Der deutsche Ökonom Lars Feld hat in der Schweiz doktoriert und befasst sich seither intensiv mit der Frage des Steuerwettbewerbs.

Das Interview führte Bernd Kramer, Wirtschaftsredaktor bei der «Badischen Zeitung».


Lars_Feld

Herr Feld, Steuerwettbewerb führt nach Einschätzung vieler Leute zu niedrigen Steuersätzen für die Reichen und geringen Sozialleistungen für die Armen.

Diese Vorstellung ist zu stark vereinfacht. Zwar übt der Steuerwettbewerb einen Druck auf die Steuersätze aus und schränkt die Möglichkeiten der Einkommensumverteilung ein. Aber er führt vor allem dazu, dass die Ausgaben des Staates geringer werden und die Staaten die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, auch zielgenauer einsetzen. Das haben Untersuchungen in der Schweiz, wo die Kantone und Gemeinden ja im Steuerwettbewerb stehen, gezeigt.


«Es wird nicht zuerst bei den Armen gespart»

Was heisst denn überhaupt zielgenauer?

Die Mittel sind knapper, aber es wird nicht, wie oft gefürchtet, zuerst bei den Armen gespart. Man kürzt vielmehr die Ausgaben für die Mittelschicht, wo die stärkste Umverteilung stattfindet.

Die Schweiz – der bessere Sozialstaat?

Wenn Sie als Ziel des Sozialstaats vor allem die Umverteilung von den Reichen zu den Armen sehen, dann ja. Nehmen Sie die Familienpolitik in Deutschland. Über sie wird vor allem innerhalb der Mittelschicht umverteilt. In manchen Fällen wie dem Elterngeld profitieren sogar vor allem die Bezieher höherer Einkommen. Das Elterngeld hilft sicherlich nicht bei der Bekämpfung der Kinderarmut.


«Der, der zahlt, entscheidet»

Die Schweiz weist eine geringere öffentliche Verschuldung auf als die Bundesrepublik. Warum?

Um es plakativ zu sagen: Die Schweizer gehen vernünftiger mit ihren Mitteln um. Dazu trägt neben dem Steuerwettbewerb als wesentlichem Standbein des Schweizer Föderalismus auch die direkte Demokratie bei. Die Bürger haben selbst die Möglichkeit, über ihre Steuersätze und die Ausgaben des Staates zu entscheiden.


«Anlage in einem sicheren Hafen»

Das heisst: Der, der zahlt, entscheidet auch darüber, was ausgegeben wird. Hinzu kommt, dass viel ausländisches Kapital in die Schweiz fliesst. Immer schon ist der Kapitalzufluss in die Schweiz zum Teil durch Steuerhinterziehung oder Ähnliches bestimmt gewesen. Zum Teil floss das Kapital aber auch als Anlage in eine stabile Währung in einem sicheren Hafen.

Was macht einen guten Ökonomen aus? Gute Mathematikkenntnisse oder das Wissen über die Institutionen, Gesetze und die menschliche Natur?

Ein guter Wirtschaftswissenschaftler sollte sowohl ein guter Mathematiker als auch ein guter Kenner von Institutionen und Regeln sein. Mathematik hilft, wirtschaftliche Vorgänge klar und stringent darzustellen. Sie ist auch unverzichtbar, wenn man empirisch arbeitet.


«Man muss die Rahmenbedingungen kennen»
Also zum Beispiel testet man, wie sich unterschiedliche Politikansätze auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Mathematik allein reicht jedoch nicht. Man muss auch die institutionellen Rahmenbedingungen kennen – wie zum Beispiel das Arbeitsrecht, das Sozialrecht und das Steuer- und Haushaltsrecht.

Lars_Feld_qLars Feld, geboren 1966, ist der neue Leiter des Freiburger Walter-Eucken-Instituts. Thema seiner Doktorarbeit, die er an der Universität St. Gallen war: «Steuerwettbewerb und seine Auswirkungen auf Allokation und Distribution: eine empirische Analyse für die Schweiz» Von 2002 bis 2006 war Feld Professor für Volkswirtschaftslehre an der Philipps-Universität Marburg. Danach wechselte er nach Heidelberg, wo er einen Lehrstuhl für Finanzwissenschaft übernahm.

Der Ökonom schätzt Interdisziplinarität – also die Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus anderen Forschungsgebieten wie zum Beispiel der Rechts- und Politikwissenschaft. Seit 2003 ist Feld, der jetzt auch als Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg lehrt, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzminsterium. Lars Feld ist verheiratet und hat drei Kinder.

 

 

 

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