Die Nationalbank will den Schweizer Finanzinstituten strengere Eigenmittel- und andere Vorschriften aufbürden und macht damit im Grunde genommen die selben Fehler, die sie den Banken vorwirft, wie der Ökonom Hans Kaufmann feststellt.

Hans_Kaufmann_qHans Kaufmann ist Ökonom, SVP-Nationalrat und Gründer von Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete er bei Julius Bär, zuletzt als Chefökonom. Er schreibt regelmässig für finews.ch.

In diesem Monat erreichten die wichtigsten Weltwährungen neue Tiefststände gegenüber dem Schweizer Franken: Der Euro sank Mitte Juni auf 1.20 Franken, der Dollar auf 0.83 Franken und das britische Pfund auf 1.36 Franken.

Der Yen gab zwar ebenfalls auf ein neues Jahrestief von 1.04 Franken nach, lag damit aber immer noch deutlich über dem Tief des Jahres 2008 von 0.95 Franken respektive massiv über dem Allzeittief von 1979 mit 0.66 Franken.

Wie eine Manipulation

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) glaubte vor diesem Hintergrund schon vor Jahres-frist, als die Währungssituation im Vergleich zu heute noch relativ günstig war, mit Stützungskäufen eingreifen zu müssen.

Ganz abgesehen davon, dass solche Milliardenengagements einer Manipulation gleichzusetzen sind, die für normale Finanzinstitute eine Strafuntersuchung nach sich ziehen müsste, bergen solche Devisenkäufe auch enorme Risiken.

Bilanz aufgebläht

Im Gegensatz zu früheren Jahren trägt die Zinsdifferenz heute nur wenig zur Abfederung allfälliger Währungsverluste der SNB bei. Die SNB musste denn auch massive Verluste verkraften, nachdem sie ihre Bilanz mit Devisenkäufen von 112 Milliarden Franken Ende 2007 auf bis zu 308 Milliarden Franken im Mai 2010 aufblähte.

Seither hat sich die Bilanzsumme bis Ende April 2011 wieder auf 272 Milliarden Franken zurückgebildet, wobei zumindest ein Teil dieser Schrumpfung auf einen Wertverlust der Aktiven in Form von Devisenpositionen zurückzuführen ist.

Eigenkapital geschrumpft

Als Gegenposition schrumpfte auch das Eigenkapital der SNB. Noch im März 2010 stellte sich dieses auf stolze 66,5 Milliarden Franken. Ende April waren es nur noch 37,3 Milliarden Franken, und Ende Juni könnten diese Eigenmittel sogar unter 30 Milliarden Franken.

Das Eigenkapital hat sich somit innert Jahresfrist mehr als halbiert. In Spitzenzeiten wie im Oktober 2001 betrug der Eigenkapitalanteil an der SNB-Bilanzsumme noch 63 Prozent, im März 2007 noch 57 Prozent und Ende Juni 2011 wahrscheinlich noch 10 Prozent.

Fatalismus im Bundesrat

Dies heisst im Klartext, dass ein weiterer Wertverlust der Devisenbestände, der Staatsanleihen, des Goldes und der Aktien im Portefeuille, um mehr als 10 Prozent die verbliebenen Eigenmittel vollständig aufzehren würde.

Aber der Bundesrat respektive die Finanzministerin scheinen sich damit bereits abgefunden zu haben. Gab Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf doch in der Fragestunde vom 7. Juni 2011, zu einem Zeitpunkt als bereits die Grossverluste im April bekannt waren, auf die Frage nach der Höhe der Währungsverluste im laufenden Jahr, folgende beschönigende Antwort: «In den ersten drei Monaten des laufenden Jahres hat die SNB einen Gewinn von 1,9 Milliarden Franken erzielt, davon 1,6 Miliarden Franken auf Fremdwährungspositionen.»

Auf Glaubwürdigkeit angewiesen

Seither ist der Euro-Kurs allerdings gesunken, was entsprechende Verluste nach sich ziehen wird. Die Eigenkapitalbasis ist geringer geworden, sie ist jedoch noch ausreichend. Dies hat auch keine sichtbare Auswirkung auf die Wirksamkeit der Geldpolitik.

Um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik zu erhalten, ist die Nationalbank zwar auf eine ausreichende Eigenmittelbasis angewiesen; kurzfristig jedoch kann das Eigenkapital sogar negativ werden, ohne dass dadurch dramatische Folgen für die Geldpolitik zu erwarten wären.

Keine konkreten Zahlen offengelegt

Längerfristig werden Rückstellungen für die Währungsreserven die Eigenmittelbasis wieder erhöhen müssen. Dies ist möglich, weil die SNB über einen längeren Zeithorizont in der Regel einen Gewinn erzielt. Konkrete Zahlen über die Verluste wurden jedoch dem Parlament nicht offengelegt. Offensichtlich ist der Bundesrat nicht in der Lage, die Geschäfte der SNB auch nur annähernd zeitgerecht zu überwachen.

Erst auf Nachfrage hin bestätigte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, dass man dieses Jahr seriös überprüfen werde, ob Ausschüttungen an den Bund (800 Millionen Franken) und an die Kantone (1,7 Milliarden Franken) überhaupt noch möglich seien.

Rekapitalisierung der SNB?

Wie diese Einnahmenausfälle beim Bund kompensiert werden, darüber hat man sich offen-sichtlich noch keine Gedanken gemacht. Stattdessen glaubt man wegen der sprudelnden Steuereinnahmen auf Sparmassnahmen verzichten zu können. Und noch weniger Gedanken haben sich die Kantone im Hinblick auf eine allfällige Rekapitalisierung der SNB gemacht, die rasch in eine zweistellige Milliardenhöhe gehen könnte.

Der Zustupf für die Kantone macht im Schnitt 2 Prozent der Einnahmen aus. Am meisten Geld erhält der Kanton Zürich (291 Millionen Franken = 2,3 Prozent der Einnahmen) gefolgt von Bern (211 Millionen Franken) und der Waadt (149 Millionen Franken). Ohne SNB-Millionen kämen zu den drei Kantonen, die 2009 mit roten Zahlen abgeschlossen haben, nochmals 13 dazu, darunter Zürich, Aargau, St. Gallen und Baselland.

Grosse Klumpenrisiken

Die SNB, die den Banken strenge Eigenmittel- und andere Vorschriften aufbürden will, macht im Grunde genommen genau die gleichen Fehler, die sie den Finanzinstituten vorwirft. Sie hält extrem hohe Handelsbestände auf eigene Rechnungen, sie geht Klumpenrisiken ein, sowohl in Bezug auf die Währungen als auch auf die Schuldner (deutscher und amerikanischer Staat) und sie finanziert einen wesentlichen Teil dieser volatilen Aktiven mit Fremdkapital.

Da die Notenbank offensichtlich die Realisierung von Verlusten durch einen Verkauf der Devisenpositionen vermeiden will, weil sie auf eine Kurserholung hofft, schöpft sie vom Kapitalmarkt den Überhang an liquiden Mitteln mit der Emission eigener Schuldverschreibungen ab.

Warnung der SVP

Diese Fremdmittel machten Ende April 2011 rund 112 Milliarden Franken respektive 41 Prozent der Bilanzsumme aus. Bei allem Respekt vor der Unabhängigkeit der SNB. Was nützt der Schweiz diese Prinzipienreiterei, wenn die SNB-Verantwortlichen sämtliche Eigenmittel mit Mega-Spekulationen an den Kapitalmärkten verspielen?

Die SVP hat an einer speziellen Pressekonferenz bereits im August 2008 vor dem Eingehen internationaler Verpflichtungen der SNB gewarnt und sie aufgerufen, ihre Reserven angesichts der zunehmenden Risiken aufzustocken.

Das neuste Risiko: IWF

Aber einmal mehr wurden die Warnungen der SVP nicht ernst genommen. Im Gegenteil, selbst 2011 glauben unsere Regierung, die SNB und ein Teil des Parlamentes, immer noch, dass wir uns solche Verluste leisten könnten.

Das neuste Risiko, die milliardenschweren Kapitaleinschüsse respektive die Garantien an den IWF (16,5 Milliarden Franken) sind angesichts der heutigen Eigenmittelsituation der SNB nicht mehr verantwortbar, zumal der IWF sein Mandat derart geändert hat, dass er mit der Abstim-mungsvorlage das Jahres 1992 kaum mehr was zu tun hat.

Der SNB eine Limite setzen

Heute gehen 60 Prozent der IWF-Kredite an europäische Länder. Weder das Parlament noch das Volk weiss, wie unsere IWF-Verantwortlichen in den IWF-Gremien abstimmen, und wer letztlich im Falle von Verlusten dafür geradestehen muss.

Es wäre an der Zeit darüber endlich Transparenz zu schaffen, das Garantiekapital mit Goldpfand abzusichern und der SNB eine Minimallimite für die Eigenmittelquote zu setzen.

 

 

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