Schon im Fall Adoboli habe man gesehen, dass Grossbanken besonders wichtige Überwachungsfunktionen an Praktikanten delegierten, sagt Maurice Pedergnana.


Maurice Pedergnana ist Professor an der Hochschule Luzern – Wirtschaft; Chefökonom der Zugerberg Finanz sowie Geschäftsführer der SECA Swiss Private Equity and Corporate Finance Association.

Mehrere Grossbanken machen nun mit dreisten Devisenkurs-Manipulationen von sich reden. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ein Handelsdesk zu überwachen, ist anspruchsvoll. Schon im Fall Adoboli hat man gesehen, dass Grossbanken solche Überwachungsfunktionen Praktikanten übertragen.

Das ist billig, aber auch fahrlässig. Nicht, dass ein Händler intelligenter wäre, aber einer, der wie die beiden Entlassenen schon 20 Jahre im Investmentbanking der UBS gearbeitet hat, kennt sämtliche Usanzen, Mängel und Schwächen in den so genannten «Lines of Defense».


«Es gibt vier typische Verteidigungslinien»


Was ist darunter zu verstehen?

Jede Handlung wird überwacht. Dabei stellt eine Bank typischerweise vier Verteidigungslinien auf: Die erste besteht aus dem unmittelbaren Risikomanagement des Handelsdesks (mit Rapportierungslinie bis hinauf zum Leiter des Investmentbankings), die zweite aus der Risikokontrolle (mit einer Rapportierungskaskade bis zum Chief Risk Officer), die dritte aus Compliance und internem Audit mit den entsprechenden Rapportierungspflichten und die vierte aus dem externen Audit im Auftrag des Risiko- und/oder Prüfungsausschusses respektive dem Verwaltungsrat. Eine absichtliche und wiederholte Schädigung von Kundeninteressen kann nur erfolgen, wenn alle Verteidigungslinien versagen.

Umso erstaunlicher also, dass es zu solchen Manipulationen kommt.

Ich habe jahrelang den Prüfungsausschuss der Zürcher Kantonalbank geleitet. Dort, wo man die grössten Erträge erzielt oder über die grösste Marktmacht verfügt sowie dort, wo die Interessenkonflikte am einfachsten missbraucht werden könnten, haben wir wiederholt und in unterschiedlichen Prüfteamzusammensetzungen den Schwerpunkt der Prüfungen festgelegt.


«Es ist eine Pflicht näher hinzuschauen»


Bei wichtigen Prüfungen habe ich mir sogar das detaillierte Prüfvorgehen vorher erläutern lassen, um am einen oder anderen Ort dann noch etwas Zusätzliches anzuordnen respektive zu ergänzen.

Konkret?

Übertragen auf eine Grossbank, die rund 10 Prozent Marktanteil im weltweiten Devisenhandel hat, hat das Risk Management und zumindest stichprobehalber auch das Audit die Pflicht, näher hinzuschauen. Das heisst, dass man im Handel, bei dem der Zeitpunkt des Londoner Fixings sehr wichtig ist, das so genannte Intraday P&L (Profit & Loss) anschauen muss.


«Dies ist ein inakzeptables Versagen»


Macht man die Beobachtung, dass die Verlaufsmuster von Gewinnen und Verluste immer im Zeitraum von 15.30 Uhr bis 16.00 Uhr systematisch mit Gewinnen verbunden sind, ist eine vertiefte Prüfung des Sachverhalts nicht nur angebracht, sondern zwingend notwendig.

Wer hat denn versagt?

Dies ist ein inakzeptables Versagen in der Risikosteuerung und -kontrolle der involvierten Banken. «Real time risk management» ist der Standard heute in der Geschäftseinheit Investmentbanking, die global an der Spitze mitspielen will. Einen solchen Sachverhalt, wie ich ihn geschildert habe, festzustellen ist relativ einfach.

Tatsächlich?

Dazu benötige ich keine Physiker und Mathematiker. Aber ich brauche Leute, die verstehen, wie man mit Absprachen mit Dritten diese Geschäfte manipulieren kann.


«Das wichtigste Risk-Tool heisst GMV»


Allmählich gelangt die Öffentlichkeit an einen Punkt, an dem sie sich fragen muss, ob solche Skandale denn nie mehr aufhören.

Ja, das verstehe ich. Aufhören werden solche Fälle aber nicht durch mehr Regulierung, sondern durch mehr Eigenverantwortung und Courage. Das allerwichtigste «Risk Control Tool» ist durch zahlreiche Checklisten und Prozess-Vorschriften, Verhaltensregeln und Handbücher verdrängt worden. Es heisst GMV: Gesunder Menschenverstand. Daran mangelt es.

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