Nächstes Jahr kommt die Vollgeldinitiative vors Volk. Laut Finanzprofessor Erwin Heri gibt es bessere Mittel, das Bank- und Finanzsystem sicherer zu gestalten, wie er im Interview mit finews.ch erklärt.  

Die Initiative «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank! (Vollgeld-Initiative)» verspricht mehr Stabilität im Finanzsektor. Um dies zu erreichen, verlangen die Initianten, dass nur die Schweizerischen Nationalbank (SNB) Geld schaffen kann. Das hiesse für die Banken, dass sie nur das Geld verleihen dürften, das sie auch wirklich besitzen.

Bei den Guthaben auf den Bankkonti handle es sich mehrheitlich um keine echten Franken, sondern lediglich um ein Versprechen der Bank auf echte Franken, argumentieren die Befürworter. Dieses System bereitet in ihren Augen den Boden für Finanzblasen. 


Herr Heri, die Initianten wollen mit dem Vollgeld das Schweizer Bank- und Finanzsystem sicherer machen. Funktioniert das?

Gewisse Elemente des Finanzsystems mögen unter einem Vollgeldsystem sicherer werden – was immer auch Sicherheit im Finanzmarktkontext heissen mag. Andere werden aber unsicherer werden. Wir sollten einfach nicht vergessen, dass die letzte Finanzkrise nichts mit «Bank-Runs» oder Geldschöpfungsprozessen zu tun hatte, sondern mit komplexen Verbriefungen, ungenügenden Eigenkapitalausstattungen oder Schattenbanken. Alles Dinge, die innerhalb der «alten Ordnung» einfach schlecht oder ungenügend reguliert waren. Da würde auch eine Vollgeldinitiative ins Leere greifen.

Die SNB bekäme das alleinige Monopol der Geldschöpfung. In Anbetracht der Preisblasen an den Finanz- und Immobilienmärkten wäre die Initiative doch ein probates Mittel gegen Inflation.

Ob in einem solchen System die Inflation besser gesteuert werden kann, wäre dann noch zu zeigen. Wie auch immer der Geldschöpfungsprozess ausschaut, die Wirkung ist letztlich davon abhängig, was die Wirtschaftssubjekte mit dem neu geschaffenen Geld tun. Wenn sie es produktiv verwenden, entsteht Wachstum. Kaufen sie bestehende Güter, wirkt das tendenziell inflationär, und wenn sie Wertpapiere oder Immobilien erwerben, können wiederum Blasen entstehen. Das alles ist unabhängig vom eigentlichen Prozess der Geldschöpfung.

«Wert des Bargelds basiert auf Vertrauen»

Monopol der Geldschöpfung bei der Zentralbank klingt gut. Dazu braucht es aber keine Vollgeldinitiative – keine Experimente in unsicheren Gewässern.

Das Geld auf dem Konto (Sichteinlagen) soll genau so sicher werden wie das Geld daheim im Tresor, da alles von der SNB stammt. Wie muss man sich dies konkret vorstellen? Garantiert die SNB für das elektronische Geld (Sichteinlagen)?

Die Gelder wären insofern «sicherer», als sie nicht mehr auf der Bilanz einer Bank wären, sondern ausserhalb der Bilanz gebucht würden, so ähnlich wie ein Wertschriftendepot. Man sollte sich aber auch bezüglich des heutigen Bargeldes keinen Illusionen hergeben. Auch das heutige Bargeld ist nirgendwo physisch gedeckt. Wir haben schon lange keinen Gold- oder was auch immer –Standard mehr.

Der Wert unseres Bargeldes basiert ausschliesslich auf dem, was wir glauben, damit kaufen zu können und der Erwartung, dass die Verkäufer unser Geld akzeptieren; mit anderen Worten: auf Vertrauen.

Vertrauen ist ein gutes Stichwort. Laut den Initianten ist unser Geld auf den Bankkonten zu weiten Teilen kein echtes Geld, sondern von den Banken durch Bilanzverlängerung geschöpftes Neugeld, das die Banken gar nicht besitzen. Geht die Bank pleite, ist unser Geld weg. 

Echtes Geld, unechtes Geld – was sollen diese Begriffsverwirrungen? Es ist ein ganz normales Passivum auf der Bilanz einer Bank. Eine Schuld, die die Bank uns gegenüber hat. Eine Schuld, die wir – je nach Ausgestaltung des Kontos – morgen einlösen, sprich: in Noten oder Münzen beziehen können.

Der Vorteil der Vollgeldinitiative besteht darin, dass sich die Leute endlich einmal mit der Bilanz einer Bank vertraut machen müssen, und es ihnen klar wird, dass das Sparkonto auf einer Bank ein Passivum auf einer Bilanz ist. Und wenn die Bilanz deponiert werden muss, dann ist dieses Passivum – etwas plump ausgedrückt -, Teil des Konkursverfahrens. So ist das, und so war das schon immer. Deswegen haben wir ja auch eine Gesetzgebung, die Einlagen auf einer Bankbilanz bis zu 100'000 Franken «versichert».

«Mir graut jetzt schon vor den politischen Verteilkämpfen»

Wer mehr Bargeld auf Bankbilanzen sicher parkieren will, muss dieses auf mehrere Banken (Bilanzen) verteilen. Und wenn er seine Gelder ausserhalb einer Bankbilanz haben will, soll er Wertpapiere kaufen, wie zum Beispiel kurzfristige Anleihen der Eidgenossenschaft. Diese sind ebenso liquide. Sie sind zwar auch auf der Bank deponiert, aber eben nicht mehr auf der Bankbilanz, sondern in einem Wertschriftenportfolio.

Die Vollgeldinitiative sieht auch vor, dass die SNB Neugeld direkt an Bund und Kantone ausschüttet. Ein «Weihnachtsbatzen» ist doch sinnvoll, gerade auch, weil das Geld dann in der Realwirtschaft ankommt und nicht in Spekulationskanälen versickert?

Mir graut jetzt schon vor den politischen Verteilkämpfen, über die Art und Weise wie die Nationalbank die zu schaffenden Franken verteilen soll. Die gegenwärtigen Diskussionen zur Altersvorsorge zeigen uns ja ein wenig, welche Ergebnisse unsere gut-schweizerische «Kompromiss-o-kratie» gelegentlich zeitigt.

Lösen wir uns doch von der Illusion, dass da plötzlich irgendwelche Geschenke auftauchen, die jetzt verteilt werden können. Im übrigen weist ja die SNB bereits heute regelmässig Gewinne an die Kantone und den Bund zu. 

Wäre eine solche Initiative überhaupt umsetzbar, vorausgesetzt sie findet im Volk eine Mehrheit?

Das würde bei der Umsetzung dann wahrscheinlich wieder einmal ein ziemliches politisches Gerangel absetzen.

Glauben Sie, dass die Initiative vor dem Volk eine Chance hat?

Ich denke nicht. Sie ist viel zu kompliziert, tangiert eine ausgesprochen komplexe und umstrittene Materie, und ich glaube nicht, dass die Schweizer Bevölkerung Lust hat, sich in ein so unsicheres Experiment zu begeben. Im übrigen denke ich, dass wir nicht etwas über den Haufen werfen sollten, dass in 95 Prozent der Fälle vernünftig funktioniert. 

«SNB hat bereits heute alle Mittel in der Hand»

Lernen wir doch aus den vergangenen Fehlern, machen notwenige Korrekturen, das ist schwierig genug. Riskieren wir nicht noch einen Teil der 95 Prozent, die gut funktionieren, in der Hoffnung, die schlechten 5 Prozent aus der Welt zu schaffen.

Gibt es bessere Alternativen, um das too-big-to-fail Problem zu entschärfen?

Ein relevanter Teil des notwendigen Instrumentariums ist ja auf Gesetzesebene bereits vorhanden. Mit den Mindestreserve-Möglichkeiten, den Eigenkapitalanforderungen, oder der Zinspolitik kann die Zentralbank im Prinzip die Giralgeldschöpfung immer so eng steuern, wie sie will. Im Extremfall in ähnlicher Art und Weise wie bei einem Vollgeld-System – ein Thema, dass im übrigen von der Ökonomen-Gilde schon in den 1930er Jahren diskutiert wurde, auch wenn die Initianten immer so tun, als wäre die Geschichte eben erst erfunden worden.

Und nach wie vor bin ich der Meinung, dass Überlegungen zu einer revidierten Form der Glass/Steagall-Vorschriften nicht ganz aus den Augen verloren werden sollten. Für all das brauchen wir aber nicht ein System aus den Angeln zu heben, das in den letzten 50 Jahren einigermassen funktioniert hat.


Erwin Heri ist sowohl im akademischen Bereich als ausserordentlicher Professor und Dozent für Finanztheorie an der Universität Basel und am Swiss Finance Institute in Zürich, als auch in der privaten und institutionellen Anlageberatung tätig. Er ist Gründungspartner von Fintool, einer auf Finanzausbildung spezialisierten Internetplattform. Daneben ist er Mitglied verschiedener Verwaltungs- und Stiftungsräte.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.27%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
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  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.91%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.62%
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