Setzte Pascal Couchepin eine Verletzung des Bankgeheimnisses durch? Das Buch eines unbekannten Spitzenbankers gibt in Frankreich zu reden.

«Sie kennen mich nicht», schreibt der Mann zu Beginn, «ich wuchs im Schatten heran, im Herzen des Harems des Geldes». Der Schattenmann schreibt unter dem Pseudonym Crésus, Krösus, und er behauptet, in der Konzernleitung einer der grössten Banken von Frankreich gesessen zu haben – bis vor fünf Monaten. Jetzt aber berichtet er aus seinem Leben und seiner Branche.

Das Buch «Confessions d'un banquier pourri» erschien gestern im Pariser Verlag Fayard, es wurde offenbar von einem anonymen Spitzenbanker verfasst, aber schon die ersten Worte lassen folgern: Entweder schreiben französische Banker so blumig wie französische Schriftsteller – oder hinter diesem Crésus steht noch etwas anderes als nur ein diskreter Banker, der geschwätzig geworden ist.

Ein paar Dutzend Millionen Euro in 15 Jahren

Seine Geschichten enthalten durchaus Details, die glaubwürdig sind: Crésus hat guten Einblick in die Mechanismen der Wall Street, er durchschaut das Funktionieren der Kreditverbriefung. Er habe in der Branche «in rund 15 Jahren einige Dutzend Millionen Euro» verdient, was allerdings wenig sei im Vergleich zu dem, was gewisse Broker erhielten, die ihm unterstellt waren.

Unter anderem berichtet der Mann von den Bemühungen der Schweizer, die EU-Kommission vom Druck gegen das Bankgeheimnis abzubringen, und er erzählt eine Episode, die politisch Dynamit enthält – wenn sie denn wahr ist. US-Finanzminister Henry Paulson persönlich soll sich darum bemüht haben, Einblick in Konten in Genf zu bekommen. Und zwar sei es um die Anlagen von sechs Spitzenleuten von Lehman Brothers gegangen.

Letzten September habe Paulson mit Pascal Couchepin telefoniert – damals Bundespräsident – und ihn hart dazu gedrängt, die Kontendaten innert 24 Stunden auszuhändigen. «Paulson fuhr fort, indem er dem Schweizer Präsidenten sagte: Wenn ihr in diesem präzisen Fall das Bankgeheimnis nicht aufhebt, werden wir nächste Woche ein dringliches Gesetz im Kongress einbringen, das sechs Monate lang jede Finanztransaktion zwischen der Schweiz und den USA untersagt.»

Ein grosses Kaliber der Société Générale?

Das habe genügt. Mit Unterstützung «des Typen, welcher die Vereinigung Schweizer Privatbankiers leitet» (also Konrad Hummler) habe Couchepin die Daten beschafft und ausgeliefert. Sowohl Hummler als auch Couchepin liessen die Geschichte gegenüber «Le Matin» inzwischen dementieren.

Ein Detail mehr, das Zweifel an diesem Krösus weckt. Dass ausgerechnet Innen- und Gesundheitsminister Couchepin (der nebenbei noch Präsident war) die Bankgeheimnis-Aktion durchgezogen haben soll – dies scheint doch eher französisches Staatsverständnis als die Realitäten im Bundesrat zu spiegeln. In Frankreich kursieren zwar mehrere Namen von Bankern, die hinter dem geheimnisvollen Autor stecken könnten: André Lévy-Lang, ehemaliger CEO von Paribas; Mark Litzler, Ex-Chef von Calyon France und zuvor Investmentbanking-Chef der Société Générale; oder Philippe Citerne, einst Vizepräsident von Société Générale.

Aber ebenso häufig findet sich die Vermutung, dass Crésus die Sagenfigur von Journalisten sein könnte. Dies nicht nur wegen der Sprache, die Bankern sonst fremd ist; sondern auch wegen der Logik, die ebenfalls in der Branche sonst kaum zu finden ist: Schuldig an der ganzen Finanzkrise sind die Banker in ihrer Gier und ihrer Unverfrorenheit – nur sie. Bekanntlich sehen viele Journalisten die Dinge so einfach, aber welcher Finanzexperte tut das?

Hank Paulson und das Callgirl

Und schliesslich erzählt der Mann Geschichten, die doch allerhand Züge eines Märchens haben. So behauptet er, Geld aus einer 317-Millionen-Euro-Transaktion abgezweigt zu haben, welche an die bereits konkursite Lehman Brothers ging. Hier schildert der Franzose ziemlich exakt den Fauxpas der deutschen KfW, welche im Oktober just diese Summe fälschlicherweise nach New York sandte.

Weiter will Crésus sogar im Vorfeld erfahren haben, dass die US-Regierung Lehman fallenlassen werde: von einem Callgirl. Das habe es von einem saudischen Kunden gehört, welcher wiederum – als Grossaktionär – von Henry Paulson telefonisch über die Pläne informiert worden sei.

Der anonyme Banker (oder Fast-Banker?) widmet sein Buch «all denen, die noch ihrer Bank vertrauen». Vielleicht sollten all jene das Buch kaufen, die noch den Angaben eines Buchverlags vertrauen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.36%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.76%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.82%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.44%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.63%
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