Der internationale Druck auf den Offshore-Platz Schweiz hat das alte Geschäftsmodell der Schweizer Privatbanken weggefegt. Doch ihn gibt es noch: Den Kundenberater alter Schule – aber nicht mehr lange.

Es ist nicht lange her, da war es noch eine wahre Freude, Private Banker zu sein. Der Schweizer Finanzplatz genoss ein weltweites Ansehen, ja, es war für viele vermögende Ausländer regelrecht «schick» ein Konto bei einer Bank in Zürich, Genf oder Lugano zu haben.

Darum war es auch nicht verwunderlich, dass die Kundenberater bloss in ihren noblen Büros zu sitzen brauchten, um das ihnen wie von selbst zufliessende Geld zu verbuchen.

Heute ist alles anders – den Alltag eines Kundenberaters von einst kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Umso mehr lohnt es sich, dieses Berufsleben noch einmal Revue passieren zu lassen, bevor die neue Realität beschrieben wird.

1. Der Kunde kam von selbst
Er suchte hierzulande vor allem den Schutz des Bankgeheimnisses– sei dies aus Diskretions- und Sicherheitsgründen oder aus steuerlichen Überlegungen. Mit anderen Worten: Der Kundenberater brauchte sich um seine Klientel nicht sonderlich zu bemühen. Sie flog ihm einfach zu.

2. Er kam aus allen Herren Länder
Egal woher der Kunde stammte, je mehr Geld er brachte, umso willkommener war er. Eine Beschränkung auf einzelne Märkte gab es für einen Kundenberater kaum. So war es möglich, dass er eine höchst illustre Klientel aus allen Herren Länder sein Eigen nennen konnte: Ein paar vermögende Familien aus Lateinamerika, selbständige Ärzte aus Deutschland, ein französischer Adeliger, eine Handvoll Unternehmer aus Südeuropa, und daneben betreute man noch «F&Fs» – Family & Friends, wie es im Jargon hiess.

3. Er bekam feines Essen und guten Wein
Wichtig war vor allem der persönliche Kontakt. Wenn ein Kunde mal zu Besuch war bei seiner Bank in der Schweiz, dann liess sich der Berater nicht lumpen, sondern lud seine Klientel in die besten Lokale der Stadt ein, wo er teuren Wein und bestes Essen offerierte, und von den urdemokratischen Verhältnissen in der Schweiz, der Stabilität und dem harten Franken schwärmte.

4. Performance war kein Kriterium...
Tatsächlich stand die Wertvermehrung des Vermögens nie im Zentrum solcher Gespräche mit dem Bankberater. Die Kunden waren einfach froh, dem Fiskus ein Schnippchen geschlagen zu haben und in ihrer Heimat erheblich weniger Steuern zahlen zu müssen. Performance, wie es Neudeutsch heisst, war kein Thema, zumal der Franken Jahr für Jahr gegenüber den allermeisten Währungen ohnehin laufend an Wert gewann. So konnte der Kundenberater jedes Mal einen erfreulichen Kontoauszug präsentieren, der letztlich wenig auf seinem Können beruhte.

5. ...Produkte im Portfolio hingegen schon
Im Gegenteil: Der Kundenberater, frei wie er damals war, konnte die Portefeuilles seiner Klientel mit unzähligen Finanzprodukten vollstopfen, die vor allem hohe Kommissionen und Retrozessionen generierten. Er war niemandem Rechenschaft schuldig – selbst seinem Arbeitgeber nicht, solange er die budgetierten Ziele erreichte. Früher gab es auch noch kaum Bestimmungen oder Richtlinien, und von Anlegerschutz war ebenso wenig die Rede. So verstand sich der Kundenberater auch als Investment-Manager, was seinem Ego ebenfalls gut bekam.

6. Eine ungleiche Beziehung
Alles in allem waren die Rollen in dieser Beziehung klar verteilt. Der Bankberater war der grosse Wundertäter, der sich galant und grosszügig geben konnte, solange der Kunde sein Geld möglichst anspruchslos der Bank anvertraute. Wurde er aufmüpfig und sprach plötzlich von Performance oder tieferen Gebühren, wurde er nobel darauf aufmerksam gemacht, dass ein blosser Hinweis an die Steuerbehörden in seinem Heimatland das Verhältnis zur Bank in der Schweiz erheblich trüben könnte. Kein Wunder, dass sich die meisten Kunden in diese ungleiche Beziehung schickten – sie hatten ja gar keine andere Wahl.

Heute hat sich das Offshore-Banking unter Zwang radikal geändert. Die internationalen Initiativen gegen das alte Geschäftsmodell im Schweizer Private Banking haben bei den Banken bereits tiefe Spuren hinterlassen – und sie verändern Berufsbild und Rolle des Kundenberaters in den Privatbanken nachhaltig.

1. Nur noch ein Rädchen im System
Genügte der Berater früher weitgehend sich selber, so wird er nun mehr und mehr zum Rädchen im System. So will es der Industrialisierungsprozess. Die eigentliche Arbeit für die Kundendienstleistungen machen andere: Ausländische Kunden? Ein Fall für die Compliance. Anlageberatung? Eine Abweichen von der «house view» des bankeigenen Investmentchefs liegt schlicht nicht mehr drin.

2. Handlanger der Maschine
Besonders weit gehen die Vorgaben in der Anlageberatung. Die Banken versuchen nach Kräften, den Kunden in lukrative Mandate zu ziehen – die dann nach Möglichkeit automatisiert verwaltet werden. Fortschrittliche Systeme wie «UBS Advice» weisen hier den Weg; das Programm überprüft über Nacht Tausende Kundenportefeuilles nach Risiken und Chancen – und gibt entsprechende Empfehlungen ab. Der Kundenberater wird zum Handlanger einer Maschine.

3. Permanent unter Kontrolle
Derweil führen die stark gestiegenen Rechtsrisiken dazu, dass sich Kundenberater nur noch auf einen oder zwei Märkte konzentrieren können. Bestehende Kundenstämme werde so filettiert und auf der Abteilung aufgeteilt. «Segmentierung» heisst der Euphemismus für diesen oft schmerzhaften Prozess. Die hohe Wechselrate in der Bankbelegschaft führt ausserdem dazu, dass die Chefs ihre Untergebenen nur noch ungern mit wichtiger Klientel alleine lassen. Die Kontrolle nimmt stetig zu.

4. Weniger Spielraum, aber höhere Anforderungen
Obwohl sein Handlungsspielraum drastisch kleiner wird, steigen die Anforderungen an den Kundenberater. Mit dem Wegbrechen des alten Systems der Retrozessionen sehen sich die Schweizer Banken erstmals gezwungen, für die Beratung Geld zu verlangen. Doch dafür wollen die Kunden Leistung sehen. Die Grossbanken haben längst begonnen, ihre Kundenberater durch streng normierte Ausbildungsprogramme zu schicken, die mit einer Zertifizierung enden. Ein besonderen Effort leistete hier die UBS, die für ausgewählte Kundenberater eigens einen nach akademischen Kriterien gestalteten Studiengang ins Leben rief.

5. Social-Media ein Muss
Auskennen muss sich die neue Berater-Kaste im Gebrauch sozialer Netzwerke. Die Strategen grosser Banken sehen in diesen die Zukunft des Kundenkontakts – und wollen sich gleichzeitig dem Eintritt branchenfremder Konkurrenten wie Google, Apple oder Facebook ins Bankgeschäft zuvorkommen.

6. Türöffner und Puffer
Intern verdrahtet mit Systemen und Prozessen, nach aussen weit offen über soziale Netzwerke, kommt dem Kundenberater nunmehr die Rolle eines Türöffners zu Bankdienstleistungen zu. Das wäre an sich eine bedeutende Funktion. Aber es ist eine ohne die weitreichenden Komptenzen von früher.

Fazit: Am Beruf des Kundenberaters wird voraussichtlich nicht mehr viel von seinem früheren Glanz haften bleiben. War er es, der zuvor die Beziehung zu seinem Kunden dominiert hat, weil er dessen Steuergelder für den Fiskus unsichtbar werden liess, dreht sich dieses Verhältnis nun um 180 Grad: Es ist der Kunde, der die Beziehung dominiert, seit er Leistungen und Performance einfordern und mit denen anderer Vermögensverwalter vergleichen kann.

Genoss ein Kundenberater mit hohem Neugeldzufluss und vermögenden Kunden in einer Bank noch den Status eines «Rainmakers», zählt heute nicht mehr allein die Masse, also die Höhe der Kundengelder. Die Qualität der Assets ist das oberste Kriterium. Über diese bestimmen die Regulatoren ausserhalb und die Compliance Officer innerhalb der Bank.

Beratungskompetenz ist zwar wichtig, aber der Berater vollzieht nur noch, was bankintern vorgegeben wird. Insofern ist es auch eine Frage der Zeit, dass sich auch das Lohnniveau der Schweizer Kundenberater nach unten anpasst. Jene Senior Banker, die mit dem neuen System nicht klar kommen, treten aus den Banken aus und gründen ihre eigenen Private-Banking-Boutiquen.

 

 

 

 

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