Das Ja zur «Abzocker-Initiative» wird einiges verändern. Was, das sagt der erfahrene Investmentbanker Ronald Sauser im exklusiven Interview mit finews.ch.

sauser_ronald

Herr Sauser, das Schweizer Volk hat der «Abzocker»-Initiative von Thomas Minder mit klarem Mehr zugestimmt. Schadet oder nützt das dem Bankenplatz Schweiz?

Das Stimmvolk hat sich mit der Annahme der «Minder-Initiative» nicht gegen den Schweizer Finanzplatz gestellt, sondern lediglich ein klares Zeichen gesetzt gegen die leider aufgetretenen, wenigen, aber entsprechend publizitätsträchtigen Missbräuche. Es ist zu hoffen, dass nun die Umsetzung der Initiative zum gewollten Mitspracherecht der Aktionäre führt, gleichzeitig aber unsere Konkurrenzfähigkeit im europäischen aber auch internationalen Vergleich nicht grundlegend gefährdet.

Wie hoch stufen Sie diese Gefahr ein?

Da anderenorts ja ähnliche oder zum Teil deutlich restriktivere Massnahmen diskutiert oder wie im Falle der EU sogar eingeführt werden, glaube ich nicht, dass eine vernünftige Umsetzung der Initiative zu einem Schaden für den Finanzplatz führen wird.


«Leider war nicht alles durchdacht»


Könnte aus dem Abstimmungsresultat für die Schweiz gar ein Vorteil resultieren?

Ob uns daraus längerfristig ein Vorteil entsteht, ist aus heutiger Sicht schwierig zu beurteilen und hängt davon ab, wie andernorts in diesen Fragen verfahren wird. Was wirklich ein Problem darstellt, sind die vorgesehenen Straftatbestimmungen im Initiativtext. Das war meines Erachtens von den Initianten nicht wirklich durchdacht.

Eine Folge der Annahme könnte sein, dass etliche gutbezahlte Manager der Schweiz den Rücken kehren.

Die Initiative sieht ja keine Deckelung der Vergütung vor, sondern verlangt lediglich eine Zustimmung der Aktionäre. Bei fast allen kotierten Gesellschaften sind institutionelle Gruppen die gewichtigsten Aktionäre, die in der Regel mit hohen Salären weniger Probleme haben, sofern diese Gehälter gerechtfertigt sind und dem Branchenstandard entsprechen. So besehen kann ich mir nicht vorstellen, dass sich etwas Wesentliches ändert.


«Die Transparenz könnte zu Hemmungen führen»


Wirklich keine nennenswerte Auswirkungen?

Die Tatsache, dass das Stimmverhalten transparent wird, könnte bei rein national tätigen Institutionellen zu gewissen Hemmungen führen, an und für sich gerechtfertigte, aber hohe Saläre zu sanktionieren. Dass keine Abgangsentschädigungen oder ähnliches mehr bezahlt werden können, sehe ich als keinen Hinderungsgrund für einen Top-Shot anzuheuern, da solche Entschädigungen doch immer wie mehr auch ausserhalb der Schweiz verpönt sind.

Im Zusammenhang mit der emotional geführten Debatte war stets nur von den Millionen-Boni einiger Dutzend Manager die Rede, nie aber von deren Leistung. Lässt sich Leistung einzelner Manager überhaupt messen?

Eine Firma einer gewissen Grösse lebt nie allein von den Fähigkeiten einiger weniger Top-Manager. Wäre Daniel Vasella vor fünf Jahren beim Harley-Davidson-Fahren verunglückt, würde Novartis heute wohl ähnlich gut oder schlecht dastehen.

Grundsätzlich sind es aber meistens schon die «Kapitäne», die den Gesamterfolg ihrer Unternehmen schwergewichtig beeinflussen. Natürlich ist es schwierig, diese Leistung im Detail zu messen. Aber es gibt schon Kriterien, die hier wichtige Erkenntnisse liefern. Neben dem Aktienkurs ist es sicher der Vergleich mit den «Peers» und vor allem die Ablieferung nachhaltiger Resultate über einen längeren Zeitraum.


«Grossanleger haben weniger Mühe mit den Löhnen»


Es macht aber schon einen Unterschied, ob ein Ernst Tanner bei Lindt & Sprüngli seit über zwölf Jahren den Gewinn kontinuierlich zweistellig erhöhen kann, oder ob irgendein Bank-CEO mit einer spekulativen Unternehmensführung und/oder einer nicht nachhaltigen Personalreduktion in einem Jahr einen Riesengewinn und einen entsprechenden Bonus für sich einfährt und im nächsten Jahr grosse Verluste produziert und immer noch einen beträchtlichen Bonus erhält und sogar seinen Job behält.

Gibt es eine plausible Erklärung, weshalb die Aktionäre nicht schon lange dem Boni-Treiben einen Riegel geschoben haben?

In der Tat ist es so, dass die grossen institutionellen Investoren mit hohen Boni, die auf der Basis entsprechender Resultate, von denen sie selber ja auch profitieren, im Rahmen der Vergleichbarkeit bei ähnlichen Unternehmen weniger Probleme haben. Andererseits konnten solche hohen Boni meistens mit der so genannten Notwendigkeit konkurrenzfähig bleiben zu müssen, begründet werden. Sollten die weltweit geführten Diskussionen über exorbitante Gesamtvergütungen international zu Anpassungen führen, wird das sicher auch in der Schweiz ihren Niederschlag finden.


«Übergewinne gehören der Vergangenheit an»


Im Zusammenhang mit der von der EU beschlossenen Boni-Deckelung für Banker ist von Revolution die Rede. Teilen Sie diese Meinung?

Nein, das Ganze scheint mir sehr populistisch und nicht wirklich durchdacht zu sein. Was die EU offensichtlich vollkommen ausser Acht gelassen hat ist die Tatsache, dass die «Übergewinne» von früher inzwischen der Vergangenheit angehören und sich die Bezahlung von Bankern so oder so den Gepflogenheiten bei anderen erfolgreichen Branchen angleichen wird. Was jetzt wahrscheinlich passieren wird, ist eine massive Erhöhung der Fixgehälter, was nicht wirklich im Interesse aller Stakeholder dieser Unternehmen sein kann.

Wenn es tatsächlich zu einer massiven Erhöhung der Fixgehälter kommen würde, müsste im Zusammenhang mit der «Abzocker-Initiative» von einem Schattenboxen gesprochen werden!

Nochmals, die Minder-Initiative sieht keine explizite Beschränkung der Boni vor, sondern lässt sie nur von den Aktionären überprüfen. Dass dies zu einer gewissen Zurückhaltung beim Ausmass der Boni führen könnte, ist von Thomas Minder ja gewollt und könnte tatsächlich auch passieren.


«Die Leistung der Stars relativiert sich»


Sind die Aktionäre nun die Sieger oder die Verlierer?

Dass da manch ein Top-Manager bei seinen Salärverhandlungen auf ein höheres Fixum pochen dürfte, ist nicht von der Hand zu weisen und muss dann von den Gremien, welche die Saläre dieser Leute festlegen, entsprechend gewürdigt werden. Grundsätzlich wird dies tendenziell sicher zu einer Erhöhung der nicht bonusrelevanten Bezahlung führen, was nicht wirklich im Interesse der Aktionäre ist. Aber eben – man kann nicht alles haben.

Wie liesse sich das wahre Unternehmertum verstärkt in die Finanzbranche einbringen, damit die weit verbreitete Selbstbedienungsmentalität der Investmentbanker verschwinden würde?

Die meisten Investmentbanker, die ins Kreuzfeuer der Kritik gelangten und exorbitante Bonis bezogen, konnten die von ihnen als Bonusgrundlage erzielten Gewinne ja meistens nur dank dem Balance Sheet ihres Arbeitgebers erzielen. Würde man dies entsprechend berücksichtigen, würde sich die Leistung dieser «Stars» doch entsprechend relativieren und zu anderen Bezahlungsmodellen führen. Fairerweise muss man sagen, dass die meisten der neuen Bonusmodelle, insbesondere auch bei unseren beiden Grossbanken, genau diesen Aspekt verinnerlichen und wirkliche  «Unternehmeranreize» schaffen.


«Offen ist, was mit den Hedge Funds geschieht»


Wie muss sich ein Investmentbanker verhalten, damit er den Respekt seiner Kunden und der Öffentlichkeit aufrecht- oder zurückerhält?

Das tun, was jede gute Spitzenkraft in seinem Unternehmen tun sollte: Seinen Kunden und damit seinem Unternehmen dauerhaft den Erfolg sichern. Wer hier nachhaltig Überdurchschnittliches leistet, soll auch überdurchschnittlich verdienen. Hier wurde leider von vielen so genannten Investmentbankern Schindluderei betrieben. Aber ich glaube, wir sehen hier eine klare Wendung zum Besseren und die neuen Bonusregeln bei den Banken leisten das Ihrige dazu.

Eine offene Frage ist, was in der nicht regulierten Finanzindustrie passiert, insbesondere bei den Hedge Funds und sehr beschränkt im Private-Equity-Bereich. Es könnte schon sein, dass talentierte Leute, die sich den neuen Regimes nicht unterwerfen wollen, hier bessere Chancen wittern, weiterhin sehr kurzfristig zu entsprechenden Bezügen zu kommen.

Bei Ihrem Arbeiter, der Bank Leonardo, soll niemand mehr als 200'000 Franken fix verdienen. Hinzu kommt allerdings der Bonus. Wie berechnen Sie diesen, und wie hoch ist er in einem guten und in einem durchschnittlichen Jahr?

Es ist richtig, dass bei uns alle Managing Directors sehr niedrige Fixsaläre beziehen, aber dafür überdurchschnittlich am Erfolg des Unternehmens partizipieren. Das gibt in der Summe eine Gesamthonorierung, die unternehmerisch ist, und die es möglich machte, dass uns alle Mitglieder des Kernteams seit 1999 treu geblieben sind, was in unserer Branche doch sehr ungewöhnlich ist.


Ronald «Roni» Sauser, gebürtiger Solothurner, ist 58-jährig. Seine beruflichen Stationen führten ihn zur Credit Suisse, danach zur UBS. Es folgten Tätigkeiten bei Arthur Andersen, Ernst & Young und der Privatbank Sal. Oppenheim. Das von ihm geleitete Team von Investmentbankern, das Unternehmen berät, baute er Ende der neunziger Jahre auf. Es ist seither zusammen geblieben.  

Seit Mai 2011 arbeitet Ronald Sausers Mannschaft selbständig unter dem Dach des Bankhauses Leonardo & Co. Spezialität seines Teams ist, Kunden zu helfen, Firmen zu kaufen oder zu verkaufen und den Kunden das dazu nötige Kapital zu beschaffen. Das können Bankkredite sein, Mezzanine-Kapital, hybride Kredite oder Anleihen.

 

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.66%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.5%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.25%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.15%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.44%
pixel