Bankensterben, Abstieg in die Bedeutungslosigkeit: Der UBS-Chef Sergio Ermotti hat am vergangenen Wochenende eine tiefschwarze Vision des Schweizer Finanzplatzes entworfen. Dagegen regt sich nun prominenter Widerstand.

Wenn der Chef der grössten Schweizer Bank spricht, dann ist garantiert, dass seine Worte in der Branche nachhallen. Umso mehr, wenn er Sätze sagt wie: «20 bis 30 Prozent der Schweizer Banken werden in den nächsten Jahren ihre Eigenständigkeit verlieren.»

Das 60 bis 80 hiesige Finanzinstitute untergehen werden, war allerdings nicht der einzige Schocker, den UBS-Chef Sergio Ermotti am vergangenen Wochenende gegenüber dem «SonntagsBlick» vom Stapel liess.

Nicht nur einzelne Banken würden straucheln, warnte der Top-Banker mit Tessiner Wurzeln, sondern der ganze Finanzplatz. «Singapur und Hongkong», befand er, «wachsen viel schneller. In einigen Jahren werden sie die Schweiz überholen.»

Für die anderen wird es schwierig

Und Ermotti weiss auch, wessen Schuld das ist: «Die Schweiz war politisch nicht stark genug, um ihre Position zu verteidigen», erklärte der UBS-Chef weiter. Die konkurrierenden Finanzplätze hätten das erkannt und Profit daraus geschlagen.

So weit, so schwarz das Bild, das Ermotti vom grössten Offshore-Vermögensverwaltungsstandort der Welt malt. Doch es ist ein Szenario, mit dem internationale Player wie die UBS offenbar leben können. Denn sie sind dort, wo die Musik spielt. «Wir sind in allen Wachstumsmärkten mit dabei», gibt sich der Bank-Manager selbstsicher. Und die anderen, die nicht über diese globale Präsenz verfügen? «Für die wird es schwieriger», hält Ermotti lakonisch fest.

Mehr als ein Banken-Friedhof

Ist das wirklich so? Taugt die Schweiz bloss noch zum Friedhof für moribunde Banken, dem die noch lebenden Institute besser ganz schnell den Rücken kehren? Wer sich auf dem Finanzplatz umhört, findet einige Stimmen, die diese Fragen klar verneinen – und stattdessen eine Vision für ein erfolgreiches Schweizer Banking entwerfen:

1. Klein und lebendig

Nicht viel von Ermottis Eloge auf globale Präsenz hält etwa Christoph Gloor. Und seine Stimme hat Gewicht. Gloor ist nicht nur Teilhaber der altehrwürdigen Basler Privatbank La Roche, sondern seit vergangenem, Frühling auch Präsident der Vereinigung Schweizerischer Privatbanken (VSPB). Und für ihn ist klar: «Es ist aus meiner Sicht keine Frage der Grösse einer Bank, welche die Basis für eine erfolgreiche Zukunft bildet, sondern ihr Geschäftsmodell.»

Gloor, der selber tagtäglich das Überleben einer im Vergleich zur UBS-Vermögensverwaltung winzigen Privatbank sichern muss, weiss auch, wie dieses Modell aussieht. «Die zunehmenden Kosten der Regulierung und der Druck auf die Margen müssen durch eine günstige Cost-Income-Ratio, das Ausnützen von Synergien und einem guten Kundenmix mit einem geringen Anteil an unversteuerten Kundengelder abgefedert werden.»

2. Internationaler denn je

Wer die real stattfindende Konsolidierung am Schweizer Bankenplatz betrachtet, dem fällt ebenfalls auf: Käufer waren zuletzt oftmals exotische Player aus dem Ausland, die bisher am hiesigen Markt wenig oder gar nicht aktiv waren. Prominentestes Beispiel dafür ist die brasilianische Bank Safra, die 2011 das Basler Traditionshaus Sarasin übernahm – oder die ebenfalls brasilianische Finanzgruppe BTG Pactual, welche die Tessiner BSI erwarb.

Und dieser Tage könnte es erneut zu einer solchen Verbindung kommen – nämlich wenn die in der Schweiz beheimatete Coutts International von einem asiatischen Konkurrenten übernommen würde.

«Die Schweiz hätte es jetzt in der Hand, zu einem wahrhaft globalen Finanzstandort aufzusteigen», sagt Raoul Würgler, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands der Auslandsbanken in der Schweiz (AFBS).

Er weiss: «Es gibt grosses Interesse von Banken aus verschiedenen Schwellenländern, sich in der Schweiz zu positionieren – und für global tätige Unternehmen wäre die Schweiz eine ideale Finanzdrehscheibe», so der Branchenvertreter weiter. Doch damit sei es natürlich noch nicht getan. «Diese Chancen muss man hierzulande erst erkennen und die entsprechenden Massnahmen zur Förderung treffen», betont Würgler.

Vielleicht bräuchte es auch von der Finma ein pragmatischeres Denken, um weitere ausländische Finanzinstitute, die in die Schweiz kommen möchten, nicht davon abzuhalten.

3. Eigenständig und selbstbewusst

Massnahmen zur Förderung: Sie sind mit den Vorschlägen etwa der Finanzplatz-Gruppe Brunetti II oder der Asset-Management-Initiative zumindest angedacht. Was aber der Schweiz in den vergangenen Jahren – und aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – abhanden kam, ist der Stolz auf eine Finanzindustrie von Weltrang.

Lieber üben sich Öffentlichkeit, Politik und oftmals auch die Branche selber in Selbstgeisselung. Die jüngsten Aussagen des UBS-Chefs sind der beste Beweis dafür.

Schlicht undenkbar

Dabei fällt auf, dass solche schwarzmalerische Noten auf anderen Finanzplätzen recht eigentlich fehlen. So ist es schlicht undenkbar, dass Jamie Dimon, der streitbare Chef der amerikanische Grossbank J.P. Morgan, je die Dominanz der Wall Street auch nur im geringsten in Zweifel ziehen würde.

Genausowenig käme es den stolzen Regenten des Stadtstaats Singapur in den Sinn, sich mit dem zweiten Platz hinter Hongkong zu begnügen oder gar Untergangsszenarien zu skizzieren.

Mehr Selbstvewusstsein

Das zeigt deutlich: Ohne ein grösseres Selbstbewusstsein kann die Gesundung des Schweizer Finanzplatzes nicht vorankommen.

Und eigentlich weiss das niemand besser als der UBS-Chef selber. Denn wie sagte Sergio Ermotti doch so treffend im Interview: «Es braucht nur etwas Druck aus dem Ausland, und wir machen uns selber noch weiter schlecht.»

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