Die Digitalisierungs-Euphorie in der Finanzbranche ist mittlerweile enorm. Doch Sverre Bergland, Technologie-Experte bei der grössten norwegischen Finanzgruppe DNB, warnt vor überhöhten Erwartungen aus dem Fintech-Bereich.


Herr Bergland, die aktuelle Euphorie im Technologie-Sektor erinnert an die Zeit der Internet-Blase zur Jahrtausendwende. Droht uns bald wieder ein Crash?

Nein. Ich glaube nicht, dass wir ihm Technologie-Sektor derzeit eine Blase haben. Die Branche weist zwar ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 16 aus, allerdings mit höheren Gewinnerwartungen pro Aktie als dies im breiter gefassten Markt der Fall ist. Natürlich gibt es Teilbereiche, die überbewertet sind, dazu gehören manche Social-Media- und Cloud-Firmen.

Was ist heute anders als zur Jahrtausendwende?

Im Jahr 2000 besassen viele Internetfirmen kein überzeugendes Geschäftsmodell. Sie konnten kaum aufzeigen, wie sich ihre Geschäftsidee monetarisieren liesse. Zudem waren diese Unternehmen hoch defizitär und hingen von laufend neuen Finanzierungsrunden ab.

«Es kam zu einem massiven Kurseinbruch»

Als die Investoren allmählich nervös wurden und die Wirtschaft erste Schwächeanzeichen zeigte, kam es zu einem überdurchschnittlichen Kurseinbruch. Der Rest ist Geschichte.

Und heute?

Die Aktien zahlreicher Internet-Firmen generieren sehr viel Wert, so dass die Unternehmen über enorm viel Kapital in ihrer Bilanz verfügen. Schauen Sie sich nur einmal Facebook, Google oder Priceline an.

Welche Technologie-Firmen werden von den sich wandelnden Kundenbedürfnissen am meisten profitieren?

Wir sehen mehrere Trends, die in den nächsten Jahren einen signifikanten Einfluss auf andere Branchen ausüben werden. Ich denke, dass vor allem Cloud-basierte Software-Modelle eine zentrale Rolle in der Entwicklung spielen werden.

«Die TV-Industrie wird sich noch enorm wandeln»

Big Data, Data Analytics sowie das Internet of Things werden nicht mehr leere Schlagwörter sein, sondern Anwendungen, die in verschiedenen Branchen zu enormen Fortschritten führen werden, etwa in der Automobilindustrie, im Gesundheitssektor, in der Logistik und im Transportwesen sowie in der Gebäude- und Sicherheitstechnik. Die Technologie beeinflusst unser Konsumentenverhalten direkt.

Können Sie das noch an einem Beispiel veranschaulichen?

In den nächsten paar Jahren wird beispielsweise die TV-Industrie einen tiefgreifenden Wandel durchmachen. Die Fernsehbranche respektive der Fernseh-Konsum hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten kaum grundlegend verändert.

Die Kabelfernsehanbieter spannten eng mit den Fernsehanstalten zusammen und sicherten sich so einen steten Ertragsstrom über Gebühren und Werbung. Dieses Modell bricht nun zusammen.

Was wird anders?

Mit den Breitband-Geschwindigkeiten und -Kapazitäten sind die Eintrittshürden für andere Anbieter gesunken, so dass wir mehr Angebote sehen werden, die vollständig auf die Bedürfnisse der TV-Konsumenten angestimmt sind. Das wird die Branche leistungsorientierter machen.

«Es gibt erst wenige kotierte Fintech-Firmen»

Firmen wie Google (via Youtube), Netflix und Facebook werden der traditionellen TV-Branche erhebliche Marktanteile streitig machen, sowohl was die Zuschauerzahlen als auch die Werbekunden betrifft.

Was halten Sie von Fintech?

Ich habe mich bisher nicht gross auf Fintech und dessen Implikationen eingelassen. Ich glaube, dass die potenzielle Bedrohung der Bankindustrie noch eine ganze Weile auf sich warten lassen wird, bevor Fintech wirklich einen signifikanten Einfluss hat.

Derzeit gibt erst ganz wenige kotierte Fintech-Firmen – mit Ausnahme der Firma Lending Club, die unlängst an die Börse ging.

Ein Kauf?

Ich halte dieses Geschäftsmodell für sehr riskant. Kreditgeber können zwar höhrere Renditen zu tieferen Kosten erzielen, aber ich fürchte, dass viele Investoren die tatsächlich Risiken verkennen.

Warum denn?

Wenn die Liquidtität austrocknet und Verluste auftreten, dürfte das Geschäftsmodell solcher Kreditplattformen schnell einmal kollabieren.

«Die Modelle könnten im grossen Stil versagen»

Auch im Asset Management zweifle ich daran, dass Algorithmen das Investorenprofil und den jeweiligen Risikoappetit mit der modernen Portfolio-Theorie verbinden können und so aktive Manager überflüssig werden lassen. Vieles lässt darauf schliessen, dass diese Modelle versagen könnten, und zwar im grossen Stil.

Was macht Sie so skeptisch?

Es wird beispielsweise sehr schwierig sein, mit Algorithmen die Qualität eines Firmenamanagements zu beurteilen und deren Entscheide bezüglich Kapitalallokation richtig einzuschätzen. Das sollte uns vorsichtig stimmen.


Sverre Bergland studierte an der Universität von San Francisco in den USA und startete seine Karriere in der Finanzbranche als Analyst bei der Firma ABG Securities. Im Jahr 2001 stiess er zu DNB Asset Management. Der Vermögensverwalter ist Teil der grössten Finanzgruppe Norwegens.

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