Wenn die Kunden mit dem Berater wechseln, und Banken nicht selber begehrt werden, dann läuft etwas schief. Emotionen sind das Mittel zur Kundenbindung.

markus.lasek.kkklein_thumbMarkus Lasek, CIIA, war bis Frühjahr dieses Jahres Mitglied der Geschäftsleitung eines unabhängigen Vermögensverwalters. Derzeit arbeitet er an einer Dissertation an der Universität Zürich zum Thema Finanzkrise.

 


Von Markus Lasek


Der Schweizer Finanzsektor steht vor einer der grössten Herausforderungen seiner Geschichte. Diese Tatsache ist allgemein bekannt, und es mangelt hier auch nicht Analysen, sondern vielmehr an tragfähigen Ideen und Lösungen.

Häufig etwa ist zu lesen, dass Banken Nischen nutzen oder sich spezialisieren sollten. Die Logik dieses Vorschlages liegt auf der Hand, jedoch ist er bei näherer Betrachtung unbefriedigend. Nischen sind, wie der Name schon andeutet, klein. Somit können nur kleinere Geldhäuser oder Spezialisten Nischen besetzen. Zudem muss das Know-how der Bank in der betreffenden Nische bereits vorhanden sein.

Natürlich, einen gewissen Charme hat die Vorstellung, in Zukunft gebe es Banken ausschliesslich für spezielle Produkte wie Emerging-Markets-Aktien, Franken-Anleihen oder nur für spezielle Kundenkreise wie Frauen ab 50. Aber für die meisten Banken sind diese Modelle nicht tragbar.

Der generellen Belastung durch steigende Regulierungs- oder IT-Kosten werden zahlreiche Häuser mittels Kooperationen oder anderer Formen der Zusammenarbeit im Backoffice begegnen. Dies liegt auf der Hand, aber wie sollen Banken ihr Geschäftsmodell ausrichten? Und wie sollen sie sich selbst in dem veränderten Marktumfeld definieren?

Bank.Emotion

Zunächst ein Blick auf die veränderte Ausgangslage. Der Grund für die Probleme des Schweizer Finanzsektors ist der Wegfall mehrerer bedeutender Alleinstellungsmerkmale:

  1. 1. Der Schutz der Kundenvermögen in Bezug auf staatliche Interventionen. Das Bankkundengeheimnis garantierte Anonymität und Sicherheit vor externen Zugriffen. Die Aufgabe dieses Alleinstellungsmerkmals ist für viele Anleger ein schmerzhafter Verlust.
  2. 2. Der Schutz der Kundenvermögen in Bezug auf die Vermögensbewahrung. Seit Ende der neunziger Jahre haben mehr Anleger Verluste erlitten als Gewinne verzeichnet. Einen Standortvorteil hätte die Schweiz nur bewiesen, wenn hierzulande die Verluste wesentlich geringer ausgefallen wären als anderswo. Jedoch war dies nicht der Fall.
  3. 3. Der Verlust des Vorsprungs von Know-how. Aus der Globalisierung der Finanzwelt folgt eine Globalisierung von Know-how. In Zürich hat man keinen Wissensvorsprung vor Singapur oder Frankfurt.


Das Hauptproblem dieser Entwicklung ist die Egalität: In Zukunft mangelt es an Differenzierungsmöglichkeiten der Geldhäuser untereinander und gegenüber der internationalen Konkurrenz. An dieser Stelle zucken viele Banker ratlos mit den Schultern und geben sich der Hoffnung hin, ihre Kunden zum Beispiel durch eine höhere Rendite als die Konkurrenz doch noch an sich binden zu können.

Natürlich sind herausragende Leistungen ein sehr gutes Alleinstellungsmerkmal. Aber zum einen ist niemand über einen längeren Zeitraum besser als alle anderen. Zum anderen ist für viele Kunden die Rendite sekundär, sofern sie sich in einem marktüblichen Rahmen bewegt.

Personenbezogenes Private Banking ist ein Zeichen von Schwäche

Es ist ein Irrtum, zu glauben, Kunden wählten ihre Bank eher nach rationalen als nach emotionalen Argumenten. Die Zahlendominanz trifft allenfalls auf Einzellösungen zu. Die Bedeutung der Emotionen auf Kundenseite wird in der Finanzbranche unterschätzt.

Zwar geht man davon aus, dass Private Banking eine personenbezogene Dienstleistung ist – die Bindung der Kunden an ihre Berater ist hoch. Dies ist in der Praxis regelmässig zu beobachten und stärkt die These der Emotionalität.

Aber wenn ein Berater Kunden an sich binden kann, die er in einem Arbeitsverhältnis gewonnen hat, so impliziert das im Umkehrschluss, dass die Persönlichkeit der Bank zu schwach ist und zu wenig Attraktivität zur Kundenbindung bietet. Nur bei den Grossbanken und vereinzelten Privatbanken ist die Persönlichkeit der Bank stärker als die der einzelnen Berater.

Was unterscheidet eine Bank von einer Airline?

Diese Erkenntnis ist fundamental, denn in Zukunft werden Emotionen vielleicht das einzige Mittel der Banken zur Kundenbindung sein. In anderen Branchen mit egalitären Produkten ist der Fokus auf Emotionen längst Alltag – es lohnt ein kurzer Blick über den Tellerrand.

Beispiel Luftfahrt. Bei einem normalen Linienflug sind für einen Passagier die rationalen Unterschiede zwischen den Gesellschaften marginal. Alle Gesellschaften fliegen mit fast identischen Flugzeugen in derselben Geschwindigkeit zum Ziel.

Die Unterschiede sind so minimal, dass bei Vergleichen die Länge der Sitze in Zentimeter, die Neigungswinkel der Sitzlehnen oder die Vielzahl der dargereichten Getränke als Massstab dienen. Innerhalb eines Flugzeugs kommt niemand schneller ans Ziel, obwohl manche Passagiere das x-fache für den Transport bezahlen als andere.

Egalität der Produkte

Bei einem Automobil sind die Verhältnisse ähnlich. In fast jedem beliebigen Fahrzeug kommt man quer durch die Schweiz gleich schnell ans Ziel. Die technischen Eigenschaften und der Komfort innerhalb einer Fahrzeugklasse sind so identisch, dass Design und Image noch vor dem Preis als die wesentlichen Kaufkriterien gelten.

In der Modewelt wird die Egalität der Produkte noch offensichtlicher. Hemden, Pullover oder Mäntel unterscheiden sich nur in ihrem Äusseren und nur marginal in ihrer eigentlichen physikalischen Bestimmung, nämlich dem Rückhalt der Körperwärme.

Wenn alle Produkte fast identisch sind, liegt die Vermutung nahe, die entsprechenden Branchen wären langweilig und lethargisch. Aber das Gegenteil ist der Fall. Jede der aufgezählten Branchen ist hochdynamisch.

Eine gute Bank hat Charakter

Welche Schlussfolgerungen sind nun konkret aus der Emotionalität der Kunden zu ziehen? Was bedeutet es, wenn ein Anleger seine Entscheidungen auf der Basis von Gefühlen anstatt auf der Basis von Zahlen trifft?

Die Antwort ist simpel und definiert das Ziel unternehmerischen Handelns: Der persönliche Status des Kunden muss im Mittelpunkt stehen und durch seine Wahl der Bank aufgewertet werden. Das bedeutet:

  • Der Kunde sollte sich in der Bank körperlich und emotional wohl fühlen.
  • Der Kunde sollte davon überzeugt sein, seine Bank zu seinem Stil und Charakter passt.
  • Der Kunde sollte davon überzeugt sein, dass seine Bank seinen Status aufwertet.
  • Im Idealfall möchte sich der Kunde durch die Wahl seiner Bank definieren.

Die Ansprache des Kunden erfolgt auf einer affektiven und einer kognitiven Ebene, nämlich durch

  • das Image des Bankenstandortes Schweiz,
  • das Image der Bank selbst,
  • das Bankgebäude und die Beratungsräume,
  • das Erscheinungsbild des Beraters,
  • das Verhalten des Beraters,
  • die personenbezogene direkte Kundenansprache per Post, E-Mail et cetera,
  • die Produkte und den Service der Bank,
  • die Integrität.

Emotionalität impliziert Ganzheitlichkeit im Sinne von Integrität und erfordert eine andere Leistungspolitik als bisher. Ein Anleger könnte zum Beispiel Wert auf Sicherheit legen. Sicherheit steht immerhin an zweiter Stelle der berühmten Bedürfnispyramide von Maslow.

Bei dieser Präferenz genügt es nicht, ihm Anleihen ins Depot zu legen – das ist eine Selbstverständlichkeit. Vielmehr erwartet ein Kunde eine sichere Bank, das heisst hohe Eigenkapitalquoten vielleicht jenseits der 40 Prozent, Verzicht auf Eigenhandel, langjährige Präsenz des Beraters, solides Bankgebäude und so weiter.

Unterstützung auf Metaebene notwendig

Die Bank, die Finanzprodukte und die Bankdienstleistungen ergeben zusammen eine Kombination, die der Kunde kauft und im Idealfall sehr begehrt.

Der Weg zu einem neuen Geschäftsmodell ist lang und jede Bank wird eine unterschiedliche Richtung einschlagen. Dabei sollte der Banksektor auf einer Metaebene Unterstützung von der Politik oder der imagebestimmenden Tourismusindustrie erhalten.

Kostenlose Werbung

Die traditionelle Assoziation der Schweiz mit verschwiegenen Banken und mit dem Geld der Reichen und Mächtigen in den Tresoren unter der Bahnhofstrasse hat dem Standort sehr genützt.

Wenn in Spielfilmen Nummernkonten und Schweizer Banker Teil der Handlung waren, so war dies immer kostenlose Werbung für den Bankenstandort Schweiz. Das von der Politik verordnete neue Image der Schweiz muss sich jetzt in der Praxis bewähren und von den Institutionen ins Ausland transportiert werden.

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