Der Schotte John Bennett gilt als einer der grössten Aktienkenner Europas. Zu Banktiteln hat er schon seit Jahren ein höchst ambivalentes Verhältnis. Und er findet auch, dass Anleger immer wieder die selben Fehler machen.

John Bennett ist Leiter des Bereichs Europa-Aktien und Manager des Henderson Gartmore Continental European Fund sowie des Henderson Gartmore Pan European Fund

Herr Bennet, welche Lehren ziehen Sie aus dem Jahr 2014?

Schon seit langem bin ich überzeugt, dass wir in einer Welt der momentum-getriebenen Anlage leben. Das heisst: Den meisten Investoren gelingt es nicht, Wendepunkte zu antizipieren.

Was machen die Anleger denn falsch?

Sie laufen den Wendepunkten hinterher. Das zeigt sich allein schon in der enormen Zeitverschwendung, sich in jedem Quartal mit den Gewinnprognosen der Unternehmen zu befassen, und daraus Rückschlüsse auf die künftige Unternehmensentwicklung ziehen wollen.


«Man muss diesen Trend ignorieren»


Dieser unsinnige Trend ist aus den USA zu uns hinübergeschwappt.

Was raten Sie stattdessen?

Einen Wettbewerbsvorteil haben meines Erachtens nur jene Anleger, die diesen Trend ignorieren und sich stattdessen auf das Wesentliche konzentrieren: den Cashflow. Ich messe dem Cashflow eine erhebliche Bedeutung bei, da er stets in den Vordergrund drängt, ebenso wie die Substanz.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Bankaktien?

Das Jahr 2014 hat mich daran erinnert, warum ich mich nie länger in Aktien europäischer Banken – mit Ausnahme einiger skandinavischer Titel – engagiere, sondern diese Titel höchstens kurzfristig ins Portfolio nehme.


«Bankaktien sind ein Bärenmarkt»


Warum das?

Seit Mitte der neunziger Jahre sorgen Anlagen in der Bankbranche regelmässig für Enttäuschungen. Aus strukturellen Gründen bleibt dieses Segment ein Bärenmarkt, unterbrochen von kurzen, kräftigen Rallys.

Wo sehen Sie 2015 die attraktivsten Chancen innerhalb Ihrer Anlageklasse?

Die besten Aussichten in Europa haben meines Erachtens Standardwerte. Denn Anleger sind bereit, für Qualitätsunternehmen, die sie für eine sichere Ertragsquelle halten, tiefer in die Tasche zu greifen.

Auf welche Branchen beziehen Sie insbesondere diese Aussage?

Henderson Global Investors hält seit längerem am bestehenden und oft dem Trend zuwiderlaufenden Engagement im Pharmasektor fest. Auch intelligente Autos gehören seit zwei Jahren durchgängig zu unseren wichtigsten Anlagethemen.

Und sonst?

In den vergangenen Monaten kam es nicht zu der allseits erwarteten Baisse in den Telekommunikations- und Versorgeraktien. Das sind zwei Bereiche, in denen ich 2015 Chancen sehe.


«Es ist ein rasantes Tempo»


Getrieben durch M&A-Spekulationen kam es in diesem Jahr zu einer Rally im europäischen Telekommunikationssektor. In dieser Branche gehe ich davon aus, dass sich der Konsolidierungstrend fortsetzen wird.

Was spricht für so genannte Versorgeraktien?

Das rasante Tempo der Veränderung. In diesem Segment hat Henderson Global Investors vor allem deutsche Versorger im Visier, deren Bilanzen sich langsam bessern, und bei denen der Gegenwind seitens der Politik allmählich nachlässt.

Sie sind auf europäische Aktien spezialisiert. Ist das ein Nachteil?

Unter den grossen Regionen in dieser Welt bleibt Europa tatsächlich der Prügelknabe schlechthin: Seine Wirtschaft liegt im Argen, die Politik findet keine vernünftigen Antworten auf aktuelle Probleme (was andernorts nicht besser ist), und die Gräben an den Finanzmärkten werden immer tiefer.


«Der Bullenmarkt nähert sich dem Ende»


Das ist nicht gerade eine ermutigende Ausgangslage.

Ich konzentriere mich daher lieber auf einzelne Branchen, in denen ich attraktive Unternehmen aufspüre, statt auf geopolitische Ereignisse, die ich ohnehin nicht beeinflussen kann, und die sich als wesentlicher Faktor erweisen können oder eben auch nicht.

Sind Sie heute optimistischer oder pessimistischer als noch vor zwölf Monaten?

In Europa scheint der Bullenmarkt sich seinem Ende zu nähern. Ohne deutliches Umsatzwachstum, das in steigende Gewinne mündet, sind weitere Kursgewinne an den Aktienmärkten nur dann möglich, wenn die Kurs-Gewinn-Verhältnisse deutlich steigen. Im nächsten Jahr dürfte sich das M&A-Karussell weiter und möglicherweise sogar schneller drehen.

Was hat das für Konsequenzen?

Kurzfristig betrachtet, wird die Verunsicherung der Anleger weiter zunehmen, und der Markt bleibt gespalten, während die Deflationsgefahr nach wie vor nicht gebannt ist.


«Da waren Aktien noch billiger»


Die Europäische Zentralbank ist zweifellos entschlossen, der Eurozone jedwede Unterstützung zu geben. Im Jahr 2012 war sie damit sehr erfolgreich. Damals aber waren Aktien billiger und der Zyklus noch nicht so weit fortgeschritten wie heute.

Ihr Fazit?

Im nächsten Jahr könnte die Volatilität an den Märkten deutlich zunehmen. Anleger sollten sich deshalb auf schwierige Zeiten gefasst machen. Genau aus diesem Grund halte ich eine sorgfältige Titelauswahl für so wichtig.Indem wir die Stärken und Schwächen eines Unternehmens wirklich verstehen, können wir bessere Anlageentscheidungen treffen, die uns zu einer besseren Positionierung verglichen mit dem Gesamtmarkt verhelfen können – und zwar in guten wie in schlechten Zeiten.

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