Physische Beratung gepaart mit Technologie – so lautet das Rezept der Privatbanken gegen den Margendruck. Doch nun entwickelt sich ausgerechnet der weltgrösste Online-Vermögensverwalter auch in diese Richtung. 

Die meisten traditionellen Privatbanken sehen im hybriden Geschäftsmodell, also der Verbindung von Mensch und Maschine, die Zukunft. Deshalb stellen sie ihren Kundenberatern digitale Helfer zur Seite, wie dies bei der Zürcher Privatbank Julius Bär jüngst der Fall war. Die Maschine soll die Beratung besser und schneller machen und so die Produktivität der Kundenberater erhöhen.

Angesicht der erodierenden Margen müssen die Privatbanken ihre Beratungsprozesse denn auch verschlanken und digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Doch damit nicht genug: Sie müssen Kunden verstärkt an sich binden, und zwar mittels Dienstleistungen, welche die finanziellen Bedürfnisse der Kunden über die reine Anlageberatung hinaus befriedigen.

Portfoliomanagement ist kein Geschäftsmodell mehr

Denn auf lange Sicht lässt sich mit Portfoliomanagement, also dem Anlegen nach kundenspezifischen Anlagerichtlinen, ohnehin kaum mehr Geld verdienen. Das Rebelancing der Portfolios erfolgt bei etablierten Privatbanken ohnehin schon per Knopfdruck. Hinzu kommt, dass Robo-Advisor für ihre Kunden zuweilen bessere Anlagerenditen abwerfen als Berater aus Fleisch und Blut.

Gerade von einem Robo-Advisor droht den Banken nun aber ernstzunehmende Konkurrenz. Die Rede ist vom weltgrössten Online-Vermögensverwalter Betterment mit Sitz in New York. Ende Januar hat Gründer und CEO Jon Stein (Bild unten) angekündigt, das bislang rein digitale Beratungsmodell durch zertifizierte Finanzplaner, sogenannte Certified Financial Planner (CFP), zu ergänzen. 

Stein 500

Sein Ziel: Mit Technologie und Beratern aus Fleisch und Blut das Vertrauen von potentiellen Kunden gewinnen, und so mehr Geschäft pro Kunde an Bord zu holen. 

Tiefere Kosten

Das sind nicht eben gute Nachrichten für die Privatbanken. Denn mit Betterment tritt ein Player auf den Plan, der keine teure Infrastruktur zu schultern hat, den keine Altlasten plagen und dessen Berater deutlich weniger verdienen als die Kundenberater der etablierten Privatbanken. 

Der Anspruch von Betterment ist es: Finanzplanung besser, schneller und vor allem günstiger anzubieten als die Konkurrenz. Obwohl Betterment im Zuge der Umstellung auf das hybride Geschäfsmodell die jährlichen Gebühren angehoben hatte, sind die Preise nach wie vor teils deutlich niedriger als bei den Privatbanken.

Mit einer jährlichen Pauschalgebühr (Flat-Fee) von 0,5 Prozent ist Kunden ein unlimitierter Zugang zu einem Team von Finanzplanern garantiert, verspricht Betterment. Das minimale Investment beträgt 250'000 Dollar. Die Vermögensverwaltungs-Gebühr von 50 Basispunkten gilt nur für die ersten zwei Millionen Dollar. Alles, was darüber liegt, wird gratis verwaltet. 

Im Vorgarten der Privatbanken

Mit diesem Angebot tritt Betterment in das Affluent-Geschäft und damit quasi in den Vorgarten der Privatbanken. Jene haben dieses Kundensegment lange verschmäht, da es sich nicht rentabel betreiben liess. Mittels Vermögensverwaltungs-Plattformen und standardisierten Finanzdienstleistungen lässt sich auch dieses Geschäft einigermassen profitabel betreiben.

Gerade bei Kunden, die zu grösseren Vermögen gekommen sind, besteht normalerweise ein grösseres Verständnis für Finanzfragen, das heisst: sie verstehen vermutlich eher, dass sie durch einen Wechsel zu einem Robo-Advisor erhebliche Beträge an Verwaltungsvergütung sparen können. Gleichzeitig verlangen sie aber Expertise von einem Berater aus Fleisch und Blut bei komplexeren Finanzangelegenheiten. 

Potenzielle Nachahmer stehen bereit

Genau in dieser Schnittmenge positioniert sich nun Betterment mit seinem Schwenk in das hybride Geschäftsmodell. CEO Stein hofft denn auch, die verwalteten Vermögen deutlich zu steigern. Denn der grösste Online-Vermögensverwalter der Welt betreut seit seiner Lancierung 2010 erst 7 Milliarden Dollar an Kundengeldern, verteilt auf 210'000 Kunden. Dies reicht nicht aus, um nachhaltig profitabel zu sein. 

Betterment gilt in der Robo-Advisor-Szene als Trendsetterin. Erweist sich der Schritt zum hybriden Geschäfsmodell als erfolgreich, könnten andere Robo-Advisor, namentlich Wealthfront aus den USA oder der in London ansässige Robo-Advisor Nutmeg, wohl nachziehen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.29%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.92%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.29%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.73%
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