Was hilft gegen die Frankenstärke? Die Anbindung an den Euro? Die Einführung von Negativzinsen oder die Tobin Tax? Ökonom Hans Kaufmann liefert Antworten.

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Hans Kaufmann ist Ökonom, SVP-Nationalrat und Gründer von Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete er bei Julius Bär, zuletzt als Chefökonom. Er schreibt regelmässig für finews.ch.

Seit dem Höchststand im Jahre 2010 haben der Euro 21 Prozent, der US-Dollar 29 Prozent, der Yen 20 Prozent und das britische Pfund 22 Prozent gegenüber dem Schweizer Franken eingebüsst. Sollten die Wechselkurse bis Ende 2011 auf dem Niveau per Mitte Jahr verharren, werden für die Schweizer Unternehmen, darunter auch die Banken, happige Währungsverluste zu verkraften sein.

Nach den Umsätzen der kotierten Grosskonzerne gewichtet, dürften sich die Kursverluste auf rund 12 Prozent belaufen. Noch stärker dürften die Währungssorgen die exportorientierten kleineren und mittelgrossen Unternehmen treffen.

Anbindung ist abzulehnen

In die Euro-Zone gehen heute noch rund 49 Prozent der Exporte (EU: 58 Prozent), nach Grossbritannien 4 Prozent, in die USA 10 Prozent und nach Japan 4 Prozent der Exporte. Der Dollar dürfte aber eine weit höhere Bedeutung für die Exporteure haben, denn viele Fernostländer halten ihre Währungen an den Dollar gekoppelt.

Die Klagen der Exportwirtschaft und der Ruf nach einer Anbindung des Frankens an den Euro verwundern deshalb nicht. Eine solche Anbindung ist aber aus folgenden Gründen abzulehnen:

  • 1. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Euro noch weiter fällt, aber mit einer Anbindung würde das heutige Niveau für lange Zeit fixiert. Zweitens würde die Schweizerische Nationalbank (SNB) gezwungen, weiter Devisenaufkäufe in unbekanntem Ausmass zu tätigen. Heute kann sie wenigstens noch frei entscheiden, ob sie intervenieren will oder nicht. Dass gerade jene, die die SNB wegen der eingefahrenen Milliardenverluste kritisieren, weitere Devisenaufkäufe fordern, verwundert schon etwas.
  • 2. Bei einer politischen Einbindung würde die Unabhängigkeit der SNB massiv eingeschränkt und die SNB könnte dann die Verantwortung für allfällige weitere Milliardenverluste auf die Politik abschieben. Eine Anbindung des Frankens an den Euro erforderte auch zwingend eine Änderung des SNB-Gesetzes.
  • 3. Je mehr Fremdwährungen die SNB in ihrer Bilanz hält, um so grösser läuft sie Gefahr, dass ein Misslingen der Deviseninterventionen respektive weitere Währungsverluste das Eigenkapital, das nur noch rund 10 Prozent der Bilanz oder rund 30 Milliarden ausmacht, vollständig aufgezehrt wird.
  • 4. Je grösser die Bestände der SNB, umso schwieriger wird ein Wiederverkauf. Möglicherweise würden solche Verkäufe den Franken-Kurs sogar wieder ansteigen lassen.
  • 5. Die mit Devisenaufkäufen verbundene massive Geldmengenausweitung könnte die Zinsen in der Schweiz anfänglich zwar weiter drücken, doch würde damit gleichzeitig ein grosses Inflationspotential aufgebaut, sei es am Immobilienmarkt oder im Konsumbereich.

Euro-Beitritt: eine Katastrophe

Bei einem Inflationsanstieg würden einmal mehr jene am meisten geschädigt, die am wenigsten an der Finanzkrise schuld sind, nämlich die inländischen Sparer, die Ende April 429 Milliarden Franken Spar- und Anlagegelder und weitere 269 Milliarden Franken in anderen Kundengeldern bei den Schweizer Banken in der Schweiz platziert hatten.

Geradezu katastrophal wäre ein eigentlicher Euro-Beitritt der Schweiz. Würde die Schweiz heute dem Euro beitreten, dann müsste der Wechselkurs theoretisch für immer auf dem heutigen tiefen Niveau fixiert werden.

Höchste Privatverschuldung

Was die meisten Politiker aber nicht realisieren, ist der mit einem Euro-Beitritt gleichzeitige verbundene wahrscheinliche Anstieg der Zinsen. Die Schweizer Zinsen dürften durchaus auf das Deutschland-Niveau ansteigen.

Als Land mit der höchsten Privatverschuldung weltweit würden die Wirtschaft und die Haushalte deswegen nochmals schwer getroffen. Bei einer Verschuldung der Wirtschaft und der Privaten bei Banken in Höhe von etwas über 900 Milliarden Franken und ausstehenden Inlandschuldner-Obligationen von gegen 230 Milliarden Franken bedeutet jedes Prozent Zinsanstieg eine Zunahme des Zinsaufwandes von über 11 Milliarden Franken, was rund 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht.

Provokation weiterer Krisen

Auch wenn die Zinserträge der Gläubiger diesen Kaufkraftverlust teilweise wieder wettmachen, könnte damit eine weitere Hypothekarkrise (ausstehende Hypotheken April 2011: 756 Milliarden Franken) und sogar eine weitere Bankenkrise provoziert werden.

Ob dann die Europäische Zentralbank (EZB) eine unserer grossen Banken retten würde, bleibt fraglich. Sicher wäre hingegen, dass die Schweiz keine eigene Geldpolitik mehr betreiben könnte, die ihrem Gang der Wirtschaft angepasst wäre, und abgesehen davon, dass dann die Kantone auch definitiv auf ihre SNB-Erträge verzichten müssten, wäre eine rasche Hilfe an eine Schweizer Bank kaum mehr möglich.

Euro-Länder müssten nachfinanzieren

Sicher wäre wohl auch, dass sich die Schweiz inskünftig an Rettungsaktionen von insolventen EU-Ländern beteiligen müsste. Verliert die EZB all ihre Eigenmittel, so müssen die Euro-Länder gemäss ihrer Beteiligungsquote an der EZB nachfinanzieren.

Im Fall der SNB erfordert ein Totalverlust nicht automatische eine Nachfinanzierung, auch wenn ein negatives Eigenkapital wohl früher oder später eine solche Nachfinanzierung erfordern würde. Um dem Euro beitreten zu können, müsste die Schweiz vorerst EU-Mitglied werden und dies wird in nächster Zukunft wohl nicht der Fall sein.

Absurde Spekulationsvorwürfe

Die Spekulationsvorwürfe an die Adresse der Banken zielen am Problem vorbei, denn insbesondere die international tätigen Institute leiden ebenfalls unter den Schwachwährungen und den tiefen Zinsen.

Die Kosten fallen zu einem grossen Teil in Franken an, während die Erträge und das Wachstum der verwalteten Vermögen stark von den Währungen und vom Zinsniveau abhängen.

Grosse Absicherungsverkäufe von Fremdwährungen tätigten hingegen Pensionskassen und andere institutionelle Anleger, aber wer will unseren Pensionskassen schon verbieten, die Altersvorsorgegelder vor Verlusten zu schützen?

Negativzinsen im Rückblick

Auch die Forderung, in der Schweiz wieder Negativzinsen einzuführen, wie dies mit – 10 Prozent pro Quartal im Jahre 1979 auf Geldmarktanlagen der Fall war, ist unrealistisch. Die Finanzmärkte sind heute wesentlich integrierter als 1978.

Der Geldmarkt für Franken ist längst auch im Ausland präsent, wo die SNB und der Bundesrat keine Verfügungsgewalt haben. Die Negativzinsen haben 1979 auch nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Obligationen wurden schon damals von Negativzinsen ausgeschlossen und dies ist heute wegen der Zahlstellenbesteuerung und den oft anzutreffenden Anleihenskonditionen – sofortige Fälligkeit bei Änderung des Steuerregimes – kaum zu ändern.

Dramatische Kursstürze

Im Jahr 1978 fielen die jährlichen Kursstürze der wichtigsten Währungen gegenüber dem Franken mit Verlusten von 38 Prozent für den Dollar oder 26 Prozent für die D-Mark übrigens noch dramatischer aus. Die Verwerfungen an den Devisenmärkten führten das Ende der Europäischen Währungsschlange herbei.

Dass sich der Dollar in den nachfolgenden sechs Jahren wieder von 1.48 Franken auf 2.81 Franken erholte, war nicht ein Verdienst der Schweizer Massnahmen (Negativzinsen, Gentlemen's-Agreement, Interventionen der SNB im Ausmass von 1/3 der SNB-Bilanz), sondern eine Folge der staatlichen Konsolidierungsprogramme und der Zinserhöhungen in den USA.

Währungsmisere hält an

Dort wurden die Zinssätze für 3-monatige Geldmarktanlagen innert 3 Jahren von 0,2 Prozent auf 11 Prozent respektive jene der 10-jährigen US-Staatsanleihen von 8,4 Prozent auf 15,3 Prozent angehoben.

Solche glaubwürdigen Programme und massiven Zinserhöhungen im Ausland sind derzeit aber nicht in Sicht. Deshalb dürfte die Währungsmisere anhalten. Versucht die Politik nun mit einer falschen Medizin, den Franken zu schwächen, könnten die Nebenwirkungen schlimmer ausfallen als die Krankheit.

Der dümmste Vorschlag

Der wohl dümmste Vorschlag zur Bewältigung der Währungskrise ist die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer oder einer Tobin Tax, die auf Devisentransaktionen erhoben werden soll.

Als kleines Land weist die Schweiz zwangsweise einen sehr hohen Waren- und Dienstleistungsaustausch über die Landesgrenze hinweg auf. Damit verbunden sind auch Wechselkurskosten.

Höhere Kosten für Pensionskassen

Wenn nun auf diese Kosten (Preisdifferenz zwischen Angebot- und Verkaufspreis) und den Wechselkursverlusten noch Steuern dazu kommen, dann schaden wir unserer Exportwirtschaft noch mehr. Gesellschaften, die in einem grossen Binnenmarkt oder einem einheitlichen Währungsraum tätig sind, müssen weniger Fremdwährungen wechseln und sind deshalb im Vorteil gegenüber Gesellschaften aus kleinen Ländern.

Auch die Pensionskassen und Versicherungen, die ihre Wertschriftenportefeuilles absichern, würden dann zu Lasten der Versicherten höhere Kosten verbuchen. Der Devisen- und Wertschriftenhandel würde zweifelsohne in Länder abwandern, wo keine solchen Steuern erhoben werden. Damit würde die Schweiz weitere Arbeitsplätze verlieren.

Probleme liegen im Ausland

Die Probleme der Währungskrise liegen nicht in der Schweiz, sondern in der staatlichen Schuldenwirtschaft in der EU, in den USA und in Japan. Deshalb kann die Schweiz – weder SNB noch Politik – gegen den Höhenflug des Frankens kaum wirkungsvolle Massnahmen ergreifen.

Eine Verteidigung der Marktanteile unserer Exportwirtschaft kann jedoch unterstützt werden. Etwa, indem sie nicht dauernd im Inland mit neuen Steuern und Gebühren beeinträchtigt wird. Oder, indem die Sicherheit der Stromversorgung nicht in Frage gestellt und der administrative Aufwand nochmals massiv reduziert wird.

Unternehmensbesteuerung abschaffen?

Man sollte sich auch endlich einmal ernsthaft fragen, ob es angesichts des noch härteren internationalen Wettbewerbs noch Sinn macht, die Unternehmen zu besteuern, denn letztlich werden damit Arbeitsplätze besteuert.

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