Der einstige Präsident der Schweizerischen Bankgesellschaft, Nikolaus Senn, ist im Alter von 88 Jahren am vergangenen Sonntag in Herrliberg am Zürichsee verstorben.

Der am 22. Oktober 1926 in Herisau geborene St. Galler Nikolaus Senn zählt zu den ganz grossen Figuren in der Schweizer Bankbranche. Er machte eine jener Karrieren, wie sie früher – zumindest bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) – üblich waren: Jurist, Oberst im Militär und Nicht-Zürcher – das waren die äusseren Voraussetzungen auf dem Weg nach ganz oben.

Senn trat im Mai 1951 in die SBG in Zürich ein, wo er unter den Fittichen des damaligen Präsidenten der Geschäftsleitung, Alfred Schaefer, aufstieg. Nach einem Abstecher (1954 bis 1959) zur Schweizerischen Bankiervereinigung in Basel kehrte er zur Bank zurück, wo er dann im so genannten Finanzbereich Karriere machte und diese Abteilung auch lange Zeit leitete. Im Jahr 1968 wurde er zum Generaldirektor ernannt.

Antipoden auf der Chefetage

Der Finanzbereich umfasste das Anlagegeschäft, den Handel und die Vermögensverwaltung, also jene Bereiche, die später immer wichtiger werden sollten. Das Pendant dazu war der Kommerzbereich, wo die Kreditgeschäfte abgewickelt wurden. Dieses stand zur Zeit von Senn unter der Leitung von Robert Holzach (1922 bis 2009).

Senn 502

Nikolaus Senn (rechts) 1987 im Gespräch mit Kaspar Villiger, damals Nationalrat des Kantons Luzern, später Bundesrat. In der Mitte Robert Holzach.

Holzach und Senn waren denn auch die beiden Antipoden innerhalb der SBG, die kaum gegensätzlicher hätten sein können – die Bank aber, jeder auf seine Art, umso mehr prägten und zum Erfolgsmodell per se machten. Zwischen ihnen flogen regelmässig die Fetzen, was am Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse 45 bisweilen unüberhörbar war, doch sie waren sich auch stets bewusst, was sie voneinander hatten und respektierten sich entsprechend. Erst kurz vor seinem Tod bot Holzach dem vier Jahre jüngeren Senn das Du an. Senn war danach so gerührt, dass er Tränen in den Augen hatte.  

Programmierte Karriere

Holzach der distinguierte Monsieur, vornehm, hoch intellektuell und sehr schweizerisch ausgerichtet – Senn, der bodenständige, humorvolle und kommunikative Pragmatiker, der ein feines Gespür für den Börsenhandel entwickelte und eine internationale Affinität besass – insbesondere zu Südafrika. Holzach und Senn, sie beide waren die Ziehsöhne von Alfred Schaefer, der in den sechziger Jahren auch festgelegt hatte, dass sie dereinst die Führung der Bank übernehmen sollten.

Im Windschatten des vier Jahre älteren Holzach stieg Senn an die Spitze auf; im Jahr 1980 wurde er Präsident der Generaldirektion, als Holzach Präsident des Verwaltungsrats wurde. Acht Jahre später übernahm Senn von Holzach dieses Amt, das er bis 1996 inne hatte. Anschlissend war er dann noch – wie Holzach – bis zur Fusion zur UBS Ehrenpräsident der Bank – ein Titel, der den beiden SBG-Granden danach aber – offiziell auf Grund des Verschwinden der einstigen SBG – entzogen wurde.

Epoche des Paradigmenwechsels

Höchst erfolgreich führte Senn die Bank in den achtziger Jahren, als sich die Finanzwelt vollends liberalisierte; 1986 kam es in London zum Big Bang, was der City zu einem enormen Innovationsschub verhalf, weil über Nacht die alten Kartelle und Absprachen aufgehoben wurden. In den achtziger Jahren setzte auch die Computerisierung in der Branche ein, was die Abläufe enorm beschleunigte – und last but not least begann damals auch der «Siegeszug» neuartiger Finanzprodukte (Derivate). Einen Eindruck dessen, was diese neue Welt auslösen konnte, zeigte sich im Oktober 1987, als die Börse in New York an einem einzig Tag rund 20 Prozent an Wert verlor.

Senn kann durchaus als der letzte operative Chef der SBG bezeichnet werden, als diese Bank noch hoch erfolgreich war. Erst mit dem Anbruch der neunziger Jahre entwickelte sich das grösste Geldinstitut der Schweiz zu einem trägen, kaum mehr innovativen Koloss, was denn auch den Financier Martin Ebner dazu verleitete, zum Sturm auf diese Bank anzusetzen. Die SBG konnte damals aber noch von der Substanz, vom funktionierenden Establishment und eben auch von der Persönlichkeit Senn profitieren, und so die harschen Angriffe des «Mannes mit der Fliege» (Ebner) abwehren.

Harsche Kritik

Doch 1996, als dann der damalige CS-Präsident Rainer E. Gut per Telefon dem SBG-Präsidenten Senn, der gerade beim Golfspielen war, ein Fusionsangebot unterbreitete, war klar, dass diese Bank ihre unantastbare Grösse und Dominanz verloren hatte. Und weil man sich auf keinen Fall mit der Konkurenz vom Paradeplatz paaren wollte, ging man mit dem Schweizerischen Bankverein (SBV) aus Basel auf Tuchfühlung. Der Rest ist Geschichte und führte zur historischen UBS-Fusion, die Anfang Dezember 1997 angekündigt und per Mitte 1998 realisiert wurde.

Senn meldete sich auch nach dem Ausscheiden aus der SBG/UBS in der Öffentlichkeit immer wieder zu Wort und scheute sich dabei nicht, sehr hart mit den damaligen UBS-Verantwortlichen ins Gericht zu gehen. Vor allem als die Bank unter der Ägide von Marcel Ospel immer tiefer in die Krise schlitterte, nahm Senn kein Blatt vor den Mund und kritisierte die schamlose Bonuskultur seiner Nachfolger und die Fahrlässigkeit, mit der sie «seine» Bank an die Wand fuhren.

Charismatisch und zupackend

Senn, in jüngeren Jahren ein passionierter Eishockey-Spieler, der später zum Curling und im Sommer zum Golf wechselte, gleichzeitig aber auch bis zuletzt ein starker Raucher war, und der mehrere Herzinfarkte überlebte, hinterlässt seine Frau Charlotte, mit der er 62 Jahre verheiratet war, sowie zwei erwachsene Töchter und einen erwachsenen Sohn.

Mit Nikolaus Senn verliert die Schweiz eine weitere charismatische, zupackende und mutige Persönlichkeit wie sie heute in der hiesigen Bankbranche so dringend nötig wäre.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.09%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.73%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.52%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.44%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.21%
pixel