Vontobel-Präsident Herbert Scheidt über die Glaubwürdigkeit der Grossbanken, seine Erwartungen an das Personal, gute Beratung und das Vermächtnis von Hans Vontobel. 


Herr Scheidt, warum haben die Schweizer Grossbanken ein Glaubwürdigkeitsproblem in der Bevölkerung?

Im Grunde genommen scheinen wir zwei Wahrnehmungen zu haben. Studien zeigen, dass die Kunden grosses Vertrauen in ihre eigene Bank und die Beratung haben.

Ein anderes Bild mag sich ergeben, wenn das Image der Finanzbranche abstrakt abgefragt wird. Hier schlagen noch die Ereignisse der jüngsten Finanzmarktkrise durch.

Wann und wie wird dieses Glaubwürdigkeitsproblem verschwinden?

Indem Worte und Taten übereinstimmen. Oder anders ausgedrückt, indem wir im täglichen Kontakt mit unseren Kunden unter Beweis stellen, dass wir genauso agieren, wie wir es auch versprochen haben.

«Was wir gemacht haben, ist vergleichbar einer archäologischen Grabung»

Und in dem Masse, wie wir uns weniger auf den Rückspiegel konzentrieren und wir wieder mehr auf die Zukunft und ihre Chancen schauen. Dann wird sich auch der Blickwinkel auf die gesamte Branche verändern.

Die Bank Vontobel verändert ihr Leitbild. Ist das auch eine Reaktion auf die eingangs erwähnte Wahrnehmung der Bankbranche in der Öffentlichkeit?

Wir verändern nicht unser Leitbild. Was wir, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung im Team mit den Mitarbeitenden, gemacht haben, ist vergleichbar einer archäologischen Grabung: die Freilegung dessen, was uns ausmacht. Wir haben uns nicht neu erfunden.

Vontobel bleibt Vontobel – aber mit schärferen Konturen sowie einer klareren Identität. Und genau diese wird in unserer wettbewerbsintensiven Welt, in der Dienstleistungen und Produkte auf den ersten Blick austauschbarer erscheinen, immer wichtiger.

Sie haben unlängst gesagt: «Die Menschen entscheiden sich für uns nicht mehr nur wegen dem, was wir tun, sondern auch und vor allem, warum und wie wir etwas tun.» Was macht Vontobel denn anders?

Letztlich sind es unsere Mitarbeitenden, die den Unterschied ausmachen. Die Qualität ihrer Serviceleistungen gegenüber ihren Kunden und ihr Anspruch an sich selbst und an die Qualität ihre Arbeit sind entscheidend. Dabei sind wir uns alle darüber bewusst, dass es nicht nur darauf ankommt, was wir machen, sondern vor allen Dingen, wie wir es machen.

Was heisst das für die Beschäftigten?

In jeder Position setzen wir auf Mitarbeitende, die bereit sind, Eigenverantwortung zu übernehmen, und die auch in schwierigen Märkten proaktiv nach Chancen sowie Lösungen suchen. Vontobel zeichnet sich dadurch aus, dass wir mit unseren Kunden nicht jeder Mode hinterherlaufen. Aber wir erkennen Trends frühzeitig und stehen dann auch zu den strategischen Entscheidungen, wenn wir davon überzeugt sind.

«In Zeiten, in denen alles in Bewegung scheint, wird Orientierung immer wichtiger»

Das ist es, was Vontobel, wie ich das Unternehmen seit nunmehr 15 Jahren kenne, auszeichnet. Und genau dies wollen wir in Zukunft noch deutlicher hervorheben und erlebbar machen.

In Ihrem Leitbild sprechen Sie auch von «neuen Überzeugungen», die es heute braucht, um das Bankgeschäft zu betreiben. Was hat sich im Vergleich zu früher geändert?

Gerade in Zeiten, in denen alles in Bewegung scheint, alte, vertraute Strukturen sich auflösen und neue nur ansatzweise erkennbar sind, wird Orientierung und damit Identität immer wichtiger. Kunden wollen heute nicht nur wissen, welche Produkte wir anbieten, sondern wie und warum wir es tun. Hierauf müssen wir Antworten geben, wenn wir dauerhaft erfolgreich sein möchten.

Studien zeigen, dass Unternehmen mit einer klaren «purpose» nicht nur motiviertere und zufriedenere Mitarbeiter haben, sondern auch deutlich stärker wachsen als Unternehmen, die auf die Fragen «Warum?» und «Wie?» keine klaren Antworten bieten.

Was erwartet der Kunde heute von einer guten Beratung?

Der vermögende Kunde erwartet, dass wir ihn und seine Lebenssituation wirklich verstehen und passende Lösungen anbieten. Für sogenanntes «Model T-Banking» nach dem Motto «Sie können einen Ford in jeder Farbe haben – Hauptsache er ist schwarz», ist der Kunde heute nicht mehr zu haben.

«Wir werden nicht eines Morgens aufwachen und Vontobel nicht mehr wiedererkennen»

Internationale vermögende Kunden suchen verstärkt Möglichkeiten für eine regionale Diversifikation. Hierbei spielt der Sicherheitsaspekt eine wichtige Rolle. Je unsicherer das Umfeld wird, umso mehr wird Stabilität ein Wert an sich.

Vor allem erwarten die Kunden heute, dass der Service und die Resultate auch geliefert werden, die versprochen wurden.

Die Bank Vontobel fordert von ihren Mitarbeitern mehr unternehmerische Verantwortung und Eigenverantwortung sowie eine langfristige Perspektive und Beharrlichkeit. Wie sollen die Beschäftigten diese Werte im Alltag umsetzen?

In dem wir unsere Mitarbeitenden auf allen Ebenen befähigen, mehr Verantwortung zu übernehmen und den unternehmerischen Freiraum, den wir geben, inhaltlich auszufüllen. Frei nach Erich Kästner: «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es.» Dafür investieren wir in unsere Mitarbeiter und Unternehmenskultur.

Für September 2017 haben Sie eine «neue und unverwechselbare Vontobel Experience» angekündigt. Was heisst das?

Wir werden im September nicht eines Morgens aufwachen und Vontobel nicht mehr wiedererkennen. Das kann ich versprechen. Wir haben nach mehr als 15 Jahren an den Konturen des visuellen Auftritts gearbeitet. Auch hier entwickeln wir uns auf dem Fundament unserer Historie weiter, brechen nicht mit der Vergangenheit, sondern überführen sie in die Zukunft.

«Hans Vontobel stand für Verantwortung, unternehmerisches Handeln»

Aber um das neue Design geht es im Kern letztlich überhaupt nicht. Der erneuerte Auftritt dient vor allem als Transmissionsriemen. Es geht darum, dass unsere Kunden in der täglichen Zusammenarbeit mit uns erleben, für was wir stehen – nämlich unternehmerisches unabhängiges Denken, Gestaltungswille und Standhaftigkeit.

Über viele Jahre hat der Anfang 2016 verstorbene Ehrenpräsident Hans Vontobel die Bank mit seinen Wertvorstellungen und Überzeugungen geprägt. Ist das neue Leitbild eine Abkehr von diesen Prinzipien?

Nein, im Gegenteil. Es ist eine Fortschreibung und Erneuerung der Prinzipien, die unsere Arbeit seit Jahrzehnten prägt. Hans Vontobel stand für Verantwortung, unternehmerisches Handeln und für Vertrauen in die Möglichkeiten der Zukunft, auch wenn es nicht dem sogenannten Mainstream entsprach, seinem berühmten «Quand même».


Herbert J. Scheidt ist seit 2011 Präsident des Verwaltungsrats der Zürcher Bankengruppe Vontobel. Von 2002 bis 2011 war er deren CEO. Zuvor bekleidete er von 1982 bis 2002 verschiedene Funktionen bei der Deutschen Bank in Deutschland, New York, Mailand und Genf und war ab 1996 sechs Jahre lang Leiter Private Banking International bei der Deutschen Bank mit Sitz in Genf.

Er verfügt über einen Abschluss in Volkswirtschaft von der University of Sussex, U.K., sowie über einen MBA der University of New York, USA. Seit September 2016 ist er überdies Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.34%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.81%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.88%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.3%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.67%
pixel