Der verstorbene Schweizer Ökonom Walter Wittmann war ein unerschrockener Mahner, dessen Voten vieles vorwegnahmen, womit sich alsbald die ganze Schweiz beschäftigen würde. Seine Standpunkte fehlen künftig.

Der bis zuletzt weitum bekannte und angesehene Ökonom Walter Wittmann ist am vergangenen Freitag nach einer kurzen Leidenszeit verstorben, wie am Montag aus dem Familienkreis bekannt wurde.

Die Schweiz verliert damit nicht nur einen grossen Akademiker und profunden Kenner der Finanzwissenschaft, sondern gleichsam einen unbequemen Zeitgeist, der sich nie gescheut hat, seine eigene, oftmals unkonventionelle Meinung mit Nachdruck, aber auch mit der ihm eigenen Überzeugungskraft zu vertreten.

Zeitzeuge der Schweizer Wirtschaft

Gleichzeitig eilte Wittmann eine grosse Liebenswürdigkeit voraus, eine in der heutigen Welt seltene Anteilnahme, ein Interesse am Gegenüber, was in den Gesprächen mit ihm, einem einzigartigen Zeitzeugen der Schweizer Wirtschaft, regelmässig zum Ausdruck kam. Er vertrat seine Positionen kämpferisch und nachvollziehbar, ohne aber je verbissen zu wirken.

Wittmann, der am 20. Dezember 1935 in Disentis zur Welt kam, studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten von Freiburg, Münster und Löwen, bevor er 1960 promovierte und drei Jahre später habilitiert wurde. In der Folge schlug er eine steile Professorenkarriere an der Universität von Freiburg ein, wobei er sich auf die Finanzwissenschaft und die schweizerische Wirtschaftspolitik spezialisierte. Passend dazu war er in den 1980er-Jahren Mitglied der Eidgenössischen Kartellkommission und Präsident der Vereinigung für Zukunftsforschung.

Unermüdlicher Publizist

Unter diesen Prämissen überrascht es nicht, dass der Bündner als unermüdlicher Publizist viele Entwicklungen in der Wirtschaft früh erkannte. So befasste er sich schon in den 1980er-Jahren mit dem Phänomen der Innovation, er erkannte die aufziehende Globalisierung und zählte zu den Vorreitern, welche die Mythen der Schweiz hinterfragten – nicht populistisch oder gar polemisierend, sondern kompetent, sachlich und umfassend.

Im Jahr 1998 wurde Wittmann emeritiert, was ihn jedoch nicht daran hinderte, weiterhin am wirtschaftlichen Geschehen teilzuhaben, indem er sich umso mehr dem Schreiben und Publizieren widmete. Zeitweilig veröffentlichte er in jährlicher Kadenz ein neues Buch. Er erkannte als einer der ersten, wie der «helvetische Filz» im frühen 21. Jahrhundert auseinander brach – unter der Last des «Swissair-Grounding» und dem Beinahe-Crash der Credit Suisse (schon damals!), aber auch angesichts des schwindenden Einflusses der Armee und der Existenzkrise in der FDP.

Enge Beziehung zu finews.ch

Walter Wittmann unterhielt von Anfang auch eine enge Beziehung zu finews.ch und entwickelte sich rasch zu einem der profiliertesten und treuesten Autoren dieses Portals. Seine exklusiven Beiträge zählten ausnahmslos zu den meist gelesenen Artikeln, verstand er es doch, aktuelle Geschehnisse dank seiner langen Erfahrung kompetent zu deuten und daraus wichtige Hinweise und Anregungen abzuleiten.

Vor diesem Hintergrund hinterlässt der Bündner mit seiner hellen, sonoren und stets so liebenswürdigen Stimme eine grosse Lücke in der schweizerischen Wirtschaftsdebatte, gerade weil sich Wittmann stets eine eigene Meinung bildete, die auf ehrbaren Werten und Tugenden beruhte, ohne dass er sich dabei dem Neuen, dem Wandel und der Veränderung jemals verschlossen hätte.

Zuletzt lebte er in Bad Ragaz. Wittmann verstarb am vergangenen Freitag, 12. Februar 2016. Er hinterlässt seine Ehefrau und zwei erwachsene Kinder, darunter den Finanzexperten Beat Wittmann.


 

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