Auf Grund der verschärften Gesetze und Bestimmungen findet in der Finanzbranche eine geradezu epochale Re-Segmentierung der Kundschaft statt. Das führt zu massiven Kapitalverlagerungen. Was sind die Konsequenzen? Der Ex-Banker und Unternehmensberater Ray Soudah liefert die Antworten.

Von Ray Soudah, Gründer von MilleniumAssociates, einem internationalen Beratungsunternehmen für Fusionen und Übernahmen (M&A) und Corporate Finance

Die meisten Privatbanken und Vermögensverwalter an allen wichtigen Finanzplätzen dieser Welt sind derzeit mit der Analyse ihrer Markt- und Kundenfokussierung beschäftigt. Diese dient dem Zweck herauszufinden, welche Segmente/Nationalitäten und Kundendomizile künftig ins Auge gefasst werden sollten, und von welchen man sich trennen sollte.

Diese Notwendigkeit zeichnete sich bereits vor einiger Zeit ab, und im Zuge der jetzigen Analyserunde werden grösste Anstrengungen unternommen, um zu ermitteln, aus welchen Märkten man sich zurückziehen sollte, und wie ein solcher Rückzug auf geordnete und möglichst reibungslose Art erfolgen könnte.

Reputationsrisiko beherrschen

Angetrieben von einer Kombination aus einer strengeren Regulierung der Finanzmärkte, begrenzter oder gar fehlender Kenntnisse der jeweiligen Märkte, einer limitierten Produkteabdeckung und dem Wunsch, potenzielle Risikoquellen für die Reputation zu eliminieren, haben es die Vermögensdienstleister nun eilig, die Anzahl der von ihnen abgedeckten Märkte zu reduzieren. In einigen Fällen wird so die Marktabdeckung derzeit je nach der Grösse der Institution um 60 bis 80 Prozent reduziert.

In den meisten Fällen handelt es sich dabei um einen laufenden Prozess, und einem frühzeitigen Marktrückzug folgt als nächster Schritt zumeist eine weitere Eingrenzung der abgedeckten Märkte.

Es wird schwierig

Banken und Vermögensverwalter sind in der Tat gehalten, Anlageberatung spezifisch für die jeweiligen Märkte insbesondere für ihre kleinen und mittleren Kunden zu bieten, deren Möglichkeiten zur Strukturierung ihrer Steuerangelegenheiten weniger ausgeprägt sind, als dies bei vielen, sehr vermögenden Privatkunden der Fall ist.

In dem sich neu abzeichnenden Finanzmarktumfeld wird es zusehends unmöglich, qualitativ hochwertige Kundenberatung aufrecht zu erhalten, wenn die Kundenbetreuer nicht Experten für Steuer- und Produktthemen spezifisch für die jeweiligen Onshore-Märkte sind, und dies von ihnen auch nicht erwartet werden kann.

Höchstens zwei bis drei Märkte

So ziehen es die Banken vor, sich aus Märkten zurückzuziehen, für die sie keine vollumfängliche Kundenbetreuung leisten können, die den jeweiligen aufsichtsrechtlichen Erfordernissen genügt. Denn sie wollen keinesfalls Gefahr laufen, mit den örtlichen Gesetzen in Konflikt zu geraten oder ihren Kunden die falschen Produkte zu verkaufen.

Selbst die Aufsichtsbehörden legen es den Banken nahe, die Marktabdeckung ihrer Kundenbetreuer auf bis zu zwei oder drei Märkte pro Kundenbetreuer zu begrenzen, zumal dafür beträchtliche Sachkenntnisse erforderlich sind.

Mehr als die Hälfte in Europa deponiert

Aus den Äusserungen vieler Marktteilnehmern zu schliessen, werden in der gegenwärtigen Phase zwischen fünf und zehn Prozent der weltweit verwalteten Vermögen neu segmentiert. Wenn wir von einem Offshore-Volumen des internationalen Private-Wealth-Markts von rund zehn Billionen Dollar (10'000 Milliarden Dollar) ausgehen, dann bedeutet dies, dass zwischen 500 Milliarden und 1'000 Milliarden Dollar dieser Geld demnächst den Vermögensverwalter wechseln werden. Davon ist mehr als die Hälfte in europäischen Buchungszentren deponiert.

Dahinter stehen insgesamt rund einhundert Märkte, aus welchen sich die Vermögensdienstleister zurückziehen, wenngleich sich der Rückzug der einzelnen Institutionen unter Berücksichtigung der Unterschiede der im Einzelnen verfolgten Marktstrategien auf zehn bis fünfzig Märkte beschränken kann.

Alles oder nichts ist unrealistisch

Glücklicherweise verfolgen die einzelnen Akteure nicht alle dieselbe Marktrückzugsstrategie, und dieses Phänomen erlaubt es, die jeweiligen Kunden sicher in Institutionen unterzubringen, die einen Schwerpunkt in ihrem entsprechenden Heimatmarkt haben.
Die intensive Re-Segmentierung, die noch einige Zeit laufend wird, hat eine ganze Reihe von Konsequenzen:

Erstens sind die traditionellen M&A-Ansätze nach dem Motto «Entweder alles oder nichts wird verkauft» unrealistisch.

Spezifische Vorstellungen

Jede konsolidierungswillige Privatbank hat inzwischen zunehmend spezifische Vorstellungen darüber, was sie hinsichtlich Marktabdeckung oder Mindest-Kundengrösse anstrebt. Daher kommt es häufig vor, dass nicht alle Märkte, die ein Verkäufer im Angebot hat, erwünscht sind. Oder aber der Käufer möchte sich lieber ausschliesslich auf die High-End-Kunden in bestimmten Märkten konzentrieren.

Diese spezifischen Vorstellungen führen gegebenenfalls zum Scheitern von Verkaufsvorhaben oder einer Reduktion von deren Umfang. Ausserdem schrumpft die Anzahl der «ganzheitlich» interessierten Käufer, da die meisten Einzelmarkt-Akquisitionsstrategien verfolgen.

Prozess dauert vermutlich bis 2018

In der nächsten Zeit werden diese Akteure auch verstärkt nur Angebote für Verkaufsprojekte machen, an denen sie wirklich interessiert sind. Aus diesem Grund wird das Preisvolumen von M&A kurzfristig unter Druck geraten und möglicherweise sogar leicht zurückgehen, bevor sich dieser Markt nach Abschluss des Prozesses der Re-Segmentierung (der vermutlich bis 2018 andauern wird) wieder erholt.

Zweitens wird die Anzahl der Kundenbetreuer steigen, die das eigene Unternehmen entweder vor oder nach etwaigen Übernahmen freiwillig oder unfreiwillig verlassen werden, da diese Fachkräfte von sich aus einen Arbeitgeber suchen werden, der bereit ist, ihr jeweiliges Markt-Know-how einschliesslich ihres Kundenstamms in das Unternehmen zu integrieren.

Klassisches M&A rückt in den Hintergrund

In den kommenden Jahren wird die Phase der Re-Segmentierungen die Aufmerksamkeit der Privatbanken und Vermögensverwalter auf sich ziehen. Dabei wird die wiederkehrende Überprüfung der Marktsegmente und die damit einhergehende Abgabe von Kundenbeziehungen die Rolle von M&A in den Hintergrund treten lassen.

Hingegen wird die Praxis kundenfreundlicher, bilateraler und multilateraler Re-Segmentierungen eindeutig an Bedeutung gewinnen.


Im Jahr 2014 lancierte MilleniumAssociates das Programm «CATCH», das es Privatbanken und Vermögensverwaltern in den wichtigsten Finanzzentren und Offshore-Märkten erlaubt, ihre Neu-Segmentierungsstrategie bezüglich Kunden und Märkte auf geordnete und gewinnbringende Weise umzusetzen. Das Programm steht unterdessen auch unabhängigen Vermögensverwaltern zur Verfügung und unterstützt diese bei ihrer Suche nach gleichgesinnten Fusions- oder Kooperationspartnern.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.65%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.2%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.5%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.42%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.23%
pixel