Der UBS-Verlust in London belege, dass das TBTF-Gesetz kaum helfe, die Grossrisiken für die Schweiz zu reduzieren, sagt Hans Kaufmann.

Hans_Kaufmann_500

Hans Kaufmann ist Ökonom, SVP-Nationalrat und Gründer von Kaufmann Research. Bis 1999 arbeitete er bei Julius Bär, zuletzt als Chefökonom. Er schreibt regelmässig für finews.ch.

Selbst wenn das «Too big to fail-Gesetz» (TBTF) schon in Kraft gewesen wäre, hätten die Grossverluste damit nicht verhindert werden können. Solche Grossverluste aus kriminellen Machenschaften können immer wieder eintreten, und auch grösste Finanzkonzerne in finanzielle Schieflage bringen.

Damit besteht die Gefahr, dass das Stammhaus in der Schweiz mit Milliardenbeträgen für Verluste im Ausland geradestehen muss und die Schweizer Volkswirtschaft schwer geschädigt würde.

Unfähiger oder unwilliger Bundesrat

Deshalb hat die SVP den Bundesrat mehrmals aufgefordert, Wege aufzuzeigen, wie die Beistandspflicht innerhalb eines Finanzkonzerns reduziert werden könne.

Der Bundesrat war nicht fähig oder nicht willens, dieses Kernproblem anzugehen. Es nützt der Schweiz wenig, wenn die Finanzministerin darlegt, dass eine Holdingstruktur nicht vor Haftung schütze.

Notfalls schwierig

Auch die Räte haben es abgelehnt, die Banken wenigstens mit Anreizen dazu zu bringen, schon heute die physische Abtrennung von systemrelevanten Unternehmensteilen freiwillig und ohne Not vorzunehmen.

Damit sind die Gewährung maximaler Eigenmittelrabatte und eine steuerliche und administrative Vereinfachung solcher Abtrennungen gemeint. Pläne und Vorbereitungen sind ein erster Schritt und willkommen, eine tatsächliche Umsetzung ist besser, denn im Notfall wird es schwierig, solche Abtrennungen innert Kürze vorzunehmen.

Hauptgrund für Ablehnung

Allein schon eine Aufspaltung der EDV und der Handelsplattformen dürfte Monate und nicht nur ein Wochenende in Anspruch nehmen.

Dies ist der Hauptgrund, weshalb die Gesetzesvorlage «Too big to fail» in der Schlussabstimmung im Schweizer Parlament von der SVP abgelehnt wurde, obwohl gerade sie am 3. Oktober 2008 mit einer Motion zur Einsetzung einer Expertenkommission den Anstoss zu einem solche Gesetz gegeben hatte.

Risiko der Bevormundung

Diese nahm im November 2009 ihre Arbeit auf und publizierte im Oktober 2010 ihren Schlussbericht mit Empfehlungen zur Limitierung der volkswirtschaftlichen Risiken durch Grossunternehmen. Der bundesrätliche Gesetzesentwurf wich dann allerdings in mehreren Punkten von den Expertenempfehlungen ab.

Das Risiko, mit einer falschen oder falsch dosierten Finanzmarktregulierung die Banken derart stark zu bevormunden, dass sie Geschäftsbereiche aufgeben müssen, die auch für die Schweizer Volkswirtschaft elementar sind, erfordert eine sorgfältige Gesetzgebungsarbeit.

Unter Zeitdruck

Aber einmal mehr wurde eine Vorlage unter Zeitdruck erarbeitet, die zwar gut ge-meint ist, aber die Zielsetzung nicht erfüllt. Die zwei Ziele aus Sicht der Politik waren klar: Grossverluste oder gar ein Konkurs einer systemrelevanten Bank dürfen nicht dazu führen, dass die Steuerzahler nochmals Milliardenbeträge für ein privates Finanzinstitut garantieren müssen.

Die systemrelevanten Aktivitäten der Grossbanken für die Schweizer Wirtschaft müssen sichergestellt werden.

Teilweise missverständlich

Diese Ziele wurden mit der vom Parlament am 30. Oktober 2011 abgesegneten Vorlage nur teilweise erreicht. Die massiv höheren Eigenmittel und Liquiditätsanforde-rungen bilden zwar einen zusätzlichen Puffer, um Verluste abzufedern.

Die Details dazu werden aber nur in der Verordnung verankert und sie sind teilweise missverständlich formuliert. Das Risiko bleibt hoch, dass mit einer Überdosierung der Anforderungen, die Banken auch zum Abbau von inländischen Geschäften, zum Beispiel ungedeckten KMU-Krediten gezwungen werden. Immerhin hat der Nationalrat eine erstmalige Genehmigung der Eigenmittelverordnung durch die Räte durchgesetzt.

Grossbanken haben selber viel getan

Vorerst gilt es aber festzuhalten, dass die Schweizer Grossbanken selbst schon viel zur Reduktion der Grossrisiken für die Schweizer Volkswirtschaft getan haben. Die Bilanzsummen wurden von den rekordhohen 3'955 Milliarden Franken zur Jahresmitte 2007 innert vier Jahren auf noch 2'214 Milliarden Franken, das heisst um 44 Prozent reduziert.

Bezogen auf das nominelle BIP entspricht dies einem Rückgang von 760 Prozent auf noch 394 Prozent. Die risikogewichteten Aktiven, die wohl das Verlustrisiko sinnvoller reflektieren, nahmen von 675 Milliarden Franken auf 410 Milliarden Franken (-39 Prozent) ab.

Beschaffung von Eigenkapital erleichtern

Stellten sie sich vor Ausbruch der Finanzkrise noch auf 130 Prozent des BIPs, so liegen sie heute bei 73 Prozent. Die Eigenmittel stiegen bis Mitte 2011 dank substanziellen Zuflüssen wieder auf CHF 78,4 Milliarden Franken (2007: 95 Milliarden Franken). Die international übliche Eigenmittelquote Tier 1 nahm von 12 bis 13 Prozent auf knapp über 18 Prozent zu.

Wenn schon wenig für die Risikobewältigung getan wurde, dann sollte den Banken wenigstens die Beschaffung von zusätzlichem Eigenkapital erleichtert werden, indem die Zwangswandelanleihen (Cocos) und die Umwandlung in Aktien nicht nur von der Emissionsabgabe, sondern die Cocos auch von der Verrechnungssteuer befreit werden.

Zurückhaltende Grossinvestoren

Das Gerangel um neue Eigenmittel auf den internationalen Finanzmärkten hat erst begonnen. Die Refinanzierungsvolumina für den Finanzsektor werden weltweit auf 500 Milliarden Dollar bis 1'000 Milliarden Dollar geschätzt.

Grossinvestoren aus Ländern ohne Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz werden wohl kaum Schweizer Cocos kaufen, wenn sie ähnliche Instrumente ohne Emissionsabgaben und Verrechnungssteuerpflicht ausserhalb der Schweiz erwerben können. Grossinvestoren wie Anlagefonds kaufen oft allein schon aus administrativen Gründen keine Anleihen mit Verrechnungssteuern.

Banken werden gezwungen

Umso enttäuschender fielen die Entscheide des Parlamentes aus, die Cocos nicht einmal temporär von der Verrechnungssteuer zu befreien. Deshalb dürfte es für die Banken schwierig werden, rasch in grossem Stil in der Schweiz neue Eigenmittel zu beschaffen.

Sie werden praktisch gezwungen, ihre Cocos im Ausland ausgeben. Sollte es den Banken nicht gelingen, die nötigen Eigenmittel fristgerecht zu beschaffen, dann dürften sie ähnlich reagieren, wie zur Zeit in Frankreich feststellbar.

Die Banken verkaufen Unternehmensteile und ziehen sich aus unrentablen oder risikoreichen Geschäftsbereichen zurück, was im Klartext einen Abbau von Dienstleistungen für die Schweizer Wirtschaft bedeutet.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.35%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.2%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.96%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.28%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.21%
pixel