarbeiter, die mit neuester Technologie in Echtzeit Kunden ansprechen. Wenn nahezu alle Versicherungen des Landes zur Zeit an iPad-gestützten Beratungsprozessen arbeiten, um darüber Lebensversicherungen und Hypothekarkredite zu verkaufen, ergeben sich sicher neue Einschätzungen für die Retail Banken.
  • 4. Man muss sich fragen, wie das Kundenerlebnis der Banken heute gestaltet, gemessen und systematisch gesteuert wird. Denn ansonsten sind wir demnächst beim Lebensmittelretail angelangt.

Um Ihnen die Auswirkungen zu verdeutlichen: hier ein Foto aus einer Migros-Filiale. Sehen Sie einen Berater? Und wenn ja, was macht er?

Migros_Filiale

Dieser Text erschien zuerst im IFZ Retail Banking Blog. Neuer Beitrag im IFZ Retail Banking Blog: «Das Sparschwein 2.0 der Migros Bank – eine innovative Idee im Retail Banking», von Andreas Dietrich.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.36%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.76%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.82%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.44%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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