Die Erblasser und Erben müssen lernen, mit digitalen Daten im Nachlass umzugehen, findet Hans Rainer Künzle, Partner bei Kendris. Das sind die Fallstricke. 

Hans Rainer KünzleHans Rainer Künzle ist Titularprofessor an der Universität Zürich und Partner bei der Firma Kendris

Nach dem Tod des Erblassers müssen sich die Erben mit der Frage auseinandersetzen, wie sie mit Internet-Konten umgehen.

Ein Blick auf Google

Google stellt in der Schweiz seit April 2013 mit dem Service «Inactive Account Manager» Regeln zur Verfügung, wie nach Beendigung der Aktivitäten auf einem Konto weiter verfahren werden kann. Der Benutzer kann in den Kontoeinstellungen festlegen, was nach seinem Ableben geschehen soll.

Nach einer Phase der Inaktivität von (wahlweise) 3, 6, 9 oder 12 Monaten erhält der Benutzer eine SMS. Wenn er darauf nicht reagiert, nimmt Google an, er sei verstorben und löst eine der beiden folgenden Reaktionen aus: Entweder werden die Daten gelöscht oder dann erhalten bis zu 10 Personen Zugangsdaten.

Mit Testamentsfunktion

Die betroffenen Personen werden zunächst mittels einer SMS benachrichtigt. Dieses Vorgehen kann angewendet werden beim Mail-Dienst «Gmail», beim Cloud-Speicher «Google Drive», beim Foto-Service «Picasa», beim Online-Netzwerk «Google Plus» und bei der Videoplattform «YouTube».

Da diese Lösungen einen ähnlichen Zweck verfolgen wie das Testament bezüglich des Vermögens, spricht man auch von «Testamentsfunktion». Von einer solchen Lösung profitieren nicht nur die Benutzer, sondern auch Google selbst: Nutzlose Daten können entrümpelt (und so Speicherplatz gespart) werden und Google erhält gratis die Angaben von nahen Angehörigen seiner Kunden.

Facebook

Bei Facebook besteht das primäre Bedürfnis der Erben darin, das Profil des Erblassers zu entfernen. Dies kann von nachweisbar berechtigten Erben verlangt werden, die Daten bleiben für die Erben aber unzugänglich.

Auf Facebook gibt es sodann die Möglichkeit, die Seite des Erblassers im Erinnerungsstatus als eine Art digitales Denkmal (Grab) weiterlaufen zu lassen. Freunde können auf dieser Seite Beileidsbezeugungen hinterlassen.

Veränderungen sind aber nicht mehr möglich und der verstorbene Nutzer wird nicht mehr als potenzieller Freund in automatischen Vorschlägen für seine Bekannten aufgeführt.

Twitter

Eine letzte Twitter- (oder Facebook-)Nachricht kann auch nach dem Tod noch versandt werden und zwar mit dem Dienst «Deadsocial». Die Terminierung sieht einen Zeitpunkt vor, der bis zu 400 Jahre in die Zukunft reicht.

Dabei stellt sich natürlich schon die Frage, ob dies in jedem Fall noch sinnvoll sei. Es empfiehlt sich jedenfalls, die Betroffenen vorzuwarnen, dass postmortal noch eine «Nachricht aus dem Grab» versandt werden wird.

Twitter stellt den Erben das komplette Archiv zur Verfügung. Zuvor werden allerdings umfangreiche Abklärungen über die Berechtigung der Erben durchgeführt.

Yahoo

Bei Yahoo erhalten die Erben in den USA keinen Zugang zu den Mails des Erblassers und zwar aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen. Die Erben, welche sich ausweisen können, haben nur die Möglichkeit, die Daten löschen zu lassen.

In anderen Ländern hat Yahoo die Regeln allerdings gelockert und ermöglicht eine Übertragung an die Erben. Die Löschung der Daten wird immer dann automatisch ausgelöst, wenn ein Konto während 90 Tagen nicht benützt wird.

GMX

Bei GMX sind Konten grundsätzlich vererbbar, indem ein Einmalpasswort an die Erben vergeben wird. Diese können dann selbst entscheiden, ob sie das Postfach weiterführen oder nicht.

Verwaltung von Zugangsdaten / persönlichen Daten

Weil die Verwaltung einer Vielzahl von Zugangsdaten immer komplizierter wird und nach ständiger Aktualisierung verlangt, genügt das Hinterlegen von Zugangsdaten beim Notar oder im Banktresor nicht mehr.

Im Laufe der Zeit sind besondere Dienste entstanden, bei welchen Zugangsdaten für den Todesfall hinterlegt werden können. Die Erben können sich selbst einloggen und alles Nötige veranlassen. Allerdings besteht die Gefahr, dass mit einem solchen Vorgehen Persönlichkeits- oder Vermögensrechte verletzt werden (ein Erbe kann zum Beispiel mit dem Electronic Banking ein Konto zu seinen Gunsten abräumen).

Verschiedene Anbieter arbeiten deshalb mit Profilen und vergleichen das Verhalten der Nutzer ständig mit dem Profil des Erblassers (welches sein gewöhnliches Verhalten widerspiegelt) und schliessen das Konto, wenn sie ungewöhnliche Nutzungen feststellen.

Was für Angebote?

The Digital Beyond führt eine lange Liste von 40 Diensten an, von denen die meisten ab 2008 gegründet wurden.

SecureSafe bietet einen Passwort-Manager an. Dort können vertrauliche Daten (wie Arbeitsverträge, Diplome und Zeugnisse, Steuerbelege, Depotauszüge, Impfschein, Führerausweis, Pass und ID), aber auch Zugangsdaten (wie Passwörter, der PIN-Code der Bankkarte oder der PUK des Mobile Phone) kostenlos abgespeichert und wieder abgerufen werden. Diese Daten können auch «vererbt» werden.

Der Kunde erhält einen Aktivierungs-Code, welchen er einem Begünstigten übergeben kann. Mit diesem Code kann der Begünstigte ein Aktivierungsverfahren auslösen. Als erstes erhält der Kunde dann eine Nachricht und kann diesen Prozess aufhalten. Mit diesem Verfahren kann nicht nur der Tod, sondern auch der Fall der Handlungsunfähigkeit abgedeckt werden.

Der Kunde ist allerdings selbst dafür verantwortlich, dass die Angaben über die Begünstigten ständig auf aktuellem Stand gehalten werden.

Grosse Skepsis

Die Skepsis vor solchen Diensten ist noch gross. So empfiehlt etwa Bitkom (der deutsche Hightech-Verband), solche Dienste genau zu prüfen und im Zweifel die Daten besser einem Notar anzuvertrauen.

Statt Angehörigen oder Erben kann man Daten auch einem Willensvollstrecker übergeben. Damit kann man möglicherweise einen Streit unter den Erben verhindern. Eine Art digitale Willensvollstreckung wird von Diensten wie Ziggur.me übernommen, welche Kooperationen mit grossen Internet-Anbietern pflegen und auf diese Weise die Wünsche des Erblassers bezüglich seiner digitalen Daten umsetzen können.

Andere Dienstleister, wie SecureSafe, bieten diesen Dienst aber bewusst nicht an, sondern überlassen die Willensvollstreckung Vertrauenspersonen des Erblassers.

Was kosten diese Dienstleistungen?

Einstiegsangebote werden von verschiedenen Dienstleistern (wie SecureSafe oder Ziggur.me) gratis angeboten. Das Premium-Angebot von SecureSafe kostet bis zu 12 Franken im Monat (Stand: Mai 2013).

Digitales Andenken

Es gibt verschiedene «Online-Memorial-Dienste», welche es den Angehörigen ermöglichen, auf dem Internet eine Gedenkstätte einzurichten (den digitalen Grabstein).

Virtual Eternity macht es möglich, die eigene Persönlichkeit, nämlich Aussehen, Stimme und Lebenserfahrungen wiederzugeben.

Lifenaut ermöglicht es, Informationen (Fotos, Dokumente etc.) bis hin zur tiefgefrorenen DNA-Probe zu hinterlegen. 1000memories offeriert eine «digitale Schuhschachtel», um nicht digitale Fotos aufzubewahren.

Chronicle of Life bietet unter anderem die Führung eines Tagebuches an.

Legacy Organiser bietet unter anderem Abschiedsbotschaften und Nachlassplanung als Funktionen an.

Digitales Testament?

Entgegen der in den Medien verwendeten Bezeichnung hat der Umgang mit digitalen Daten nach dem Tod des Benützers nichts mit einem echten «digitalen Testament» zu tun. Ein solches liegt vor, wenn die letztwillige Verfügung in elektronischer Form verfasst werden kann.

In der Schweiz verhindert der gegenwärtig gültige Art. 505 ZGB, welcher nur die eigenhändige oder notariell beurkundete Form vorsieht (neben der zu vernachlässigenden mündlichen Verfügung), die digitale Form der letztwilligen Verfügung.

Nicht ohne Gefahren

Die oben beschriebenen Angebote drängen allerdings nach neuen Lösungen und es fragt sich, ob für das Verfassen des Testaments nicht auch modernere Formen geeignet seien. Nachdem Verfahren für sichere Mails und eine sichere Unterschrift (Digital Signature) entwickelt wurden, dürfte der Schritt zum sicheren digitalen Testament auch nicht mehr allzu weit entfernt sein.
Erbstreitigkeiten

Die oben beschriebenen Lösungen der Internet-Betreiber sind nicht ohne Gefahren: Wie steht es, wenn die vom Provider angegangenen Personen mit den Erben nicht identisch sind, wenn zum Beispiel jemand wertvolle Daten per SMS einem Dritten (nicht verwandten Freund) zuhält, während die (pflichtteilsgeschützten) Erben leer ausgehen?

Auseinandersetzungen zu erwarten

Hier tun sich neue «Abgründe» auf und Erbstreitigkeiten einer neuen Art, aber auch Auseinandersetzungen mit Providern, sind programmiert.

In den USA sorgte bereits 2005 der Streit der Familie eines getöteten US-Soldaten mit Yahoo, welche den Erben den Zugang zum E-Mail verweigerte, für Aufsehen: Als der Vater von L/Cpl Justin Ellsworth, der im Irak-Krieg ums Leben kam, die E-Mails seines Sohnes als Erinnerung aufbewahren wollte und von Yahoo heraus verlangte, kam es zum Streit, der auch in den Medien ausgetragen wurde.

Entwicklung geht weiter

Die seit 2008 zu beobachtende Welle von neuen Diensten, welche sich um die Übertragung von digitalen Daten auf die Erben kümmern, ist sicher auch eine Antwort auf diese Auseinandersetzung. Man darf gespannt sein, wie sich diese Dienste weiter entwickeln.

Es ist zu hoffen, dass sie sich noch vermehrt um die Einbindung und Einhaltung des Erbrechts kümmern.


Dieser Beitrag ist auch erschienen in «Private – das Geld-Magazin 03/2013» 

 

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