Herbert_Braendli_80Wer die Verluste von Pensionskassen verhindern will, muss keineswegs den Umwandlungssatz senken, sondern den Regulator zurückbinden.

Herbert Brändli ist Geschäftsführer der B+B Vorsorge. Er schreibt regelmässig für finews.ch.


1985 wurde der Bundesrat aufgerufen den Alten, Invaliden und Hinterbliebenen mit der beruflichen Vorsorge die gewohnte Lebenshaltung zu sichern.

Mit dem BVG wurde den Pensionskassen für Wechselfälle minimale Leistungen vorgeschrieben, die mit Alters- und Zinsgutschriften sowie einem Umwandlungssatz zwar äusserst umständlich aber einigermassen klar definiert wurden. Innert 25 Jahren wurde aus diesem Rahmengesetz mit 200 Paragraphen ein ausufernder, widersprüchlicher Moloch, der die 2. Säule akut gefährdet und alles verunsichert.

Vorsorgeeinrichtungen gefügig machen

Auf jede neue Frage hin wurde das ursprüngliche BVG-Regelwerk mit neuen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen angereichert. Mit der Zunahme der Regelungen stellten sich immer mehr Fragen, die epidemisch weitere Regelungen provozierten.

Jetzt will der Bundesrat einen Schlusspunkt setzen und sich mit der so genannten Struktur-Reform alle Vorsorgeeinrichtungen gefügig machen. Revisionsstellen sollen darüber wachen, dass alle ihre Geschäfte nach seinem Gusto organisieren, führen und abwickeln.

In ein enges Korsett gezwungen

Damit wird eine mannigfaltige, bis anhin florierende berufliche Vorsorge in ein enges Korsett gezwungen und auf tiefstem Niveau gleich geschaltet. Der resultierende Einheitsbrei ist nicht praxistauglich und hat jeden Bezug zu bewährten Strukturen und Realitäten verloren.

Das gewachsene System besteht aus einer Vielzahl von Vorsorgeeinrichtungen, welche für unterschiedlichste Anspruchsgruppen allerlei Bedürfnisse abdecken. Mit hohen nachhaltigen Leistungen hat sich das berufliche Vorsorgesystem weltweit wegweisend zuvorderst platziert.

In krassem Widerspruch

Voraussetzung für seine Prosperität waren die Freiheiten der Organisationsgestaltung und die kassenspezifische Zuständigkeit für das Gleichgewicht von Leistung und Finanzierung. Staatlich verordnete normative Vorgaben für Leistungspläne, Zins und Umwandlungssätze, gepaart mit Finanzierungs- und Anlagevorschriften stehen dazu in krassem Widerspruch.

Kürzlich wurden für die Berechnung der Pensionsverpflichtungen neue technische Grundlagen aufgelegt. Dazu haben 14 grosse autonome Pensionskassen ihre Daten zur Verfügung gestellt.

Keine Modell gerechten Alterskapitalien

Für den vereinigten Bestand von 1,2 Millionen Versicherten hat sich ergeben, dass Männer im Alter 65 eine Lebenserwartung von 18,9 Jahren haben. 81 Prozent der Neurentner sind mit Frauen im Alter von 62 Jahren verheiratet, die noch eine Lebenserwartung von 24,1 Jahren haben.

Gemeinsam betreuen sie 0,04 Kinder je im Alter von 18,5 Jahren. Daraus, so die Medienmitteilung, «ergeben sich die genauen Werte für die Leistungsberechnung bei Pensionierung», sprich den Umwandlungssatz. Mit diesem werden im BVG-Modell Altersguthaben einheitlich in Alters- und Kinderrenten sowie Anwartschaften auf Hinterbliebenenrenten umgerechnet. In Wirklichkeit erwirtschaftet keine einzige Pensionskasse modellgerechte Alterskapitalien.

Mächtige Unterschiede

Keine einzige verfügt exakt über das BVG-Leistungsprofil. Keine einzige zahlt ab 65 immer Altersrenten und dann pünktlich 18,9 Jahre lang. In keiner einzigen sind von 10 angehenden Rentnern gerade 8,1 mit just 62-jährigen Frauen, die noch 24 Jahre leben, verheiratet. Und in keiner einzigen werden treffend 0,4 Kinderrenten während 1,5 respektive 6,5 Jahren bezahlt.

Unter den verbliebenen rund 2‘300 Pensionskassen bestehen nach wie vor mächtige Struktur-, Finanzierungs- und Leistungsunterschiede. Dessen ungeachtet schreibt ihnen der Regulator für sie unzutreffende Daten (andere Grundbestände führen zu ganz anderen Wahrscheinlichkeiten), verschmolzen mit einem ebenfalls hypothetischen Zinssatz, verbindlich als BVG-Umwandlungssatz vor.

Sinkende Werte

In einem irrsinnigen theoretischen Modell wird ein statistisches Arbeitsinstrument von Pensionskassenexperten und Aktuaren für allgemeinverbindliche Leistungsberechnungen missbraucht.

Klar, dass der BVG-Mindestumwandlungssatz und mit ihm die Altersrenten sinken, wenn die allgemeine Lebenserwartung zunimmt und die übrigen Parameter unverändert belassen werden.

Vieles ist unerheblich

Dabei macht es keinen Unterschied, ob im konkreten Fall die Lebenserwartungen kürzer sind oder das ausgeschiedene Deckungskapital die gutgeschriebenen Altersguthaben übertrifft, womit ohne Mehrbeiträge oder Rentenkürzungen längere Laufzeiten finanziert wären.

Unerheblich bleiben auch strukturelle Besonderheiten der Pensionskassen, wie man sie beispielsweise in einem Kloster antrifft, wo vermutlich unterdurchschnittlich Kinder- oder Hinterbliebenenrenten anfallen dürften. Der Wegfall entsprechender Rückstellungen würde ohne Verlust automatisch höhere Altersrenten ermöglichen.

Wer Verluste von Pensionskassen verhindern will, muss nicht den Umwandlungssatz senken, sondern den Regulator zurückbinden und ihm die technischen Grundlagen aus den Händen schlagen.

 

 

 

 

 

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