Bis vor kurzem standen Rohstoffe noch ganz hoch in der Gunst der Anleger, die dabei von einem Super-Zyklus schwärmten. Ist das nun alles Schnee von gestern? Eine Einordnung von Nitesh Shah. 

Mit der tatsächlich schwachen Entwicklung der Rohstoff-Preise im vergangenen sowie im laufenden Jahr mehren sich die Stimmen, die das Ende in diesem so genannten Superzyklus sehen. Anderer Meinung ist da Nitesh Shah (Bild), Rohstoffanalyst bei dem britischen Finanzinstitut ETF Securities.

Für ihn sind die wichtigsten fundamentalen Treiber für den Superzyklus weiterhin und unzweifelhaft intakt, wie er gegenüber finews.ch erklärt.

Kurzsichtige Pessimisten

Für den Briten Nitesh Shah nehmen die vielen Pessimisten ganz einfach eine allzu kurzfristige Optik ein. «Was wir heute erleben, ist bloss eine normale Abweichung vom langfrstigen Trend», sagt der Fachmann und betont, dass ein Super-Zyklus tatsächlich mehrere Jahrzehnte dauere.

Shah weist auch darauf hin, dass es keine klare Definition für einen Super-Zyklus (bei Rohstoffen) gebe. Fest stehe aber, dass das Phänomen die Entwicklung mehrerer Rohstoffe berücksichtige und ganz klar Nachfrage getrieben sei.

Vier Super-Zyklen

In den letzten 150 Jahren habe es insgesamt vier Super-Zyklen gegeben; einen grossen Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA, später jenen in der Nachkriegszeit Japans, während der dritte Super-Zyklus wiederum in den USA eher kürzerer Natur mit Beginn in den sechziger Jahren gewesen sei.

Der aktuelle Super-Zyklus habe in den neunziger Jahren begonnen und sich dabei vor allem in jenen Schwellenländern bemerkbar gemacht, die man später als BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China) bezeichnet hat. Der aktuelle Super-Zyklus werde noch mindestens fünf bis zehn Jahre dauern, gibt sich Shah überzeugt.

Historische Parallelen

Shah weist auf die Parallelen zwischen den verschiedenen Super-Zyklen hin. Allesamt hätten sie von der Urbanisation, von der Industrialisierung und von einem Anstieg des globalen Handels profitiert. Unter diesen Prämissen definiert Shah denn auch die vier wichtigsten Treiber für den laufenden Super-Zyklus:

  • Verstädterung (Urbanisierung) und Industrialisierung in den Schwellenländern werden laut Nitesh Shah noch mindestens zehn bis zwanzig Jahre anhalten. Das wird die Nachfrage nach Rohstoffen weiter steigern. Laut Schätzungen wird sich die Wirtschaftsleistung allein in China und Indien bis 2030 noch verdreifachen.
  • Der wachsende Wohlstand in den Schwellenländern, zu denen etwa auch Indonesien oder Südafrika gehören, führt zu seiner stärken Nachfrage nach Rohstoff-intensiven Gütern und Infrastruktur wie Mittelklasse-Häuser, Büros, Züge, Flughäfen, aber auch Kühlschränke, Waschmaschinen, Computer und auch Fleisch. Das alles lässt sich gemäss Shah nur mit einem noch intensiveren Rohstoff-Einsatz bewerkstelligen.
  • Das langfristige Angebot an den meisten Rohstoffe bleibt begrenzt. Denn die Ressourcen werden immer knapper und die Förderkosten steigen. Die Folge: «Höhere Rohstoffpreise sind notwendig, um sicher zu stellen, dass das Angebot die Nachfrage deckt», sagt Nitesh Shah.
  • Höhere Rohstoffpreise schaffen aber auch Anreize, die knappen Ressourcen effizienter und nachhaltiger zu nutzen. Das erfordert laufend neue Innovationen, was insofern positiv zu werden ist, wie Shah unterstreicht.

Was geschieht mit dem Gold?

Noch eine Bemerkung zu Gold: Das gelbe Edelmetall sei nur indirekt ein Teil des Rohstoffkorbes in dem aktuellen Super-Zyklus. Denn Gold werde im Gegensatz zu den «echten» Rohstoffen nicht konsumiert, sondern eher als Versicherung oder als Wertaufbewahrungs-Mmittel verwendet – ähnlich einem Sparkonto, sagt Shah.

Doch: «Gold wird indirekt von den gleichen Entwicklungen wie Rohstoffe unterstützt. Wenn die Mittelklasse wächst, will sie sich mehr leisten und kauft – gerade in den Schwellenländern mit einer teilweise hohen Inflation – unter anderem auch Gold», betont Nitesh Shah und zeigt sich damit auch bezüglich des Goldpreises relativ zuversichtlich – langfristig.