Der Rahmen für die Bereinigung der US-Geschäfte steht – aber was kommt nun konkret auf die Banken zu? Stephan Welti befasste sich als oberster Jurist der Bank Wegelin drei Jahre lang mit dem Thema.


Stephan Welti WSP HochStephan Welti war ab 2009 bei der Bank Wegelin tätig und als General Counsel sowie Mitglied der Geschäftsleitung für den Abschluss des US-Verfahrens mitverantwortlich. Heute arbeitet er für die Wegelin-Nachfolgefirma Wen AG, und er ist Gründer der WSP AG; diese hat sich auf Beratung von Banken im US-Steuerstreit spezialisiert.


Herr Welti, im Programm zur Bereinigung des US-Geschäft können sich die Banken in mehrere Kategorien einordnen. Wie sollen sie diese Entscheidung treffen?

Da die Teilnahme am US-Programm allen Banken offen steht, muss jede Bank entscheiden, ob sie am US-Programm teilnimmt und, falls ja, welche Kategorie sie anstrebt. Dem Entscheid muss eine detaillierte Analyse sämtlicher Fakten und eine genaue Risikoabschätzung zu Grunde liegen – dabei sieht sich die Bank mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Grundlage für alles ist mit Sicherheit die Identifikation der US-Kunden und des US-Geschäfts: Wieviele US-Kunden hatte die Bank, und wieviele hat sie heute? Wann hat sie diese Kunden aufgenommen, und wie wurden diese betreut?

Was muss eine Bank da als erstes herausfinden?

In einem ersten Schritt sind sämtliche Kunden auf einen US-Bezug zu identifizieren. Dabei stellt sich auch die Frage, welche Kriterien für eine US-Person beziehungsweise ein «US account» oder «US related account» massgebend sind. Nach dieser Identifikation ist eine rechtliche Würdigung der vorliegenden Fakten vorzunehmen. Bereits der Aufwand der Identifikation der US-Kunden und des US-Geschäfts kann enorm aufwändig sein und hängt vom Umfang und der Qualität der Daten ab.

Wie geht das ganz konkret: Wie finde ich sicher alle US-Kunden heraus?

Die offensichtlichen Kriterien wie Domizil und Nationalität USA sind bereits im Bankensystem erfasst. Bekanntlich besteht gerade bei Doppelbürgern die Gefahr, dass der US-Pass verschwiegen wird. Auch ist man von falschen Angaben der Kunden nicht gefeit. Ein möglicher US-Bezug kann anhand von verschiedenen Kriterien eruiert werden: So ist  in manchen Ländern der Geburtsort im Pass aufgeführt. Ort und die Behörde der Ausstellung sowie ein Visum im Pass sind weitere Hinweise. Auch die Versandadresse oder eine Telefonnummer mit der Vorwahl +1 für die USA. Gewisse Wechsel in der Historie der Bankbeziehung, beispielsweise beim wirtschaftlich Berechtigten, können ebenfalls herangezogen werden. In Korrespondenz und Gesprächsnotizen können ebenfalls Hinweise gefunden werden. 

«Auch in Gesprächsnotizen können sich Hinweise finden»

Es gibt unzählige Beispiele für Indizien auf einen möglichen US-Bezug, auf welche die Bankunterlagen zu überprüfen sind, wohl auch forensisch. Fatca erfordert bekanntlich auch eine elektronische und, falls notwendig, physische Überprüfung der Beziehungen.

All das tönt nach viel Arbeit und hohen Kosten.

In der Tat. Die Banken sollten sogenannte «Internal Investigations» durchführen. Diese werden aus Gründen der Governance üblicherweise im Beizug von externen Stellen gemacht. Zudem haben sich durch die bereits früher betroffenen Banken gewisse Standards festgesetzt. Die Kosten sind abhängig vom IT-System und den bereits digitalisiert vorliegenden Daten. Zusätzlich zur Datenaufbereitung stellen sich bei der Analyse und dem weiteren Vorgehen diverse juristische und strategische Fragen. Die Gesamtkosten werden beachtlich sein.

Lässt sich da auch sparen?

Ich würde eher von Schadensbegrenzung sprechen. Durch ein sinnvoll aufgesetztes und umfassendes Projektmanagement mit zielgerichteten Arbeiten können diese Kosten einigermassen im Griff gehalten werden, und man kann sogar entscheidende Erkenntnisse gewinnen. Die zusätzlichen Bussen bei der Kategorie 2 sind bekannt.

«Es ist ein Risiko, wenn die interne Informations-Beschaffung unvollständig bleibt»

Bei der Kategorie 3 fällt zwar keine Busse an, die Kosten der verlangten Bestätigungen durch einen unabhängigen Dritten werden aber auch zu Buche schlagen. Unabhängig davon stellen sich auch Fragen der Opportunitätskosten.

Wie geht man die Sache an, wenn man sehr kostenbewusst sein will?

Den US-Behörden stehen aus dem Selbstanzeigeprogramm für US-Steuerpflichtige (rund 30'000 Fälle) und den sogenannten «Leaver-Listen» bereits umfangreiche Informationen zu Steuerdelikten von US-Personen zur Verfügung, also auch zu deren Bankverbindungen. Im Rahmen des Selbstanzeigeprogramms wurden zusätzlich zur eigentlichen Beziehung als Exkulpationsbeweis der Steuerflüchtigen auch weitere Informationen und Unterlagen offengelegt, etwa E-Mail-Korrespondenz. Hier sehe ich ein Risiko, falls die interne Informationsbeschaffung und -aufbereitung unvollständig gemacht wird. Nicht ausser Acht gelassen werden darf, dass bei unkorrekten, unvollständigen oder irreführenden Angeben sowie bei Verletzung der Verpflichtungen gegenüber dem Department of Justice dieses von sich aus entscheiden kann, doch noch ein Strafverfahren gegen die Bank einzuleiten. Insofern erachte ich gewisse Abklärungen und somit Kosten als unumgänglich.

Wir haben hier den Chef einer kleinen Sparkasse im Berner Oberland – und da den Chef einer Privatbank, die recht offenherzig Kunden aus aller Herren Länder begrüsste. Wo sehen Sie den Hauptunterschied?

In einer erste Evaluationsphase gibt es keine Unterschiede. Beide Banken müssen Ihre Hausaufgaben machen, namentlich Ihren Kundenstamm auf US-Beziehungen durchsuchen und diese analysieren. Dabei handelt es sich um eine sorgfältige Vorprüfung. Die Prüfungstiefe, die Mittel sowie das Vorgehen und die damit betrauten Personen müssen die Banken jedoch individuell festlegen. Die bereits vorgenommen Abklärungen und die Grösse der Bank spielt wohl auch eine Rolle. Die bei dieser Untersuchung gemachten Erkenntnisse dienen der Beurteilung, welcher der Kriterien eine Bank entspricht. Sodann muss jede einzelne Bank über die Teilnahme am US-Programm entscheiden.

Welche Fragen stellen sich noch – abgesehen von der Aufarbeitung der Beziehungen zu US-Kunden und der Einschätzung, in welche Kategorie man gehört?

Der Zeitrahmen ist sehr eng gesteckt. So muss sich eine Bank der Kategorie 2 bis zum 31. Dezember 2013 entscheiden, ob sie am US-Programm teilnimmt oder nicht. Für einen fundierten Entscheid sind eben die internen Abklärungen notwendig. Zusätzlich zur Erarbeitung der Entscheidungsgrundlage in diesem knappen Zeitrahmen und dem teilweise sehr grossen Umfang sind die Risiken und möglichen Konsequenzen einer Teilnahme oder Nichtteilnahme abzuwägen. Diese sind bankbezogen und faktenspezifisch. Neben juristischen greifen wohl auch taktische, ökonomische oder politische Überlegungen.

Wer entscheidet, in welche Kategorie die Bank eingeordnet wird? Wer trägt die Verantwortung?

Der Entscheid zur Teilnahme am US-Programm obliegt den einzelnen Banken. Innerhalb der Bank ist die Geschäftsleitung beziehungsweise der Verwaltungsrat verantwortlich. Der Entscheid soll auf fundierter Grundlage, nach vertiefter Analyse und Abwägung sämtlicher Risiken und Konsequenzen erfolgen.

«Der Antrag der Geschäftsleitung sollte kritisch hinterfragt werden.»

Dem Verwaltungsrat sei geraten, die Geschäftsleitung mit der vertieften Analyse der Sach- und Rechtslage zu beauftragen. Dann soll die Geschäftsleitung einen begründeten Antrag stellen, der kritisch zu hinterfragen ist. Durch die gebotene Sorgfalt lassen sich die involvierten Personen und Gremien sowie auch die ganze Bank bestmöglich schützen.

Was passiert, wenn eine Bank nach US-Ansicht falsch entscheidet und in eine höhere, also kritischere, Kategorie gehört?

Das Department of Justice kann von sich aus entscheiden, doch noch ein Strafverfahren gegen eine Bank zu eröffnen, etwa bei unkorrekten, unvollständigen oder irreführenden Angaben oder bei Verletzung der Verpflichtungen gegenüber US-Behörden. In diesem Zusammenhang hat auch die Finma entsprechende Hinweise gemacht. Zudem dürfen die (späteren) Aufgaben und Verpflichtungen aus Fatca nicht ausser Acht gelassen werden. Im dem Spannungsfeld US-Programm – Fatca – Finma besteht bei fehlerhafter Entscheidung der Teilnahme am US-Programm ein asymmetrischer Sanktionsmechanismus.

Was ist die Rolle der Finma? Was verlangt sie in diesem Prozess?

Mit dem Positionspapier zu den Risiken im grenzüberschreitenden Geschäft aus dem Jahre 2010 hat die Finma bereits festgehalten, dass die Verletzung ausländischen Rechts gegen bestimmte – offen formulierte – Aufsichtsnormen verstossen kann. Das grenzüberschreitende Geschäft sei einer vertieften Analyse zu unterziehen und geeignete Massnahmen zu treffen.

«Die Finma will, dass die Banken die Reputationsrisiken einkalkulieren»

Mit der jüngsten Mitteilung Nr. 50 zur Bereinigung des Steuerstreits mit den USA erwartet die Finma, dass sich alle Banken detailliert mit der Thematik auseinandersetzen und einen informierten Entscheid über eine Teilnahme fällen. Die mit einer Nichtteilnahme drohenden Rechts- und Reputationsrisiken sind angemessen zu erfassen und in den Entscheid miteinzubeziehen. Der Entscheidungsprozess ist zu dokumentieren. Zudem haben die am US-Programm teilnehmenden Banken die entsprechenden Vorgaben einzuhalten und sorgfältig umzusetzen. Insbesondere sind den US-Behörden keine falschen, unvollständigen oder irreführenden Informationen oder Beweise zu übermitteln.

Das ist etwas allgemein formuliert. Bestehen auch konkrete Erwartungen?

Die Finma wird in Bezug auf das US-Geschäft und die Teilnahme am US-Programm Informationen von den Banken erheben, welche Aufsichtszwecken dienen. Zudem erwartet sie, dass die Banken ihr bis Anfang Dezember mitteilen, für welche Kategorie sie sich voraussichtlich anmelden werden Zudem ist die Finma im weiteren Verlauf des Programms über die wesentlichen Schritte des Department of Justice gegenüber der Bank zu informieren. Die Finma hält dennoch fest, dass sie nicht die Überwacherin des US-Programms ist.

Was denken Sie: Wann wird die letzte Schweizer Bank ihr Problem im Zusammenhang mit dem US-Steuerstreit bereinigt haben?

Je nach Kategorie gibt es verschiedene Fristen, welche teilweise noch erstreckbar sind. Die Fristen betreffen sowohl Handlungen der Schweizer Banken als auch teilweise diejenigen des US-Justizministeriums, welches die Teilnehmer am Programm einzeln bearbeiten wird und auch Rückfragen stellen kann. Bei den vom US-Programm ausgeschlossenen Banken der Kategorie 1 sind keine Fristen bekannt, und der Abschluss ist noch offen. Ich hoffe, dass sämtliche betroffenen Banken ihre Vergangenheit mit dem US-Geschäft ohne schwerwiegenden Konsequenzen und zeitnah abschliessen können, gehe jedoch davon aus, dass sich einzelne Banken noch mindestens zwei bis drei Jahre mit diesem Thema beschäftigen werden.

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