Was sagt eigentlich Jean-Pierre Roth, der frühere Präsident der Schweizerischen Nationalbank, über die Absetzung der Euro-Untergrenze und die Zukunft des Swiss Banking?

Jean-Pierre Roth (Bild) fragt sich manchmal, ob es all die neuen Regeln in der Finanzbranche brauche, ob noch jemand den Überblick habe und ob klar sei, was das für Kosten nach sich ziehen werde.

«Vermutlich wurde etwas übersteuert, das wird man wieder korrigieren müssen», sagte der ehemalige Nationalbankchef in einem Interview im aktuellen «Bulletin» der Credit Suisse.

«Furchtbar kompliziert»

Höhere Anforderungen an das Eigenkapital gelten in der Regulierungsdiskussion allgemein als einfach und unbürokratisch. Doch dem widerspricht Roth. «Sie machen Witze, n'est-ce pas?» Als Präsident der Genfer Kantonalbank könne er sagen: «Unbürokratisch oder einfach ist hier gar nichts.» Eigenkapitalquote messen, das Risiko der Aktiven gewichten – das sei furchtbar kompliziert, so der 68-jährige Walliser.

«Für die Politik ist es einfach zu sagen, die Eigenkapitalquote müsse bei 10, 12 oder 15 Prozent liegen.» Wichtiger sei aber die Führung einer Bank. «Wenn da die Qualität nicht stimmt, werden auch 15 Prozent nicht ausreichen.» Führung zu regulieren, ist laut Roth aber unmöglich.

Wirtschaft kann sich anpassen

Nichtsdestotrotz: Swiss Banking habe im operativen Bereich auch in Zukunft sehr gute Karten, glaubt der Ex-Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB). «Schweizer Banken sind effizient, da ist der Unterschied zu ausländischen Banken frappant». Die Qualität sei hoch, man gehe mit der Zeit. Auch eine Kultur der Offenheit und die Mehrsprachigkeit sei gut.

Und trotz Aufhebung des Euro-Mindestkurses im Januar 2015 sei die Anpassungsfähigkeit unserer Wirtschaft gross. Eine mögliche Konjunkturabflachung sei verkraftbar, so Roth weiter.

Eurokrise: eine Erfindung der Finanzminister

In vielen Dingen stehe die Schweiz schliesslich besser da als der Rest von Europa. «Unser Arbeitsmarkt ist relativ flexibel, wir sind dem freien Handel gegenüber offen, und wir sind globaler aufgestellt als unsere Nachbarn», lobte Jean-Pierre Roth die Schweiz.

Aber die Krise in Europa betreffe uns natürlich. «Dass es den umliegenden Ländern schlecht geht, ist das schlimmste Szenario für uns.» Für ihn ist das Wort «Eurokrise» allerdings das falsche Wort. «Die Finanzminister haben es erfunden, um von sich abzulenken». In Wahrheit sei es eine Krise der öffentlichen Finanzen, so Roth.


Der 68-jährige Jean-Pierre Roth war von 2001 bis 2009 Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Er studierte Ökonomie und doktorierte an der Universität Genf, wo er später selber unterrichtete, und am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Nach seiner Tätigkeit bei der SNB wurde er Präsident der Genfer Kantonalbank und nahm Einsitz in den Verwaltungsräten von Nestlé, Swiss Re und Swatch. Roth ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

 

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