Was sagt uns der Kondratjeff-Zyklus? Die nächsten zehn Jahre könnten eine Phase des Niedergangs werden, und 2012 wird dabei entscheidend: Walter Wittmann verortet unsere aktuelle Lage in den langen Wellen der wirtschaftlichen Entwicklung.


Walter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Unter anderem veröffentlichte er 2007 «Der nächste Crash kommt bestimmt», in dem er die nachfolgenden Ereignisse vorweg nahm. Im Frühjahr 2010 erschien sein nicht weniger prophetisches Buch «Staatsbankrott».


 In der Wirtschaft und darüber hinaus kennt man zahlreiche zyklische Abläufe. Vorrangig interessiert der Konjunkturzyklus. Er hat einen typischen Ablauf: Vom unteren Wendepunkt aus einer Rezession heraus geht es rund zwei Jahre nach oben zum oberen Wendepunkt. Danach geht es abwärts in die Rezession – die typischerweise wiederum zwischen einem halben und eineinhalb Jahren dauert.

In den USA dauerte die letzte Rezession von Anfang 2008 bis Mitte 2009, danach folgte eine Erholung. Ähnlich war die Entwicklung in Europa: Die Verlangsamung des Aufstiegs setzte schon gegen Ende 2010 ein. Zwar wurde bis vor einigen Wochen ausgeschlossen, dass es 2012 zu einer Rezession kommt, doch inzwischen hat eine Kapitulation stattgefunden – auch bei den Meinungen. So kündigte Morgan Stanley am 18. August eine Rezession in den USA an. 

Dazu gibt es eine langjährige Erfahrung: Eine Rezession wird jeweils solange wie nur möglich für unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen gehalten. Man wechselt erst die Meinung, wenn die Rezession bereits da ist – und kommt regelmässig zu spät. 

Das wäre alles andere als nötig, denn: Die Aktienmärkte nehmen regelmässig eine Rezession rund ein halbes Jahr vorweg. Der Crash der letzten Wochen war also ein Wink mit dem Zaunpfahl.

kondratieffAufstieg, Rezession, Erholung, Niedergang

Daran schliesst sich die Frage an, wo die Wirtschaft steht und wohin sie sich bewegt – auch in langfristiger Hinsicht. Hier kommen die «langen Wellen» der Konjunktur zum Zuge, die 1926 vom russischen Forscher Nikolaj D. Kondratjeff (Bild) entdeckt wurden. Man spricht daher vom «Kondratjeff-Zyklus». Er zeichnet sich durch einen typischen Ablauf über 50 bis 60 Jahre aus, der 1789 begann – dem Jahr der Französischen Revolution. 

Joseph A. Schumpeter unterscheidet vier Phasen: Es beginnt mit einem Aufstieg, der 25 bis 30 Jahre dauert. Daran schliesst sich – zweite Phase – eine kurze, aber scharfe Rezession an («primäre Depression»). In der dritten Phase erholt sich die Wirtschaft während drei bis fünf Jahren. In der vierten Phase bricht die Wirtschaft ein – der Niedergang. Diese Phase dauert 15 bis 20 Jahre. Die Wirtschaft steckt in einer Strukturkrise, sie vermag sich (noch) nicht zu erholen, verharrt in Stagnation. Daher sprach John Maynard Keynes auch in den 1930er Jahren von einer säkularen Stagnation.

Was erwartet uns, wenn der Zyklus erneut funktioniert?

Seit sie messbar sind, haben sich bis 1983 vier komplette Kondratjeff-Zyklen abgespielt: von 1789 bis 1849, von 1849 bis 1896, von 1896 bis 1939 – und die vierte lange Welle erstreckte sich über 44 Jahre von 1939 bis 1983. Dabei dauerte der Aufstieg 28 Jahre lang, bis 1967. Es folgte die kurze, scharfe Rezession; und dann wiederum eine Erholung, die bis 1973 dauerte. Die Depression lief bis 1983, also rund zehn Jahre.

1983 setzte (in den USA) der fünfte Kondatieff-Zyklus ein. Die alles entscheidende Frage lautet nun: Was haben wir zu erwarten, wenn der Zyklus erneut einigermassen funktioniert?

Dass es so kommen könnte, deutet der bisherige Ablauf an: Phase eins, der langfristige Aufstieg, dauerte demnach 23 Jahre, von 1983 bis 2006. In diser Zeit gab es nur zwei kurze Rezessionen (Herbst 1990 bis Frühjahr 1991 / 2001). Typisch wäre auch der Verlauf in den letzten vier Jahren: Die Finanzkrise brach 2007 aus, darauf folgte eine scharfe Rezession von Anfang 2008 bis Mitte 2009. Dann kam es nochmals zu einer kräftigen Erholung. Diese ist inzwischen zwei Jahre alt, zeigt aber schon Ermüdungserscheinungen. Die Erholung ist bisher kürzer ausgefallen als im typischen Kondratieff-Zyklus.

Der Niedergang könnte bis in die 2020er-Jahre dauern

Und so sind wir unterwegs ins alle entscheidende Jahr in diesem Zyklus – das «verflixte» 2012. Eine Rezession würde den Beginn des Niedergangs im Kondratjeff-Zyklus signalisieren. Diese vierte Phase kann grob zehn Jahre dauern, bis in die 2020er Jahre hinein. 

Das Fazit wäre: Die finale, extrem schwierige Phase im Kondratieff-Zyklus steht uns erst bevor. Sie dürfte alles in den Schatten stellen, was wir von der Finanz- und Schuldenkrise seit 2007 bis 2009 kennen.

Wirksame Medizin dagegen gibt es kaum. Die Zinsen sind so  niedrig, dass kein Potenzial nach unten besteht. Zwar können die Notenbanken Liquidität in die Wirtschaft pumpen, doch das vermag private Investitionen nicht (mehr) anzuregen. Der Finanzindustrie ermöglicht das aber, noch mehr mit billigem Geld zu spekulieren. Staaten können – und werden – sich weiter verschulden.

Die Ankurbelungspolitik hat sich totgelaufen

Eine langjährige Erfahrung zeigt: Davon gehen kaum noch konjunkturelle Impulse aus. Die Ankurbelungspolitik hat sich totgelaufen. Derweil geht die Immobilienkrise in den USA weiter, die Finanzkrise ebenfalls, und die Schuldenkrise steckt erst in ihren Anfängen.

Daher ist jedermann gut beraten, nicht jenen zu folgen, die Schönfärberei betreiben: Realismus ist das Gebot der Stunde.


Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
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  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
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