Jede Perversion in der globalen Finanzmarkt-Regulierung habe ihren Ursprung in den USA, behauptet Finanzprofessor Maurice Pedergnana im Gespräch mit finews.ch. Das könnte sich nun ändern.


Herr Pedergnana, was kommt mit Donald Trump auf uns zu?

Das lässt sich nicht präzis voraussagen, weil es kein Regierungsprogramm für «Make America Great Again» gibt. Aber wenigstens Konturen: Klimaschutz-Themen werden es schwer haben, auch Elektrovehikel.

Handelsverträge sollen überprüft werden, TTIP wird wohl bald beerdigt. Infrastruktur-Programme sollen mit einer weiteren Neuverschuldung finanziert werden – das ist zwar klassische keynesianische Politik.

«Er schert sich nicht um Dogmen»

Aber genau dies macht das Spezielle an Donald Trump aus. Er schert sich nicht um Dogmen und verfolgt das, was aus seiner Sicht Sinn ergibt. Auch wenn er ein Enkel eines illegalen Einwanderers ist: Er wird sein Wahlversprechen einlösen müssen, um dieses heikle Dossier hart anzufassen. Selbst wenn es die Wachstumsperspektiven des klassischen Einwandererlandes USA verringern wird.

Kann er dies auch wirklich durchsetzen?

Ich rechne damit, dass es zwischen dem republikanischen Präsidenten und dem von Republikanern beherrschten Kongress deutlich weniger Friktionen geben wird. Es sollte nun möglich sein, eine Steuerreform wirklich erfolgreich anzugehen.

Auch dem unwirksamen Regulierungstreiben – ich denke nur schon an den Dodd-Frank Act – könnte ein Riegel geschoben werden. Dem schleichenden Sozialismus wird ein Ende gesetzt. Allerdings mit einer höheren Neuverschuldung.

Ist das ein Problem?

Unmittelbar nicht, weil sich die Amerikaner gar nicht bewusst sind, wie immens hoch ihre Verschuldung ist. Dagegen ist Italien ein Musterknabe, und tatsächlich muss Italien weniger Zinsen für seine Staatsanleihen bezahlen als die USA. Es gibt kein Land in der westlichen Welt, das dermassen verschuldet ist und zugleich über eine derart marode Infrastruktur verfügt.

«Gerade im ersten Jahr wird man Trump mehr zugestehen, als ökonomisch sinnvoll wäre»

Das Ausmass der barwertigen Verschuldung wird von Ökonomieprofessor Larry Kotlikoff auf rund 200'000 Milliarden Dollar beziffert. Das gesamte Steuer- und Sozialsystem ist de facto fiskalisch bankrott. Weil aber der Staatshaushalt als eine simple Einnahmen- und Ausgaben-Rechnung geführt wird, tauchen die impliziten Schulden aus den zukünftigen Zahlungsverpflichtungen nicht auf.

Werden die Republikaner trotzdem eine weitere Neuverschuldung tolerieren?

Viel eher als die Demokraten. Gerade im ersten Jahr wird man Trump mehr zugestehen, als ökonomisch sinnvoll wäre. Vielleicht sollte es einem zu denken geben, dass die Rating-Agentur Moody’s die drei wichtigsten Rückbau-Themen auf der Trump-Agenda - Finanzmarktregulierung, Obamacare und Handelsabkommen – mehrheitlich als «kreditnegativ» beurteilt hat.

«Für Bond-Investoren hat die schlimme Zeit gerade erst begonnen»

Die Gläubiger bezahlten bereits in den ersten 48 Stunden nach seiner Wahl einen hohen Preis. Auf Grund der immensen Infrastrukturprogramme und der Reflationierung der Wirtschaft sind die Renditen der US-Treasuries massiv angestiegen.

Für Bond-Investoren hat die schlimme Zeit erst begonnen. Die Verluste auf den US-Anleihen belaufen sich auf rund 500 Milliarden Dollar.

Und für Aktionäre?

Das müssen wir differenziert betrachten. Die höheren Zinsen werden sich nicht nur in tieferen Preisen für Anleihen und Immobilien auswirken, sondern auch in tieferen Bewertungen von Gold und Goldminenaktien.

Zu den Verlierern zählen zudem die Silicon-Valley-Darlings: Facebook, Amazon, Netflix und Google/Alphabet, kurz auch «Fang» genannt. Umgekehrt gibt es auch eine immense Erleichterung nach der Nichtwahl von Hillary Clinton.

Warum?

Der Nasdaq-Biotech-Index hat in den ersten vier Tagen nach der Wahl um 20 Prozent zugelegt. Zu den Gewinner-Branchen zählen Pharma, Banken und Versicherungen sowie Ersteller und Betreiber von Infrastruktur.

«Eine gesunde Balance haben die USA nie gesehen»

Zudem gibt es ein paar köstliche Randerscheinungen. Die beiden grössten privaten Gefängnisbetreibern Corrections Corporation und GEO haben mit der Wahl Trumps zum US-Präsidenten gleich um rund 30 Prozent zugelegt. In zahlreichen Branchen muss man aber näher hinschauen. Im Automobilsektor dürfte FiatChrysler, die mit Produktionsstätten in den USA operieren, Konkurrenten übertreffen, die vor allem auf Importprodukte setzen.

Und die Auswirkungen auf europäische Aktien?

Jede Perversion in der globalen Finanzmarktregulierung hat ihren Ursprung in den USA. Eine gesunde Balance hat dieses Land noch nie gesehen, das Pendel hat immer in die eine oder andere Richtung ausgeschlagen.

So erwarte ich es auch in Zukunft, und das ist nicht schlecht. Denn heute wird in der Bankenrevision nicht mehr nachgedacht, sondern mit einem Ordner voller Checklisten durch die Bankenarchive stolziert.

«Noch immer sind die meisten Investoren in dieser Branche unterinvestiert»

Wenn wir tatsächlich aus der Vergangenheit lernen könnten, wären Archivare wohl die reichsten Menschen. Das Pendel schlägt nun um, und das erklärt auch die höheren Bewertungen von Banken und Versicherungen in Europa.

Lohnt sich auch ein Engagement in Pharma-Titel?

Auf jeden Fall. Wir haben erst den Beginn einer neuen Bewertung gesehen. Noch immer sind die meisten Investoren in dieser Branche unterinvestiert. Mit superioren Cash-Flows und klarem Dividenden-Wachstumspotenzial lässt sich mit «Big Pharma» der Gesamtmarkt schlagen.

Wir dürfen nicht vergessen, dass Pharma im MSCI World Index mit Abstand die Branche mit der schlechtesten Jahresperformance ist. Die amerikanische Healthcare-Branche liegt relativ zum S&P500 sogar auf einem Sechs-Jahres-Tief.

«Das überträgt sich über den Atlantik»

Dabei ist das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis auf 14 gefallen, obschon die Branche von diversen Megatrends wie Alterung und personalisierter Medizin profitieren wird. Auch der Swiss Market Index (SMI) als Healthcare-lastiger Aktienindex (Roche, Novartis, Actelion) wird in den kommenden Jahren relativ zu den Gewinnern zählen.

Uns gefallen aber besonders auch der deutsche Fresenius-Medical-Care-Konzern sowie die Beteiligungsvehikel BB Biotech und HBM Healthcare Investments.

Und sonst?

Wir wollen noch nicht zu viel an Erwartungen in eine neue Regierung hineininterpretieren. Aber wir rechnen mit höheren Schulden, einer höheren Inflation, steigenden Zinsen und damit einer geringeren Attraktivität von zinssensitiven Wertpapieren.

Das überträgt sich in Windeseile über den Atlantik. Dazu zählen insbesondere auch Schweizer Immobilienwerte wie SPS und PSP, die schon weit unter ihren Jahreshöchst gehandelt werden.

In Zuge der Versteilung der Zinskurve zeichnen sich insbesondere auf Langläufern unter den Anleihen happige Verluste ab. Tendenziell verlieren ausserdem die Bondmärkte in den Schwellenländern an Attraktivität. Es bleibt also spannend!


Pedergnana BuchMaurice Pedergnana ist seit einigen Jahren Chefökonom der Zugerberg Finanz, einer grösseren Vermögensverwaltungs-Gesellschaft in Zug mit 25 Mitarbeitern, die sich ausschliesslich auf den Schweizer Markt konzentriert. Der gebürtige Winterthurer war von 1999 bis 2011 im Bankrat der Zürcher Kantonalbank. Er hat mehrere Bücher verfasst und doziert heute noch nebenamtlich an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Sein neustes Werk heisst «Perspektiven für die Vermögensvermehrung».

 

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