Kündigungen wegen Reorganisationen haben selten mit der Leistung zu tun. Darum sollte man proaktiv handeln, rät Lea M. Sauer vom Executive-Search-Unternehmen ORBIS.

Frau Sauer, die «heile» Bankenwelt gibt es definitiv nicht mehr. Restrukturierungen, Zusammenschlüsse, Stellenabbau und Entlassungen sind die Realität. Was bedeuten diese Umwälzungen für ein Executive-Search-Unternehmen wie das Ihre?

Die «heile» Schweizer Bankenwelt gibt es bereits seit «9/11» nicht mehr. Entlassungswellen kommen und gehen – sie wiederholen sich wie periodische Erscheinungen. In der ehemals «heilen» Bankenwelt wurden die Beschäftigten in Ehren pensioniert, nach «9/11» jedoch zum Teil wortlos entlassen – sie fanden sich einfach nicht mehr im Organigramm des Unternehmens.


«Wir beraten die Opfer von Restrukturierungen»


Und was bedeutet das für Sie?

Für ein Executive-Search-Unternehmen bedeutet dies zusätzliche Arbeit. Ein Executive-Searcher bearbeitet den Markt primär nach dem Kundenbedürfnis und hat die Aufgabe, den geeignetsten Kandidaten für eine Schlüssel-Position zu finden und dauerhaft zu gewinnen. Mit unserer langjährigen Erfahrung in der Finanzbranche beraten wir natürlich auch Kandidaten, die Opfer von Restrukturierungen werden.

Wir diskutieren und entwerfen gemeinsam Szenarien für die nächsten Karriereschritte oder -ziele und unterstützen die Leute bei der Neuorientierung. Und dabei ist Zuhören eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ein HR-Consultant beherrschen muss. Zuhören, zwischen den Zeilen lesen, verstehen, was Sache ist und dabei nicht vergessen, dass bei jedem Menschen ein persönliches Schicksal dahinter steht.

Früher wurden Führungsleute mit pekuniären Argumenten abgeworben. Wie sieht es diesbezüglich heute aus?

Ein Executive-Searcher, der diese Argumentation gebraucht, hat weder seine Hausaufgaben gemacht, noch das Kundenbedürfnis erkannt und er versteht auch nicht, was Nachhaltigkeit in der Besetzung von Führungspositionen bedeutet. Denn: Weiterreichende Entscheide, immer mehr Wertschöpfung, Arbeitsplätze und menschliche Schicksale hängen von immer weniger Führungskräften ab.


«Jeder kann sich Executive-Searcher nennen»


Die Verantwortung der Führungsleute hat exponentiell zugenommen. Und damit auch die Verantwortung jener, die mit der Identifikation und Platzierung dieser «Executives» beauftragt sind. Executive-Search ist kein geschützter Begriff. Jedes Unternehmen kann sich so nennen. Es steht jedem frei, sich in der Lage zu wähnen, genügend Format zu besitzen, um über das Format anderer zu befinden.

Wer charismatische Persönlichkeiten mit herausragenden Fähigkeiten identifizieren und beurteilen will, muss in seinem eigenen Profil eine Affinität dazu haben.

Wie hat sich das Anforderungsprofil von Führungsleuten im Bankensektor gegenüber früher verändert?

Es hat sich grundsätzlich und branchenunabhängig verändert, sind die Aufgaben doch wesentlich komplexer geworden sind. Zu erwähnen sind beispielsweise die geographisch weitreichende Verantwortung in Matrix-Organisationen, die gesamte Compliance- und Risk-Thematik.


 «Die Ansprechpersonen sind plötzlich woanders tätig»


Inwiefern hat sich Ihr Geschäft im Finanzbereich in den letzten Monaten entwickelt?

Die zu suchenden Profile sind noch komplexer geworden, und das Tempo hat sich bei gleichbleibender Qualität erhöht. Restrukturierungen führen dazu, dass Bewegungen im Markt entstehen, und dass Ansprechpersonen plötzlich und öfters in einem anderen Unternehmen tätig sind. Das heisst, wer nicht permanent am Markt ist, kennt den Markt nicht mehr...


 «Gute Leute müssen gut bezahlt werden»


Hat eine neue Bescheidenheit bei den Lohnvorstellungen der Banker Einzug gehalten?

Nein, höchstenfalls sehr kurzfristig... Bescheidenheit ist eine Tugend. Die Übernahme von komplexen Aufgaben mit Verantwortung – für die jemand seinen eigenen «Kopf» hinhält vielleicht auch seinen «Hut» nehmen muss – ist etwas Anderes. Die Übernahme von Verantwortung kann manchmal leider auch mit einem «Schleudersitz» gleichgesetzt werden. Im Normalfall sollte das entsprechend honoriert werden.

Wenn wir gute Manager wollen, und die werden in der Wirtschaft und in der Politik dringend benötigt, dann sollen sie für ihre Resultate, die sie erbringen, und für die Verantwortung, die sie tragen, entsprechend gut bezahlt werden.


«So meistert man eine Krise im Job»


Was empfehlen Sie jenen Kaderpersonen, die länger als gewollt eine Stelle suchen müssen?

Ich habe vor geraumer Zeit einen Artikel zu diesem Thema verfasst, der immer noch seine Gültigkeit hat. Darin erwähnte ich vier Prinzipien, wie man Krisen am Arbeitsmarkt meistert. Das ist erstens, der Blick nach vorn. Denn Kündigungen auf Grund struktureller Veränderungen haben selten mit ungenügenden Leistungen zu tun, sondern sind die Folge von Marktveränderungen.

Zweitens, flexibler werden. Denn gute Fach- und Führungskräfte werden immer gebraucht und gesucht. Sie sind auch dann ein rares Gut, wenn der Markt nicht als ausgetrocknet, sondern als überflutet gilt.


«Charisma ist das i-Tüpfelchen»


Drittens, zuversichtlich bleiben. Ein Arbeitsplatzverlust muss nicht zwingend ein Karriereknick sein. Eine gewisse Auszeit kann jedes Kadersalär verkraften. Somit gibt es keinen Grund, sich sofort für die erstbeste Position zu entscheiden.

Und viertens, konstant agieren, nicht nur reagieren. Eine solide Karriere ist ein konsequenter Plan. Man kann nicht früh genug damit beginnen. Der idealste Zeitpunkt ist aus einer guten, sicheren Stellung heraus. Denn wenn man sich stark fühlt, geht man ohne Druck und viel überlegter vor.

Welcher Typus von Banker hat heute die aussichtsreichsten Chancen, eine neue Stelle zu finden?

Der fachlich fundierte, interessierte, gut ausgebildete Banker mit hoher sozialer und multikultureller Kompetenz - und als i-Tüpfelchen: der Banker mit Charisma.


«Wir kommen leichter an Professionals heran»


Sind solche Umwälzungen, wie sie sich derzeit in der Bankbranche abspielen nicht auch ein Segen für Sie?

Nein, die Veränderungen bedeuten zusätzliche Arbeit für uns. Andererseits führt es dazu, dass wir leichter an Professionals rankommen und es uns daher eher gelingt, diese – durch deren Veränderungen – rascher kennen zu lernen.

Sollen entlassene Bankleute sich auch in der Versicherungbranche umschauen?

Für qualifizierte Professionals, die netzwerken – was ich übrigens als sehr wichtig erachte –, sich positiv einbringen, aktiv sind und keine «Brücken abbrechen», besteht immer wieder eine Möglichkeit – und dies in verschiedenen Branchen.


Lea M. Sauer ist Managing Partner und Mitglied des Verwaltungsrats der 1996 gegründeten ORBIS Executive Search/Member of TRANSEARCH International, Zürich.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.79%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.82%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.4%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
pixel