China biete ein riesiges Potenzial für Private Banking, sagt Ulrich Birch von der europäischen Handelskammer in China. Doch im Gespräch mit finews.ch weist er auch auf die enormen Schwierigkeiten hin. 


Herr Birch, wir sind hier in Chengdu, eine der grössten Städte Chinas und wohl die am schnellsten wachsende. Was am Stadtbild gleich auffällt, sind die sehr zahlreich präsenten Banken. Ist China «overbanked»?

In der Tat ist die Präsenz auffällig, aber die vielen Banken und Filialen folgen einem Bedürfnis. In der chinesischen Konsumwirtschaft läuft noch sehr viel über Bargeld. Zwar bieten die Institute auch E- und Mobile-Banking an. Aber insbesondere die älteren Generationen erledigen – mehr noch als in der Schweiz – ihre Bankgeschäfte am Schalter.

Das ist auch notwendig, denn manche Dienstleistungen erfordern noch einen erheblichen Aufwand an Papier, Formularen und Unterschriften.

Gleichzeitig ist man als digital nicht unerfahrener Europäer erstaunt, wie stark die chinesische Konsumwirtschaft bereits übers Smartphone und Apps funktioniert.

Darum ist fraglich, wie lange diese Bankenfilialen noch so präsent bleiben werden. Denn das bargeldlose Zahlen über das Smartphone greift rasend schnell um sich. Auf Grund der grossen Bevölkerung geht es hier auch um massive Summen.

«Sie alle laufen den Banken den Rang ab»

Darum buhlen auch zahlreiche Anbieter um den Zahlungsverkehr der Konsumenten. WeChat Wallet, Alipay, Mobile Pay oder die Zahlsysteme von Apple, Samsung und Huawei finden immer mehr Verbreitung. Die Zahl ist kaum zu überblicken. Sie alle laufen den Banken und dem Bargeld den Rang ab – schneller als man es sich vorstellen kann.

China in der digitalen Revolution?

Sicherlich in den Städten. Auch die Applikationen, um Taxis anzufordern oder durch Privat-Fahrzeuge zu substituieren, sind mehrheitlich darauf ausgerichtet, den Zahlungsverkehr umzulenken. Dazu gehören Uber, Kuaidi und Didi. Es scheint, der ganze Markt wird neu aufgemischt.

Dass sich das in einer Grauzone mit mangelhafter Regulierung und Überwachung abspielt, scheint wenig zu kümmern. Die Regelungen können mit der rasanten Entwicklung einfach nicht mithalten. China überrascht auch immer wieder mit sprunghaften Entwicklungen. Da werden oft ganze Technologie-Generationen ausgelassen.

So geht es fast nahtlos vom Bargeld zum Smartphone Payment. Für die Banken, die noch sehr auf den Zahlungsverkehr mit Bargeld eingestellt sind, dürfte dies eine grosse Herausforderung sein.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Banken hier gemacht?

In der Regel recht gute, auch wenn die Institute hier völlig anders funktionieren als in der Schweiz. Während in der Schweiz der persönliche Kontakt mit Beratern wichtig ist, legen Chinas Banken im Retailgeschäft scheinbar keinen Wert darauf. Man wird selten von derselben Person bedient. Möglicherweise lässt sich dieser persönliche Kontakt auf Grund des zahlenmässig viel höheren Kundenaufkommens auch so nicht realisieren.

In Chengdu sind auch zahlreiche ausländische Banken präsent: Citibank, J.P. Morgan, Standard Chartered, ANZ und HSBC.

Ja, HSBC unterhält in China ein Retailnetz – auf Grund ihrer Historie. Die anderen Institute sind vornehmlich im Crossborder-Währungsgeschäft, im Kreditgeschäft, in Immobilien und im Corporate Banking tätig.

Sie sind gerade als Chairman der Europan Union Chamber of Commerce in Südwest China abgelöst worden. Wie lange sind Sie schon insgesamt in China tätig?

Seit zehn Jahren. Ich bin am 1. Dezember 2005 nach Chongqing gezogen. Dies ist die einzige Municipality in der Region, von wo aus ich für ABB eine Business Unit und Niederlassung leitete. In diesem Zeitraum waren die Veränderungen massiv und verliefen extrem schnell. Das ganze Stadtbild hat sich verändert, wurde modernisiert.

Ein persönlicher Eindruck hier ist: In China wird vielfach investiert und vor allem gebaut, mit der Hoffnung, dass die Kapazitäten dann schon ausgelastet werden. Ist der Eindruck falsch?

Nein, dies lässt sich tatsächlich beobachten. Das Prinzip «Trial and Error» ist hier viel gebräuchlicher. Man plant und baut etwas – und wenn es nicht funktioniert, dann wird umgeschwenkt.

«Die Bedingungen für ausländische Unternehmen in China haben sich deutlich erschwert»

In Chengdu beispielsweise stehen schätzungsweise 40 Prozent der Büroflächen leer, in Chongqing sind es sogar deutlich über 50 Prozent. Dennoch werden ganze Stadtteile und Wirtschaftszentren neu geplant und es wird auch weiter gebaut.

Wie lässt sich diese Bauwut nach «Trial and Error»-Prinzip denn finanzieren?

Das frage ich mich oftmals auch. Man muss sehen, dass diese Strategie in den Boomjahren lange sehr gut funktioniert hat. Seitdem sich China nach 1989 wieder geöffnet hat, ist die Wirtschaft beispiellos gewachsen. Da liessen sich vereinzelte Fehlinvestitionen gut verkraften. Diese goldenen Zeiten sind vorbei.

In der Handelskammer beobachten wir, dass sich die Bedingungen für ausländische Unternehmen in China deutlich erschwert haben. Bei unseren europäischen Mitgliedsfirmen ist der Business Confidence Index ist seit fünf Jahren rückläufig.

Vertritt die Handelskammer als Lobby-Organisation auch Finanzunternehmen?

Wir sind offen für alle Industrien und haben national auch eine Working Group «Banking and Securities». Im Südwesten haben wir aber nur ganz wenige Finanzunternehmen unter unseren Mitgliedern – ganz einfach, weil ausländische europäische Institute hier noch kaum präsent sind.

Schweizer Banken haben ausser in Hongkong ja noch kaum in China Fuss gefasst. Die UBS hat als einzige Filialen in Peking und Schanghai. Im Corporate Geschäft beschränkt sich die UBS auf Singapur und Hongkong. Lassen die Banken hier Chancen vorbeiziehen?

Ich bin überzeugt, dass die Provinz Szechuan mit der Grossstadt Chengdu sowie die Municipality Chongqing für ausländische Finanzdienstleister grosses Potenzial bieten – beispielsweise im Private Banking.

«Der Protektionismus hat seine Gründe»

Durch dieses enorme Wachstum hier in der Region sind zahlreiche Menschen sehr wohlhabend geworden. Die Attraktivität des Marktes ist also da. Aber die Marktbeschränkungen erlauben noch keine aktiven Dienstleistungen im Private Banking, was wir natürlich sehr bedauern.

Es ist eigentlich ein Paradox: Chinas Finanzsektor ist sehr abgeschottet, unterentwickelt, gleichzeitig bietet der Markt enormes Potenzial, aber ausländische Banken werden im Prinzip diskriminiert, so dass ein Markteintritt enorm schwer ist.

Ja, China ist hier noch sehr restriktiv – nicht nur bei Banken, auch insgesamt bei Dienstleistungsunternehmen. Der Protektionismus hat seine Gründe: Viele chinesische Banken könnten in einem offenen Wettbewerb nicht standhalten.

China gilt ja inzwischen als der Wealth-Management-Markt mit dem grössten Potenzial. Wenn Schweizer Privatbanken nun in diesen Markt wollen, stellt sich auch die Frage: Will China diesen Markt ausländischen Anbietern überlassen? Wohl kaum.

Gelingt den Schweizer Privatbanken der Markteintritt – auf welche Schwierigkeiten und Risiken treffen sie dann?

Es gibt den Ausspruch: «In China everything is difficult – but nothing is impossible.» Und aus meiner Erfahrung gilt zusätzlich: «And everything is negotiable». Das gilt eigentlich für alle Industrien hier: Transparente und verlässliche Informationen zu erhalten, ist extrem schwierig.

«Man liest nur von Vergehen, die an der Oberfläche geschehen»

Auch die offiziellen Statistiken sind oft widersprüchlich oder lassen sich nicht nachvollziehen. Und gerade im Finanzbereich ist zuverlässige Information entscheidend. Eine weitere grosse Herausforderung ist das Personal: In China gibt es eigentlich keine Private Banker und doch müssten die Banken auf lokales Know-how setzen können.

Sie sprechen immer wieder die mangelnde Transparenz an. Die Einhaltung von Compliance-Richtlinien ist für die Banken das oberste Gebot. Eine weitere Hürde?

Ganz sicher. In den lokalen Medien liest man nur von Vergehen, die an der Oberfläche geschehen. Beispielsweise, wenn Berater Kundenkonten räumen und mit dem Geld verschwinden. Wie es um die Einhaltung internationaler Compliance-Richtlinien bei chinesischen Banken steht, kann ich nicht abschätzen.

Wie ist denn der Zustand des chinesischen Bankensystems?

Das lässt sich nicht abschliessend beurteilen, die Transparenz ist nicht gerade hoch. Die grossen Banken wie ICBC, CCB etc. verfügen wohl über gesunde Bilanzen. Von den kleineren Instituten weiss man, dass sie auf vielen faulen Krediten sitzen. Durch die Überproduktion im Immobilien Sektor gibt es wie gesagt, viele leer stehende Einheiten.

Damit die Preise nicht gefährlich sinken, werden die Banken gedrängt, Hypotheken zu geben, auch wenn die Sicherheiten ungenügend sind. Es gibt Prognosen, dass diese Kreditblase platzen wird, was viele Banken in Schieflage bringen dürfte. Aber dann würde wohl der Staat stützend eingreifen.


Das Interview hat finews.ch in Chengdu anlässlich eines Symposiums der Schweizer stars Foundation geführt, bei dem finews.asia Medienpartner war.

Ulrich Birch war die vergangenen drei Jahre Chairman of the Board, Südwest China, der European Union Chamber of Commerce in China. Er ist Ingenieur und leitete eine Niederlassung des Schweizer Technologiekonzerns ABB in Chongqing. Zurzeit ist der 64-jährige Birch als Berater für die Consenec tätig und bereitet seinen Umzug zurück in die Schweiz vor.

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