Unternehmer Martin Saidler hat mit seiner Firma Centralway Numbrs bereits mehr Investorengelder eingesammelt, als die ganze Schweizer Fintech-Szene zusammen, wie er im Interview mit finews.ch erklärt.


Herr Saidler, Ihr Fintech-Unternehmen Centralway Numbrs soll eine Milliarde Dollar wert sein – ein sogenanntes «Unicorn» also. Stimmt das?

Wir haben unsere Bewertung letztmals in der Pressemitteilung zum Investment der Investment Corporation of Dubai veröffentlicht...

...darin war von einer Unternehmensbewertung im hohen dreistelligen Millionenbereich die Rede.

Darüber hinaus können und wollen wir uns an dieser Diskussion nicht beteiligen.

Sie haben zuletzt die Investment Corporation of Dubai (ICD) als Geldgeber gewonnen – der erste institutionelle Investor – und damit das Investitionskapital auf 125 Millionen Dollar erhöht. Wie hoch ist Ihr persönlicher Anteil an Centralway Numbrs jetzt noch?

Ich halte knapp 70 Prozent der Aktien. Das erlaubt es uns, die Entwicklung des Unternehmens weiterhin frei zu gestalten. Aktuell haben wir 46 private Investoren und als einzigen institutionellen die ICD.

Unter Ihren Investoren findet sich enorm viel Finanzprominenz: Marcel Ospel, Josef Ackermann sowie die Familie Pierre Mirabaud und der Private-Equity-Unternehmer Sir Ronald Cohen...

...es wäre falsch zu glauben, dass wir mit der Banking-App Centralway Numbrs nur Investoren mit Verbindungen zur Finanzbranche haben. Wir haben auch Geldgeber aus der Maschinenindustrie, der Technologiebranche, Unternehmer und Familien hauptsächlich aus Europa, teils auch aus Israel.

In der Risikokapitalbranche ist es in der Regel so, dass Investoren ihre gesprochene Finanzierung in Tranchen zahlen, sofern gewisse Ziele erreicht werden. Wie ist die Vereinbarung mit der ICD?

Ich habe früher als Investor auch jeweils meine Finanzierung an Milestones gebunden. Bei Centralway Numbrs ist das anders: Die Investoren bezahlen den abgesprochenen Betrag und erhalten dafür Anteile.

Centralway Numbrs erzielt noch keine Erträge. Wie konnten Sie da Ihre Verhandlungsposition nutzen?

Als Startup-Unternehmer kann man bei Finanzierungsrunden viele Fehler machen. Zum Schluss sitzen Sie mit einem verwässerten Anteil von 5 oder 10 Prozent da und werden zum Spielball von Interessen, werden von Investoren zu Entscheidungen oder zu einem Exit gedrängt. Das alles wollte ich vermeiden.

«Centralway Numbrs operiert ja nicht mit Luft»

Ich habe zu Beginn alles selber finanziert und bin mit den ersten vorzeigbaren Resultaten zu Investoren gegangen, mit denen ich bereits in der Vergangenheit Geschäfte gemacht hatte. Es bestand also schon eine Vertrauensbasis. Mit der ICD haben wir im vergangenen Jahr über zehn Monate lang verhandelt. In dieser Phase mussten wir etappenweise Resultate vorweisen, was uns gelungen ist. Wir hatten weitere Angebote auf dem Tisch, entschieden uns aber für die ICD, weil diese eine sehr lange Investmentperspektive pflegt.

Es besteht immer das Risiko, dass Investoren bei einer weiteren Finanzierungsrunde den Unternehmenswert nicht für mehr gerechtfertigt betrachten und weniger Geld für neue Anteile bieten. Wie beurteilen Sie diese Gefahr für Centralway Numbrs?

Natürlich sind wir vor Wertschwankungen nicht gefeit. Aber Centralway Numbrs operiert ja nicht mit Luft. Wir haben eine technologisch sehr ausgereifte Plattform. In Zürich arbeitet ein hoch qualifiziertes Team von Software-Ingenieuren. Wir sind nach rund vier Jahren auch als Unternehmen gereift. Kommt hinzu, dass ich bislang bei jeder Finanzierungsrunde selber mitinvestiert habe, mit Ausnahme jener der ICD. Das schafft Vertrauen.

Sie haben mehr Geld eingesammelt als die gesamte Schweizer Fintech-Szene zusammen. Das schürt enorme Erwartungen. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

Als Investor muss man verstehen, worum es hier geht: um Risikokapital. Das ist eine Asset-Klasse, bei der Geldgeber im Erfolgsfall eine hohe Rendite erwarten dürfen und bei Misserfolg ihr Geld verlieren. Unsere Investoren wissen das. Es gibt auch entsprechende vertragliche Vereinbarungen.

«Wir verwalten bereits mehr Konten als eine mittelgrosse Universalbank»

Druck verspüre ich als Unternehmer und Arbeitgeber: Ich beschäftige 150 Leute, die aus aller Welt gekommen sind, um hier zu arbeiten und das Unternehmen zum Erfolg zu bringen.

Trotzdem: Sie verbrennen enorm viel Geld, haben eine sehr hohe Bewertung und bislang Null Erträge.

Wir haben vier Jahre lang eine technologisch sehr ausgereifte Plattform entwickelt und eine beträchtliche Nutzerbasis aufgebaut. Schauen wir ein paar Zahlen an: Über die Numbrs-App werden bislang 1,5 Millionen Bankkonten verwaltet. Das sind mehr als eine mittelgrosse Universalbank hat. Bislang sind wir nur in Deutschland präsent. Wir werden aber bald in Grossbritannien starten und in weiteren Märkten. Banken haben Akquisitionskosten von bis zu 300 Euro pro Neukunde. Ich kann Ihnen versichern, unsere Kosten liegen weit darunter. Unsere Kosten und die Bewertung haben eine ökonomische Logik.

Sie geben nicht bekannt, wie viele Nutzer die App effektiv hat. Warum nicht?

Wir haben ein paar Hunderttausend aktive Nutzer. Mehr geben wir zurzeit tatsächlich nicht bekannt. Aber das ist keine Geheimniskrämerei, sondern völlig normal. Schliesslich haben wir auch Konkurrenten.

Mit Ihrem Geschäftsmodell erhalten Sie von Banken eine Vermittlungsprovision für Produkte, die ein User über Ihre App einkauft. Ihre Margen dürften sehr klein sein. Das heisst, Sie müssen noch zig Millionen von Nutzern gewinnen.

Natürlich stehen wir erst am Anfang. Aber was wir in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, ist ein beliebig skalierbarer Supermarkt für Bankprodukte. Kürzlich haben wir die Postbank und die Norisbank als Partner gewinnen können und bieten Kreditkarten, Kredite und Konten an. Dabei wird es nicht bleiben: Über den Centralway-Numbrs-Store können wir alle Arten von Banken- und Versicherungsdienstleistungen anbieten, sei es aus Deutschland, Grossbritannien, den USA oder aus dem Nahen Osten. Bildlich gesprochen: Wir haben mit dem Auffüllen der Regale in unserem Store erst begonnen.

Es gibt eine Fülle von Banking- und Personal-Finance-Apps auf dem Markt, gegen die Sie antreten. Warum soll ich ausgerechnet Ihre App nutzen?

Von der Benutzeroberfläche her sind wir vielleicht nur eine andere Banking-App. Was Centralway Numbrs aber bietet, nennen wir Cloud-Banking. Der Nutzer kann auf eine Fülle von Dienstleistungen und Produkten aus dieser Cloud zurückgreifen. Gleichzeitig zeigen wir ihm Möglichkeiten auf, wie er seine bestehenden Bankbeziehungen, sein Budget oder sein Renditeziel optimieren kann.

«Das ist wie bei Coop oder Migros, wo der Kunde zwischen Cola und Pepsi wählen kann»

Ein Nutzer erhält beispielsweise eine Nachricht, wenn es eine günstige Möglichkeit gibt, einen Kredit abzulösen. Ein Algorithmus rechnet auf Grund der Daten die Kontoentwicklung aus und unterbreitet Vorschläge, diese zu verbessern. Solche Funktionen sind unser Wettbewerbsvorteil.

Wie kann ich als Nutzer sicher sein, dass Centralway Numbrs nicht bestimmte Bankprodukte pusht?

Wir haben den Anspruch, unseren Kunden auf der Basis einer intelligenten Datenanalyse das Angebot zu machen, das ihren individuellen Bedürfnissen und ihrer finanziellen Situation am besten entspricht. Genau darin besteht der Mehrwert für unsere Kunden. Wir verhalten uns wie jeder Händler und versuchen, die Produkte mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis ins Regal zu stellen. Das ist wie bei Coop oder Migros, wo der Kunde zwischen Coca Cola und Pepsi wählen kann. Wir bieten Banken keine Exklusivität. Die Angebote müssen dem Bedürfnis unserer Zielgruppe entsprechen.

Das sind Retailkunden. Überlegen Sie sich auch ein Private-Banking-Angebot?

Nein, das ist zurzeit nicht geplant.

Wie sieht der weitere Roll-out aus? In Grossbritannien sind Sie in der Beta-Phase...

...dort steht der Start kurz bevor. Insgesamt wollen wir mehr Nutzer gewinnen, unseren Store schneller mit Produkten füllen und die App weiter verbessern. Sobald wir das in Deutschland und Grossbritannien geschafft haben, schauen wir uns weitere Märkte an.

Sie stehen quasi an der Schnittstelle zwischen Kunde und Bank, was entsprechend hohe Anforderungen an die Datensicherheit stellt.

Datensicherheit ist die grösste Herausforderung in unserer zunehmend digitaleren Welt. Von unseren Gesamtausgaben fliesst ein bedeutender Anteil in die Datensicherheit. Wir tun sehr viel in diesem Bereich. Ich persönlich bin in einige Firmen investiert, die auf Cyber-Security spezialisiert sind. Daraus ergibt sich auch ein Know-how-Transfer.

Streben Sie mit Centralway Numbrs einen Börsengang an?

Unsere Investoren haben Geld gegeben, um eine Rendite zu erzielen. Also ist klar, dass wir irgendwann einen Exit anstreben. Wie dieser aussehen und wann er stattfinden wird, ist noch völlig offen. Ich selber möchte die Aktienmehrheit aber behalten.

Sie machen vieles anders als die hiesigen Fintechs. Sie verwenden enorme Mittel von Investoren, um eine Plattform aufzubauen und kümmern sich erst danach um die Monetarisierung. Das ist eher in den USA so üblich. Hierzulande finden sich Investoren erst, wenn ein Startup bereits einen Umsatz erzielt.

Das stimmt – wir verfolgen einen in den USA üblichen Ansatz, wenn Sie so wollen. Das ist in Europa und in der Schweiz wahnsinnig schwer umzusetzen. Die Venture-Capital-Kultur ist hier eine ganz andere als in den USA oder auch in China.

«Was die Schweiz sicher nicht braucht, ist ein vierter oder fünfter Fintech-Verband»

Auch das ist ein Grund, warum ich persönlich viel eigenes Kapital für die Entwicklung eingesetzt habe und mit der Kommunikation bislang eher zurückhaltend war.

Aus der hiesigen Branche schlägt Ihnen Misstrauen entgegen, weil Sie ein sogenannt «grosses Rad» drehen, aber noch keinen Rappen mit Centralway Numbrs verdienen. Fühlen Sie sich missverstanden?

Nein, dafür bin ich schon viel zu lange im Geschäft. Fakt ist, dass wir hier ein Schweizer Technologieunternehmen mit bislang 150 hoch qualifizierten Angestellten aufgebaut haben und den Anspruch verfolgen, eine globale Banking-Plattform zu entwickeln. Das entspricht vielleicht nicht den hiesigen Massstäben.

Was müsste sich in der Schweizer Fintech-Branche ändern?

Was die Schweiz sicher nicht braucht, ist ein vierter oder fünfter Fintech-Verband. Auch eine erleichterte Fintech-Regulierung, wie sie der Bundesrat nun umsetzt, wird an den strukturellen Problemen wenig ändern. Es braucht zu allererst eine Risiko- und Risikokapitalkultur.

Was heisst das konkret?

Der japanische Technologie- und Medienkonzern Softbank hat soeben einen Techfonds lanciert, der 100 Milliarden Dollar investieren wird. Das sind die Grössenordnungen, mit denen sich die hiesige Branche auseinandersetzen muss. Es braucht Alternativen.

Welche?

Eine Alternative wäre beispielsweise, in der Schweiz eine Kultur des Scheiterns zu entwickeln. Ich kenne zahlreiche, innovative Startup-Unternehmer, die nicht mit den Medien sprechen, weil sie danach möglicherweise als gescheitert dargestellt werden. Das ist schade.

Haben Sie Angst vor dem Scheitern?

Natürlich habe ich das. Wenn ich keine Angst hätte, müsste ich mich wohl selber entlassen. Angst und Scheitern gehören zum Geschäft. Darüber möchte ich mich nicht beklagen. Was man verstehen muss: Es bleibt in diesem ganzen Digitalisierungsprozess kein Stein auf dem anderen. Das wird aber nicht sofort geschehen, sondern über einen längeren Zeitraum.

Sie wollen in diesem Prozess ganz vorne mitspielen. Was inspiriert Sie dazu?

Ich habe mit Apple-Gründer Steve Jobs nichts gemein, wenn Sie darauf anspielen, dass ich aufgrund meiner schwarzen Anzüge und Pullover ihm nacheifern soll – wie das schon kolportiert wurde. Was mich inspiriert, sind die Möglichkeiten der Technologie und der Digitalisierung. Das fasziniert mich.


Martin Saidler ist CEO und Gründer der in Zürich ansässigen Firma Centralway Numbrs. Der gebürtige Österreicher ist ein Internetunternehmer und Investor, der zu Beginn des Jahrtausends am Aufbau der Scout24-Gruppe beteiligt war. Nach dem Verkauf seiner Beteiligung investierte er vor allem in Internetfirmen in Osteuropa. Seine Firma Centralway wandelte sich in der Folge in einen Internet-Inkubator, woraus auch Centralway Numbrs entstand. Inzwischen ist Saidler Schweizer. Er lebt mit seiner Familie in Zug.

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