Wer über 50 Jahre alt ist und in der Finanzindustrie entlassen wird, muss sich ernste Sorgen machen: Dies die gängige Meinung. Aber stimmt sie auch? Wie man das Abstellgleis vermeidet, schreibt Outplacement-Spezialist Oliver Berger.


Oliver Berger-OutplacementOliver Berger war Personalberater und Executive Searcher und berät heute Senior Executives und höhere Fachkader im Outplacement bei Dr. Nadig + Partner in Zürich. Die 2005 gegründete Outplacement-Beratungsfirma begleitet und berät Unternehmen in Fragen der Freisetzung von Mitarbeitenden und Menschen bei der beruflichen und persönlichen Standortbestimmung und Neuorientierung.


Zunächst ein paar Fakten: Im Oktober 2013 waren in der Schweiz 3'995 beziehungsweise 2,6 Prozent der Banker arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Gesamtmarkt – mit einer Arbeitslosenquote von 3,1 Prozent – sind Bankexperten also unterdurchschnittlich arbeitslos.

Fakt ist aber auch, dass die Bankenbranche im dritten Quartal 2013 gegenüber dem Vorjahresquartal um 2'200 Personen geschrumpft ist. Damit findet eine Konsolidierung statt. Immerhin ist die Branche  gegenüber dem Vorkrisenniveau von 2007 auch um 1'100 Personen gewachsen.

Was aber tun, wenn man im zusehends angespannten Arbeitsmarkt die Kündigung erhält? Die Erfahrung zeigt, dass ein strukturiertes Vorgehen viele Chancen eröffnet. Dazu einige Punkte, die entscheidend sind – und trotzdem oft vergessen werden.

1. Richtige Kommunikation

Wer die Stelle verliert, sollte sich zuerst eine Kommunikation der Situation überlegen, die er jedem –  Freunden wie Geschäftspartnern – in gleicher Form erzählt. Wichtig dabei ist, dass keine Wertung in diese Story hineininterpretiert wird, dass die Story der Wahrheit entspricht und keine Fragen generiert. Nehmen Sie die Story am besten auf ihrem Handy auf und überlegen Sie, wie Sie selbst darauf reagieren würden.

2. Erarbeiten, was man will

In einem weiteren Schritt ist es wichtig, nicht in Aktivismus zu verfallen und sich auf die erstbesten Stellen zu bewerben. Überlegen Sie sich, was Ihre Fähigkeiten sind, worin Sie sich von möglichen Mitbewerbern unterscheiden, was Sie wieder wollen – und was bestimmt nicht mehr.

Die zukünftige Unternehmenskultur spielt dabei eine wesentliche Rolle. Womöglich passt der Grosskonzern mit Matrixstruktur nicht mehr, sondern vielmehr ein externer Vermögensverwalter, wo es mehr auf den Einzelnen und dessen Persönlichkeit ankommt.

Wer um die 50 Jahre alt ist, muss sich genau überlegen, wie er sein Alter als Vorteil nutzt. Ein 50-Jähriger funktioniert zum Beispiel schneller in einer neuen Position als ein 30-Jähriger, den man erst einarbeiten muss. Ein 50-Jähriger weiss, wie man mit Kunden umzugehen hat, er hat Reklamationen schon einige Male als Chance genutzt und bringt womöglich einen Kundenstamm mit.

Um dies herauszuarbeiten, braucht es Zeit, und es ist wichtig, dies individuell zu tun. Wer sich dies im Detail überlegt und niedergeschrieben hat, wird feststellen, dass er über 25 Jahre Ansehnliches geleistet hat. Das Niederschreiben seiner Fähigkeiten und Erfolge stärkt zudem das Selbstwertgefühl.

3. Wer älter ist, braucht eine andere Bewerbungstaktik

Wer um die 50 Jahre alt ist, sollte sich danach nur zurückhaltend auf Inserate bewerben. Wir empfehlen dieser Altersgruppe viel stärker, ihr Netzwerk zu nutzen, um auf den verdeckten Stellenmarkt zu gelangen. Auf diese Weise fanden im 2012 55 Prozent unserer Klienten eine neue Stelle. Inserate zielen tatsächlich oft auf die Altersgruppe 25 bis 50. Daher generieren über 50-Jährige auf Inseratebewerbungen überdurchnittlich viele Absagen.

Von Personalberatungen raten wir für diese Altersgruppe eher ab, während es je nach Hierarchiestufe Sinn machen kann, auf die spezialisierten Executive Searcher zuzugehen.

Wer entlassen wird, hat es in der Hand, abzuwarten und sich reaktiv zu bewerben, sei es auf Inserate oder bei Beratern oder die Sache in die Hand zu nehmen und sich pro-aktiv auf den Auf- und Ausbau seines Netzwerkes zu konzentrieren. Selbstverständlich geht es nicht darum, jeden anzurufen und nach einer Stelle zu fragen. Es geht darum, den Markt kennenzulernen. Zu hören, in welchem Bereich eine Bank wächst, wo es Wackelkandidaten gibt, welche Region ausgebaut werden soll und so weiter.

In diesem Zusammenhang begehen viele den Fehler, dass sie nur mit Leuten sprechen, die auf derselben Hierarchie-Ebene arbeiten wie sie selbst – oder darunter. Viel wichtiger ist es aber, mit Personen zu sprechen, die einem selbst einstellen könnten. Je höher man in der Hierarchie einsteigen kann, desto besser.

4. Kernfrage: Wollen Sie wirklich in der Finanzbranche bleiben?

In dieser Phase taucht bei einigen unserer Klienten der Wunsch nach einem kompletten Neuanfang auf, oft verbunden mit einer selbstständigen Tätigkeit. Wer aber Branche wie Beruf wechselt, startet wieder als Junior mit einem Juniorgehalt. Die meisten unserer Klienten schwenken angesichts dieser Tatsache wieder auf ihr angestammtes Metier um.

Tatsächlich schaffen nur die Wenigsten einen Wechsel von Branche und Beruf, da sie im Wettbewerb mit Mitbewerbern für eine Stelle stets das Nachsehen haben. Berichte über Banker, die heute zum Beispiel erfolgreich ein Restaurant führen, sind eher auf Personen mit einem gefüllten Geldbeutel zurückzuführen, die sich einen Traum erfüllen, als auf eine erfolgreiche Neuorientierung. Ebenso kritisch ist die Selbstständigkeit nach erfolgloser Stellensuche. Denn wer es nicht schafft sich einmal zu verkaufen, wird als Selbstständiger, der sich tagtäglich verkaufen muss, auch nicht reüssieren.

5. Nie vergessen: Die Statistik spricht für Sie

Die Stellensuche dauert in der Regel sechs Monate, für Senior Executives gar 6 bis 12 Monate. 98 Prozent unserer Klienten fanden im 2012 innert 12 Monaten wieder eine Stelle. Die Finanzwirtschaft braucht erfahrene Personen. Wichtig ist dabei, dass Sie bei Ihrer Stellensuche nicht gleich vorgehen wie damals, als Sie 30 waren. Führen Sie erst eine saubere Standortbestimmung durch, gehen Sie dann an den Aufbau Ihres Netzwerkes, um Marktinformationen zu sammeln und sprechen Sie mit Entscheidungsträgern, die Sie direkt einstellen könnten.

  • Siehe auch: «Wie Sie eine Kündigung richtig verarbeiten»

  • finews.ch wird im kommenden Januar in Zürich einen Anlass über Mittag organisieren, an dem sich Stellensuchende untereinander vernetzen, Erfahrungen austauschen und neue Ideen entwickeln können. Die Leserinnen und Leser werden in den nächsten Tagen diesbezüglich noch informiert.

Literatur: Toni Nadig / Brigitte Reemts Flum: «Mit Erfahrung punkten. Berufliche Neuorientierung mit 50+», Orell Füssli 2011.