Nicht nur marode Staatsanleihen, sondern auch CDS bilden gewaltige Gefahren fürs Finanzsystem – die Folgen scheinen unabwendbar. Walter Wittmann prophezeiht, dass der Staat bald wieder Banken retten muss.


WalterWittmann.quadrat_thumbWalter Wittmann ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Freiburg. Unter anderem veröffentlichte er 2007 «Der nächste Crash kommt bestimmt», in dem er die nachfolgenden Ereignisse vorweg nahm. Im Frühjahr 2010 erschien sein nicht weniger prophetisches Buch «Staatsbankrott».


Zur Erinnerung: Im Jahr 2007 brach von den USA aus eine schwere Finanzkrise aus. Verursacht wurde sie primär durch die dortige Immobilienkrise, die Anfang 2006 ausgebrochen war. Zuvor wurden in gigantischem Ausmass Hypotheken sozusagen an jedermann gewährt, unabhängig von Eigenmitteln und Einkommen zur Verzinsung und Tilgung. Die Hypotheken wurden verkauft und in handelbare Wertpapiere umgewandelt (verbrieft), danach weltweit vertrieben. Darüber hinaus wurden diese Finanzprodukte auch noch versichert.

Hier ragte die weltgrösste Versicherung, die amerikanische AIG, heraus. Sie hatte sich übernommen. Als die Subprime-Krise im Frühjahr 2007 ausbrach, verfügte sie nicht über ausreichende Reserven, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. Sie wurde vom Staat gerettet, um eine Kettenreaktion zu verhindern.

In der Erholung vergass man die Lehren

Als der Markt für Hypothekarpapiere im Juni 2007 versiegte, blieben zahlreiche Banken auf ihren Subprime-Papieren sitzen: Sie mussten nun gewaltige Abschreibungen vornehmen. Nun brach die Finanzkrise aus, es setzte eine Welle von Fusionen, Übernahmen, staatlichen Kapitalspritzen und Verstaatlichungen ein. Zugleich begann eine Baisse an den Aktienmärkten. Das Jahr 2008 wurde zum schlimmsten seit 1931.

Nach der Pleite von Lehman Brothers kam es im Oktober 2008 zu einem Crash. Die Baisse ging im März 2009 zu Ende. Die Rezession, die Anfang 2008 begonnen hatte, wurde ab Juli 2009 durch eine kräftige Erholung abgelöst.

Die (Gross-)Banken haben keine Konsequenzen aus der Finanzkrise gezogen. Vielmehr setzte bald eine «Aufholjagd» ein, die Banken verfolgten wieder eine aggressive Politik und gingen erhöhte Risiken ein. Sie forcierten unter anderem das Geschäft mit Derivaten, den Eigenhandel und brachten in hoher Kadenz Anleihen von Unternehmen zweifelhafter Qualität auf den Markt. Und: Sie spekulierten mit Rohstoffen aller Art, so zum Beispiel mit Energie, Industrie- und Edelmetallen sowie Agrargütern.

Sobald Staatsbankrotte einsetzen, folgt eine Lawine fälliger CDS

Im Jahr 2009 zeichnete sich die Schuldenkrise ab, die im April 2010 mit der Quasi-Pleite von Griechenland zum Durchbruch kam. Inzwischen sind dominant Grossbanken sozusagen vollgestopft mit maroden Staatsanleihen. Nicht minder gefährlich sind die Versicherungen (CDS), die auf solche Staatsanleihen abgeschlossen wurden. Sobald Staatsbankrotte einsetzen, wird eine Lawine fälliger CDS (Credit Default Swaps) losgetreten. Nicht wenige Banken sind damit unmittelbar überfordert: Sie werden (erneut) auf Staatshilfe angewiesen sein.

Den Auftakt machte im Oktober 2011 die französisch-luxemburgisch-belgische Grossbank Dexia. Sie hatte sich mit 100 Milliarden Euro an maroden Anlagen, dominant Staatsanleihen, übernommen. Der belgische Teil wurde verstaatlicht. Zugleich gaben die drei involvierten Länder Garantien über 90 Milliarden Euro ab.

Es kann keinen Zweifel geben: Andere Grossbanken werden folgen, die (neue) Bankenkrise hat erst begonnen.

Höhere Kapitaldecken kommen zu spät

Unabhängige Experten, die EU und die G20-Länder sind sich einig: Die (Gross-)Banken leiden an einer viel zu dünnen Kapitaldecke. Die Vorgaben von «Basel III» sind ungenügend. Wo eine Anhebung der Kapitaldecke beschlossen wurde (zum Beispiel in der Schweiz), kommt sie erst über Jahre hinweg zum Zuge, demnach zu spät.

Die Banken wehren sich gegen eine Erhöhung ihres Eigenkapitals. Sie ziehen es vor, marode Staatsanleihen an die Zentralbanken zu verkaufen, um sich zu entlasten.

Das Fazit: Die angelaufene Bankenkrise ist nicht mehr aufzuhalten. Der Staat wird den Banken zu Hilfe eilen, um den Kollaps des Bankensystems zu verhindern. Die Zeche zahlen, entgegen dem Verursacherprinzip, die Steuerzahler.

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