Schweizer Pensionskassen haben ihren Anlagestil seit 30 Jahren kaum geändert. Die Folgen werden gravierend sein, befürchtet die Bankiervereinigung. Iwan Deplazes sagt im Interview, was sich ändern sollte.


Herr Deplazes, die Bankiervereinigung und die Asset Management Plattform plädieren in einer Studie zur beruflichen Vorsorge für eine «zeitgemässe Anlageverwaltung» bei den Pensionskassen. Warum ist die Zeit bei den Pensionskassen stehengeblieben?

Pensionskassen haben über Jahre hervorragende Arbeit im Sinne der Destinatäre geleistet. Für sie ist es aber aufgrund der veränderten Verhältnisse an den Finanz- und Kapitalmärkten schwieriger geworden, eine adäquate Rendite zu erwirtschaften. Trotzdem hat sich ihre Vermögensallokation seit den 1980er-Jahren kaum verändert.

Während in anderen Ländern die Anlagerichtlinien in der Vorsorge geöffnet wurden, gibt es in der Schweiz offenbar nur einen Trend: passives Investieren. Warum?

Internationale Vergleiche der Performance der Vorsorgesysteme sind mit Vorsicht zu geniessen. Aber es fällt auf, dass die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern mit ähnlichem Vorsorgesystem deutlich abfällt.

«Die fixen Anlagerichtlinien wirken sich hemmend auf die Verwaltung einer Pensionskasse aus»

Ein Grund dafür sind die fixen Anlagerichtlinien. Sie wirken hemmend auf die Verwaltung einer Pensionskasse aus. Zudem hat der Schweizer Regulator in den letzten Jahren einen sehr grossen Fokus auf die Kosten gelegt und dabei vernachlässigt, dass die Leistung nach Kosten im Zentrum stehen sollte.

Pensionskassen in der Schweiz fahren eine Risikovermeidungsstrategie mit kurzfristigem Horizont. Was ist notwendig für ein Umdenken?

Gerade Pensionskassen haben einen sehr langen Anlagehorizont und verfügen deshalb grundsätzlich über eine hohe Risikofähigkeit. Kurzfristige Deckungsgrad-Anforderungen und starre Leistungsverpflichtungen verhindern aber das Ausnutzen dieses langen Anlagehorizonts.

«Pensionskassen müssen ihr Know-how auch auf nichttraditionelle Anlagen anwenden»

Folglich benötigen wir regulatorische Anpassungen und damit verbunden auch die Bereitschaft, die Chancen einer breit diversifizierten Anlageallokation besser auszunutzen.

In der Studie heisst es, seit den 1980er-Jahren hat sich an den Anlagerichtlinien kaum etwas geändert. Hat dieser Stillstand auch zu einem Mangel an Investment-Know-how geführt?

Immobilien sind im internationalen Kontext Teil der nichttraditionellen Anlagen. Nebst Aktien und Obligationen sind Immobilien bei Pensionskassen äusserst beliebt. Das Know-how für illiquide Anlageklassen ist also grundsätzlich da, Pensionskassen müssen es nur nutzen und den Mut haben, es auch auf andere nichttraditionelle Anlagen anzuwenden. Hier könnte die Neukategorisierung, welche die Studie vorschlägt, helfen.

Im Tief- und Negativzinsumfeld wird seit Jahren enorm viel für Alternative Anlagen geworben. Was hält Pensionskassen davon ab, im Rahmen der Richtlinien vermehrt auf diese zu setzen?

Die BVV2-Richtlinien schreiben eine Begrenzung der nichttraditionellen Anlagen auf 15 Prozent vor. Viele Pensionskassen nutzen nur knapp die Hälfte dieses Spielraums. Nichttraditionelle Anlagen gelten als teuer und intransparent.

«Die Pensionskassen-Berater nehmen in der Schweiz eine sehr tragende Rolle ein»

Zudem erfordern diese Anlageklassen zusätzliches Wissen sowie ein erweitertes Liquiditäts- und Risikomanagement. Dies könnten Gründe dafür sein, weshalb Pensionskassen nach wie vor zurückhaltend agieren.

Welche Rolle spielen dabei die Pensionskassen-Berater?

Die Pensionskassen-Berater nehmen in der Schweiz eine sehr tragende Rolle ein. Aber letztlich können auch sie die strategischen Entscheide für die Pensionskassen nicht treffen. Diese Aufgabe obliegt allein den verantwortlichen Gremien innerhalb der Kasse.

Entscheidend für die Anpassung der BVV-Richtlinien ist auch das Parlament. Besetzt es aber auch das Know-how in Investments und der Asset Allocation?

Einzelne Politiker haben in den vergangenen Jahren immer wieder Vorstösse im Zusammenhang mit Themen rund um das Anlageverhalten der beruflichen Vorsorge lanciert.

«In unserem Vorsorgesystem müssten wir eine Leistungsflexibilisierung in Betracht ziehen»

Ausserdem ist das Thema Altersvorsorge aktueller denn je und wurde erst vor kurzem im Parlament diskutiert. Dem dritten Beitragszahler wurde aber bisher überraschenderweise keine Bedeutung beigemessen.

Was sind die notwendigen Schritte, eine neue langfristige Vorsorge-Strategie für die Schweiz aufzugleisen?

Vorerst müsste in unserem Vorsorgesystem eine Leistungsflexibilisierung in Betracht gezogen werden. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann der lange Anlagehorizont, über den die Pensionskassen eigentlich verfügen, auch wirklich zugunsten der Destinatäre genutzt werden. Dann muss das Bewusstsein für die hohe Relevanz der Anlagen in der beruflichen Vorsorge steigen.

«Ich denke, das ist uns gelungen»

Damit steigt der politische Anreiz, Veränderungen aktiv anzugehen. Aber wir sind überzeugt, dass bereits heute durch eine gezielte Beimischung von nichttraditionellen Anlagen erhebliche Verbesserungen zu Gunsten der Destinatäre erzielt werden könnten.

Sie sagen, es brauche ein Umdenken auf allen Stufen, um den Widerstand gegen alternative Anlagen zu lösen. Wie soll dieses Hindernis überwunden werden?

Die Studie hatte zum Ziel, Denkanstösse zu liefern und ein Bewusstsein zu schaffen. Ich denke, das ist uns gelungen. Nun geht es darum, die Politik, die Öffentlichkeit, aber auch Pensionskassen weiter dafür zu sensibilisieren und zu überzeugen. Dafür wollen wir uns ausreichend Zeit nehmen und engagieren uns auch aktiv im Dialog mit allen Parteien.

Welche Rolle können dabei Banken und Asset Manager einnehmen?

Wir können einen aktiven Beitrag zur Lösungsfindung leisten und Vorschläge für ein optimaleres Anlageverhalten von Pensionskassen einbringen. Dazu gehört aber letztlich auch, dass wir geeignete Anlagevehikel bereitstellen und diese in höchster Professionalität bewirtschaften. Dadurch stärken wir auch den Schweizer Asset-Management-Standort.


Iwan Deplazes ist Chef Asset Management bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Er führt damit auch das im Dezember 2014 übernommene Fondsgeschäft von Swisscanto. Deplazes studierte an der Universität Zürich Wirtschaftswissenschaften und besitzt das Diplom für europäische Finanzanalysten und Vermögensverwalter CEFA.

Darüber hinaus ist er Mitglied der Kommission für institutionelle Vermögensverwaltung der Schweizerischen Bankiervereinigung. Die Arbeitsgruppe «Berufliche Vorsorge» publizierte die Studie «Der 3. Beitragszahler der beruflichen Vorsorge: Impulse zur Optimierung».

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