Steen Jakobsen, Chefökonom der Saxo Bank, beschreibt die Phasen, die uns noch drohen, und weshalb Europa wieder gute Investment-Chancen bieten wird.

steen.jakobsenHerr Jakobsen, wie beurteilen Sie die aktuelle politische Entwicklung in Europa?

Eine Krise hat drei Phasen: Erstens eine Verleugnungsphase; dabei wird die Schuld auf jemanden anderen geschoben, etwa im Sinne von «Griechenland ist schuld». Das hatten wir von 2009 bis 2011. Nun haben wir uns in die zweite Phase hineinbewegt – die Protestphase. Was die Wähler unternehmen, ist eine Gegenreaktion aufs Vorherige. Wir konnten dies jetzt in Frankreich und Griechenland beobachten.

Und die dritte Phase?

Was uns noch bevorsteht, ist die Mandatsphase. Dabei wird jemandem das Mandat anvertraut, tiefgreifende Reformen zu implementieren. Zuletzt wurde ein solches Vertrauen in Margaret Thatcher gesteckt.

Was wollen die Wähler wirklich?

Heute wissen sie nicht, was sie wollen. Sie wissen jedoch, was sie nicht wollen. Und das haben sie an der Urne zum Ausdruck gebracht. Sie wollen einfach zum Leben zurück, wie es vor der Krise war. Was naiv ist.

Wieso?

Reformen werden unumgehbar sein. Dafür braucht es aber Politiker, die ein solches Mandat umsetzen können. Davon sind wir noch rund eineinhalb Jahre entfernt. Die Krise muss sich noch etwas verschlimmern, damit die Leute realisieren, dass es tiefgreifende Reformen braucht.

Und wie sollen diese Reformen dann aussehen?

Das ist simpel. Im Gegensatz zu dem, was in Europa derzeit diskutiert wird, gibt es vier «einfache» Schritte, um aus der Krise zu kommen. Erstens eine gute Fiskalpolitik, auch als harte Sparpolitik bekannt. Zweitens ein Reformprogramm, das sich hauptsächlich rund um Privatisierung drehen wird. Drittens ein offenerer Arbeitsmarkt und ein höheres Rentenalter. Und zu guter Letzt werden viele Länder ihre Steuern erhöhen müssen.


«Wir müssen die Sparer dazu zwingen, ihr Geld wieder zu investieren»


Dabei wird auch die Privatwirtschaft in die Lösung miteinbezogen. Bisher haben wir in Europa die höchste Sparquote weltweit. Wir müssen die Sparer dazu bringen, ihr Kapital in private Unternehmen zu investieren, die wiederum für Wachstum sorgen.

Welche Auswirkungen werden die Wahlen in Frankreich und Griechenland auf die Krise haben?

Im Falle von Frankreich wenig. Die Beziehung zwischen Sarkozy und Merkel basierte schon eher auf Angst als auf Freundschaft. Die ökonomische Realität hat sich seit der Wahl von Hollande nicht geändert. Laut meiner Theorie befinden wir uns ja noch in der zweiten Phase der Krise, der Protestphase. Diese führt dazu, dass sich die Situation noch verschlimmert, ehe es zu Reformen kommt. Hollande ist dafür der beste Mann in Frankreich.

Und wie sieht es mit Griechenland aus?

Die sind zwar noch in der zweiten Phase, aber schon etwas weiter. Schlussendlich wird es meiner Meinung nach mit einer 75 prozentigen Wahrscheinlich soweit kommen, dass Griechenland der Euro verlässt. Und zwar eher schon sehr bald, möglicherweise schon zwischen Juli und August. Dieses Spiel ist also vorbei.

Also ausser Spesen nichts gewesen?

Genau. Ich habe nie verstanden, wieso man Geld in Griechenland steckt. Es geht aber alles auf die deutschen Banken zurück. Die deutschen und französischen Banken hatten am meisten Geld in Griechenland investiert. Es ging dabei nicht um die griechischen Banken, sondern um den gesamten Bankensektor.

Als Investor würden Sie also ihren Fokus weg von Europa richten?

Ganz im Gegenteil. Solche Krisen bieten auch immer interessante Investitionsmöglichkeiten. Weil die Möglichkeit, sich Geld zu beschaffen, für Unternehmen immer schwieriger wird, wachsen die Investitionsmöglichkeiten. Die Mikro-Ökonomien sind vielerorts noch intakt. Die Zentralbanken und Politiker kreieren zwar ein negatives Umfeld. Das heisst im Gegenzug, dass man in der Krise nach den kleinen Erfolgsgeschichten suchen muss, und diese kann man auch finden.


Steen Jakobsen ist seit März 2011 Chef-Ökonom bei der Saxo Bank. Er war bereits bis 2009 neun Jahre bei der Saxo Bank tätig. Zwischenzeitlich arbeitete er als Chief Investment Officer bei Limus Capital Partners.

Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kopenhagen war er seit 1989 in der Finanzbranche bei verschiedenen Unternehmen tätig. Jakobsen besitzt auch Erfahrungen mit Schweizer Banken, so arbeitete er unter anderem zwischen 1995 und 1997 Eigenhändler und Head of Flow Desk beim damaligen Bankverein in London, und zwischen 1999 und 2009 bei der UBS in New York als Executive Director tätig.


 

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