Der Hausse-Trend des Goldes ist in sein letztes, spekulativstes und sicher volatilstes Drittel eingetreten, findet Yves Bonzon, Leiter Kapitalanlagen bei der Genfer Privatbank Pictet.

Bonzon_Yves_03Schon vor langem hatte die Genfer Privatbank von einem Preisziel bei Gold von 2'000 Dollar pro Feinunze bis zur Mitte des Jahrzehnts gesprochen.

Die Turbulenzen an den Finanzmärkten im Sommer brachten das Edelmetall mit einem neuen Allzeithoch bei 1'913 Dollar pro Feinunze am 23. August diesem Ziel näher.

Muss man nun mit einem Ende des Hausse-Trends rechnen? Die Frage ist gemäss Yves Bonzon (Bild) legitim und wichtig, wie die nachstehende Analyse von Ned Davis zeigt.

Studie von Ned Davis

Er verfolgt die grossen Hausse- und Baisse-Trends des Goldes seit 1967, gemessen im Vergleich zu den Aktien des S&P 500. Damals kostete eine Feinunze Gold 35 Dollar, und das erst 1971 von Richard Nixon eingeführte System frei schwankender Wechselkurse hatte die explosionsartige Zunahme der Staatsverschuldung im internationalen Währungssystem noch nicht ermöglicht.

Wie die nachstehende Grafik zeigt, verlor der S&P 500 zwischen 1967 und 1982 95 Prozent seines Wertes im Vergleich zum Gold, bevor er bis 2000 wieder 4008 Prozent zulegte und seither 89 Prozent verlor.

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Während also der Goldmarkt in sein 12. Hausse-Jahr startet, könnte eine oberflächliche Interpretation dieser Statistik zum Verkauf des Edelmetalls veranlassen. Diese Entscheidung wäre allerdings etwas vorschnell. Statistiken können irreführend sein.

Wenn man die 4'008 Prozent-Hausse der Aktien gegenüber Gold von 1982 bis 2000 umgekehrt liest, wird sie zu einem relativen Goldpreisverfall von 97,5 Prozent.

Anstieg auf 7'500 Dollar?

Falls die Vertrauenskrise im internationalen Währungssystem die Anleger dazu bringen sollte, alle kumulierten Gewinne der Aktien während ihrer langfristigen Hausse ausgehend vom aktuellen Niveau wieder abzugeben, dann müsste der Goldpreis sich gegenüber dem S&P 500 bei konstantem US-Aktienmarkt vervierfachen, also auf 7'500 Dollar steigen.

Selbst wenn die Investoren nur eine ähnliche Entwicklung wie im Zyklus 1967-1982 erfahren (-95 Prozent), würde der Goldpreis bei konstantem Aktienmarkt immer noch auf 4'000 Dollar ansteigen.

Hausse dauert noch fünf Jahre?

Von 1967 bis 1982 kletterte der Goldpreis 16,2 Prozent pro Jahr, Aktien nur 1 Prozent. Von 1982 bis 2000 gewannen Aktien dann 16,5 Prozent pro Jahr, während Gold jeweils 1 Prozent verlor. Seit 2000 schliesslich kletterte der Goldpreis 17 Prozent pro Jahr, während der S&P 500 jährlich 1,9 Prozent verlor.

Das Wachstumstempo der Anlagekategorie mit Hausse-Trend scheint bei 16 bis 17 Prozent pro Jahr zu liegen, während der S&P 500 bei null herumdümpelt. Auf dieser Grundlage müsste der Anstieg des Edelmetalls, falls er noch 5 Jahre dauert, bis auf 4'000 Dollar führen.

Drei Lösungsansätze

Selbst wenn diese intellektuellen Verrenkungen über Zinseszins amüsant sind, beurteilt Pictet Gold nicht deshalb positiv. Nach Einschätzung yon Yves Bonzon wird Gold seinen Hausse-Trend gegenüber Papierwerten fortsetzen, solange die Schuldenkrise nicht gelöst ist.

«Wir wissen nicht, wie lange dies dauert, aber es gibt drei Mittel, um sie zu lösen: Drucken von Geldnoten, Transfer von Reichtum der Gläubiger an die Schuldner und eine Umstrukturierung der Schulden», sagt Bonzon.

Kein Deflationsszenario in den USA

Je nach Lösung werden sich die Folgen für das Gold radikal unterscheiden. Eine Umstrukturierung der Schulden, die sämtliche Verluste auf die Gläubiger abwälzt, würde in den USA eine Deflation nach japanischer Art bewirken, und der Goldpreis würde wahrscheinlich nicht über 2'000 Dollar steigen.

Ein Einsatz der Notenpresse bei gleichzeitigem Rückkauf von Staatsanleihen zur Verankerung der Langfristzinsen unter 3 Prozent würde einen Anstieg auf etwa 4'000 Dollar bedeuten. Pictet rechnet gemäss Bonzon jedoch nicht mit einem Deflationsszenario in den USA. Letztendlich wird die Krise wohl durch eine Kombination aus Notenpresse, Reduktion und Umstrukturierung der Schulden gelöst.

Gold in den Portfolios weiter gerechtfertigt

Daher scheint es durchaus sinnvoll, so Bonzon, die Prognose für die Feinunze Gold auf 3'000 Dollar anzuheben. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass jede vorübergehende Zunahme des Deflationsrisikos wie in den vergangenen Wochen auf den Preis drückt, bis die Märkte mit einer Reflations-Reaktion der Behörden rechnen.

«Der Hausse-Trend von Gold ist somit in sein letztes, spekulativstes und sicher volatilstes Drittel eingetreten. Aber sein Platz in den Portfolios ist weiter gerechtfertigt, bis das Deflationsrisiko endgültig ausgeräumt ist», stellt Yves Bonzon abschliessend fest.