Thorsten Polleit bezeichnet den Euro als eine Ideologie, die «an der harten Lebensrealität» zerbrochen ist. Um die Gemeinschaftswährung vor einem Totalschaden zu retten, schlägt der deutsche Starökonom Ungewöhnliches vor.

Vor ziemlich genau 15 Jahren wurde der Euro als Bargeld eingeführt, begleitet von der Hoffnung, die Gemeinschaftswährung würde die Wirtschaft im Euroraum ankurbeln.

Mittlerweile ist die Hoffnung der Ernüchterung gewichen oder wie es Thorsten Polleit, Chefökonom des deutschen Goldhändlers Degussa, in einem Gastbeitrag für das deutsche Magazin «Focus.de» ausdrückt: «Das Vorhaben ist an der harten Lebensrealität zerschellt.»

Unerträgliche Zwangsjacke

Insbesondere die südeuropäischen Länder spüren die Last des Euro auf ihren Schultern in Form von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Und sie können diese Last nicht wie vor den Euro-Zeiten durch eine Währungsabwertung einfach abschütteln. Vielmehr steckten viele Länder nun in einer «unerträglichen Zwangsjacke», so Polleit.

Als Retter in der Not trat die EZB auf die Bühne mit dem Versprechen ihres Präsidenten Mario Draghi alles zu unternehmen, um das Gemeinschaftswährung am Leben zu erhalten. In der Folge senkte die EZB die Leitzinsen auf Null und kaufte en masse Staatsanleihen von klammen Staaten wie Italien, Spanien oder Griechenland auf.

Nur Hass und Spott

Für Polleit, der auch als Honorarprofessor für Volkswirtschaftsschule an der Universität Bayreuth lehrt, ist der Euro zu einem «grossangelegten Umverteilungsmechanismus mutiert, durch den die einen Nationen die Zeche für andere Nationen zahlen. Die Länder im Euroraum leben sich immer weiter auseinander».

Gewisse Politiker liebäugeln mit einem Exit aus dem Euro. Für die französische Präsidentschaftskandidatin Marine le Pen, vom rechtsradikalen Front National, erntet die EU nur Hass und Spott. Frankreich solle aus Euroland austreten und zum Franc zurückkehren, lautet ihr Credo.

Auch in Italien machen sich Trennungsgedanken breit: Draghi reagierte prompt darauf und schrieb einen Brief an italienische Europapolitiker mit der Botschaft: Ein Land, das den Euroraum verlassen will, müsse vorher seine Verbindlichkeiten gegenüber der EZB vollständig ausgleichen.

Trump ist für den Euro «Bad News»

Nicht nur in Europa kochen die Emotionen gegen den Euro hoch; bei Verbündeten erschlafft auch der Support für die Gemeinschaftswährung. Im Gegensatz zur Obama-Regierung werde die Trump-Administration dem Europa-Projekt keine Schützenhilfe mehr gewähren, ist sich Polleit sicher.

«Damit ist eine der bisher wichtigsten machtpolitischen Stützen des Euro-Bauwerkes weggebrochen», warnt der 49-jährige Ökonom. Ist der Euro nun dem Untergang geweiht oder besteht noch Hoffnung für die Gemeinschaftswährung?

Währungswettbewerb anstatt Monopol

Ja, meint Polleit und schlägt einen ungewöhnlichen Rettungsversuch vor. Das Geld müsse entstaatlicht und dem freien Wettbewerb der Währungen zugeführt werden.

Als alternatives Zahlungsmittel sieht der Chefvolkswirt beim Goldhändler Degussa Gold, Silber oder allenfalls die Digitalwährung Bitcoin. «Der Währungswettbewerb würde in jedem Falle für gutes Geld sorgen. Allein schon deswegen, weil niemand schlechtes Geld nachfragen wird», resümiert Polleit.

Der freie Markt für Geld sei der wirkungsvollste und produktivste Weg, um mit dem Euro-Problem fertig zu werden. Eine solche Wettbewerbssituation würde einen disziplinierenden Druck auf die EZB ausüben, es nicht zu toll zu treiben mit der Geldmengen-Vermehrung. «Ein Währungswettbewerb birgt so gesehen auch die Chance, einen Totalschaden des Euro abzuwenden», so Polleits Fazit.