Unvermutet ist die Basler Bank Sarasin zum Objekt der Begierde auf dem Schweizer Finanzplatz geworden. Es geht um Machtfülle, Altlasten und Partikularinteressen. Die Hintergründe.

Sarasin_Empfang

In den letzten Tagen erhielt der Übernahmepoker um die Bank Sarasin neuen Auftrieb. Wie die «Handelszeitung» berichtete, bekundet die Zürcher Julius-Bär-Gruppe neuerliches Interesse an dem Basler Finanzinstitut, das derzeit vom holländischen Rabo-Konzern kontrolliert wird.

War eine erstmalige Annäherung der Zürcher in den letzten 18 Monaten an sehr optimistischen Preisvorstellungen in den Niederlanden gescheitert, so erhoffte sich das Management nun in einem zweiten Anlauf bessere Chancen. Dies zumal der Konsolidierungsdruck im Schweizer Private Banking die Preise und Bewertungen nochmals deutlich nach unten gedrückt hat.

Darum beauftragte Julius Bär die US-Investmentbank J.P. Morgan, neue Verhandlungen mit Sarasin in die Wege zu leiten.

Belastete Verhandlungen

Diese Gespräche wurden jedoch belastet, als im Verlauf der letzten Wochen bekannt wurde, dass die Julius-Bär-Gruppe wesentlich stärker im Visier der US-Justizbehörden steht als bisher angenommen. Als jüngster Höhepunkt stellte ein US-Bundesstaatsanwalt zu Beginn dieser Woche zwei Julius-Bär-Vertreter in New York unter Anklage, wie auch finews.ch berichtete.

Diese Entwicklung soll die Gespräche mit der Rabobank alles andere als begünstigt haben. Laut eingeweihten Quellen will nämlich die holländische Bank ihre Tochter nicht unbedingt einem Institut veräussern, das offen im Konflikt steht mit der Justiz eines grossen Staates wie den USA.

Best bekannte Persönlichkeit

Diese Wendung rief nun eine weitere Bank auf den Plan – respektive eine bestbekannte Persönlichkeit: Pierin Vincenz, Chef der Schweizer Raiffeisen-Gruppe.

Wie der «Tages-Anzeiger» am Donnerstag meldete, bekundet Raiffeisen nun ebenfalls Interesse an Sarasin. Ein solcher Schulterschluss könnte durchaus Sinn machen, zumal die beiden Institute in komplementären Kundensegment tätig sind: Die Bank Sarasin im Geschäft mit vermögenden Privatkunden ab mindestens 500'000 Franken; Raiffeisen vorwiegend im Klein- und Firmenkunden-Geschäft sowie im Bereich von Hypothekarkrediten.

Ausbau des Bank-Imperiums

Doch es gibt weitere Motive, namentlich bei Pierin Vincenz. Wie in der Branche bekannt ist, bemüht sich der Raiffeisen-Chef schon seit einiger Zeit, sein unauffälliges genossenschaftliches «Bank-Imperium» massgeblich auszubauen. Entsprechende Versuche blieben bislang aber erfolglos.

So bot Raiffeisen bei der Übernahme der AIG Privatbank in Zürich mit, die schliesslich der Falcon-Gruppe aus Abu Dhabi zufiel; und wie Recherchen von finews.ch ergaben, bestanden auch Pläne, die angeschlagene Bank am Bellevue zu übernehmen. Auch da kam es letztlich nicht zu einem Abschluss.

Nun der ganz grosse Coup

Manifest wurde der Wille zur Expansion in Felder jenseits der herkömmlichen Raiffeisen-Palette im September: Da kam heraus, dass Raiffeisen gemeinsam mit dem deutschen Berater Roland Berger 30 Prozent von Dynapartners übernimmt (finews.ch berichtete). Die spezialisierte Zürcher Vermögensverwaltungsfirma war letztes Jahr vom ehemaligen Clariden- und Julius-Bär-Banker Beat Wittmann gegründet worden.

Nun also soll Pierin Vincenz den ganz grossen Coup planen: Der für seine Machtgelüste durchaus bekannte und erfolgsverwöhnte Bündner will sich das Basler Haus Sarasin unter den Nagel reissen. Dabei fragt sich allerdings, wie Vincenz mit seinen Raiffeisenbanken eine solche Transaktion stemmen könnte.

Zusätzliches Konfliktfeld

Die Eigenmitteldecke der Gruppe ist bereits dünn, und angesichts der eher ungewissen Situation im Hypothekarmarkt – dem Kerngeschäft der Raiffeisen-Institute – müssten derlei «Extravaganzen» sehr gut überlegt sein.

Wie der «Tages-Anzeiger» am Freitag meldet, soll sich Raiffeisen mit der Firma H.I.G. Private Equity verbundet haben, um einen allfälligen Deal zu realisieren. Dabei handelt es sich um eine britische Tochtergesellschaft von H.I.G. Capital, einem Unternehmen, das über rund 8,5 Milliarden Dollar an Kapital verfügt.

Obendrein könnte sich ein weiteres Konfliktfeld ergeben: Raiffeisen ist mit 12,5 Prozent an der Bank Vontobel beteiligt – und Pierin Vincenz sitzt im Verwaltungsrat der Zürcher Traditionsbank. Zwischen den beiden Instituten besteht eine enge und erfolgreiche Kooperation vornehmlich im Produktevertrieb.

Konkurrenz für die Bären

Da aber die Bank Vontobel – namentlich der Familienpool Vontobel – an einer Erhöhung des Raiffeisen-Anteils noch nie interessiert war, muss Vincenz allfällige Ausweitungspläne hier beschränken.

Fazit der ganzen Auslegeordnung: Die «Bären» haben im Bieterkampf um Sarasin Konkurrenz erhalten – und Pierin Vinzenz bekommt eine Rolle, die an einen Weissen Ritter erinnert.

Junge Crew mischt das Swiss Banking auf

Tatsächlich soll Raiffeisen beim Top-Management von Sarasin auf grosse Akzeptanz stossen, insbesondere bei CEO Joachim Strähle, der sich wohl eher eine Zusammenarbeit mit dem bündnerischen Raiffeisen-Chef vorstellen könnte als mit dem quirligen Bär-CEO und Shooting-Star Boris F.C. Collardi, den er aus der gemeinsamen Zeit bei der Credit Suisse her kennt. Allerdings war der junge Collardi damals noch in einer subalternen Funktion tätig.

Inzwischen aber hat sich Collardi zum erfolgreichen Bank-CEO gemausert, der mit seiner vergleichsweise jungen Crew das Swiss Banking tüchtig aufmischt. Vor diesem Hintergrund dürfte es Strähle eher schwer fallen, sich bei einem Schulterschluss in die Pole-Position zu bringen.

Was geschieht mit Vontobel-Kooperation?

Kommt hinzu, dass die Privatbank Julius Bär wegen ihrer strukturellen Nähe zur Basler Privatbank wohl geneigt wäre, zur Ausnutzung von Synergien Sarasin-Standorte zu schliessen und Sarasin-Kaderleute zu entlassen – deutlich stärker als das thematisch völlig anders gelagerte Haus Raiffeisen.

Sollte Vincenz mit Raiffeisen tatsächlich zum Handschlag mit Sarasin kommen, wäre andererseits die Kooperation mit Vontobel dahin. Das ist nicht unerheblich, zumal diese Zusammenarbeit erkleckliche Mehrerträge generiert.

Zugespitzte Situation

Interessant ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Frage, ob Vincenz sein Vorpreschen in Sachen Sarasin mit dem Verwaltungsrat von Vontobel abgestimmt hat. Die Zürcher Bank beruft sich auf den unlängst erneuerten Kooperationsvertrag und lässt verlauten, dass sich daran nichts geändert habe und man weiterhin davon ausgehe, dass er eingehalten werde.

Damit ist eindeutig klar, dass sich die Situation in den letzten Tagen erheblich zugespitzt hat. Auch deshalb gelangen nun von allen Seiten neue, angeblich vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit.

Unter Zeitdruck

Doch die Zeit drängt. Publik gewordene Verhandlungen über eine Banktransaktion dieser Dimension können nicht wochenlang hingezogen werden. Je länger aber der Poker andauert, desto schwieriger wird es für die Beteiligten, eine gute Lösung zu finden.

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