Die Zinsen in der Schweiz sind negativ, die Inflation liegt unter Null, und das Wachstum will seit der Finanzkrise partout nicht auf Touren kommen. Ist die Schweiz auf den Spuren Japans unterwegs?

Christina Böck ist ‹CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe› bei Axa Investment Managers. Ihre Kolumne für finews.ch erscheint monatlich.

So finden wir in der Schweiz die vier grossen Symptomblöcke wieder, die auch das Japan der letzten zwanzig Jahre charakterisieren: Die Produktivität ist deutlich niedriger als in der Vergangenheit, denn schliesslich war das Wachstum in den vergangenen Jahren zu einem grossen Teil von Migration erklärt.

Die Inflation bei den Gütern und Dienstleistungen ist extrem niedrig und zeitweise negativ. Die rekordtiefen Zinsen haben wir schon angesprochen. Und als viertes Symptom ist die schon lange anhaltende Periode geringer Nachfrage zu nennen.

Ein Unterschied jedoch ist der ungebrochene Anstieg der Preise der Finanzanlagen, über das ganze Spektrum hinweg.

Schnelle Überalterung

Nicht jedoch die Symptome, sondern die Ursachen für diese Phänomene müssen analysiert werden, um die Gefahr zu beurteilen, ob wir in Europa ebenso in einer Deflations- und Liquiditätsfalle wie Japan steckenbleiben.

Ähnlich wie Japan erlebt die Schweiz eine schnelle Überalterung der Bevölkerung. Beobachtet man in Japan eine Abhängigkeitsquote (Verhältnis Personen über 65 zu Personen zwischen 15 und 65) von 60 Porzent, so wird die Schweiz nach heutigen Schätzungen diese im Jahre 2030 erreichen.

Niedriger Konsum

Damit einher geht traditionell ein eher niedriger Konsum. Zusätzlich haben gewisse soziale Präferenzen in Japan das Einnisten der Deflation besonders gefördert: Bei ökonomischer Schwäche ist die häufigste Reaktion japanischer Unternehmen, die Anzahl der Arbeitsstunden und den Stundenlohn ihrer Belegschaft, also im Resultat, die Saläre zu senken.

In Europa hingegen wird die Anzahl Mitarbeiter gesenkt – allen Selbstbezeichnungen von «sozialer Marktwirtschaft» zum Trotz. Daher ist der Anpassungsfaktor in Europa eher die Arbeitslosigkeit und in Japan eher das Gehaltsniveau.

Leiden unter dem Kreditengpass

Nach dem Platzen der grossen Blase hat Japan sehr lange unter einem Kreditengpass gelitten, da die Bankbilanzen noch voll von notleidenden Krediten waren – diese wuchsen noch 15 Jahre lang an.

In Europa hingegen war dieser Spitzenwert nach der Krise von 2008 schon im Jahr 2013 erreicht – dank der strikten Überwachung und Intervention der Zentralbanken und in der Schweiz auch der Regierung. Heute trägt die quantitative Lockerung massiv dazu bei, dass die Refinanzierungs-Bedingungen der Unternehmen sich verbessern.

Ungünstige Momente

Besonders schädlich waren in Japan die unangemessenen Massnahmen seitens Regierung und Zentralbank. Wiederholt wurden Wachstumspakete geschnürt – aber nie ausreichend gross und durchschlagend, um wirklich das Wachstum anzukurbeln, da meist gleichzeitig an anderen Stellen wieder gebremst wurde.

Auch die Zinsänderungen der Bank of Japan geschahen regelmässig zum ungünstigsten Moment: Sei es, dass die Zinsen nicht früh genug erhöht wurden, um die Blasenbildung zu vermeiden, sei es, dass die Zinsen angehoben wurden, als erneutes leichtes Wachstum noch nicht ausreichend verankert war. Im Ergebnis haben diese Politikfehler nicht unwesentlich zum Festsetzen der Deflation und der Stagnation beigetragen.

Inflation ist global bedingt – in der Schweiz

Da sich diese Ursachen und Behandlungsmethoden zwischen der Schweiz und Europa einerseits und Japan andererseits völlig unterschiedlich darstellen, darf man den Schluss ziehen, dass die Gefahr eines Verharrens in der aktuellen Deflation extrem gering ist.

Hinzu kommt, dass 80 Prozent der Inflation in der Schweiz global bedingt ist, insbesondere durch den Einbruch der Rohstoffpreise, und nicht in heimischen Kapazitätsüberschüssen gründet. Und sich daher bei Umkehr des Rohstoff-Superzyklus wieder erholen sollte.


Christina Bock 180Christina Böck studierte an der Wilhelms-Universität in Münster, bevor sie einen Master in Management an der H.E.C. in Paris erlangte. Ab 1994 war sie bei der Dresdner RCM Gestion tätig. Später wechselte sie zur Allianz-Pimco-Gruppe. Zu Axa Investment Managers stiess sie 2001 und arbeitet seit 2007 in Zürich als ‹CIO Switzerland & Head Solution Strategists Central Europe›.

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