Die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA habe einen Einfluss auf die Konsolidierung in der Finanzbranche, behauptet AlixPartners-Berater Ralph Kreis im Interview mit finews.ch.


Herr Kreis, wie beurteilen Sie die Konsolidierung im Finanzsektor in den nächsten Wochen und Monaten vor dem Hintergrund des überraschenden Ausgangs der Präsidentenwahlen in den USA?

Sie wird weiter gehen und sich noch beschleunigen, sollten sich die Prognosen für die Finanzmärkte und die Wirtschaft nicht merklich aufhellen. Gleichzeitig ist noch ungewiss, welchen Einfluss Trumps Präsidentschaft mittel- bis langfristig auf die US-Politik und die Finanzmärkte haben wird. Diese Unsicherheit läuft dem Konsolidierungs-Trend etwas entgegen.

Banken müssen eine klares Urteil über die aktuelle und künftige Entwicklung des Marktes treffen und abschätzen, welchen Einfluss eine Transaktion auf ihren Setup hat. Die finale Frage, die sich alle Finanzinstitute stellen müssen, lautet aber: Will man zusätzliches Risiko auf sich laden, in den aktuell unsicheren Zeiten?

Gibt es weitere Gründe für eine zögerliche Konsolidierung?

Ein anderer Faktor, den die Konsolidierung im Bankensektor hemmt, ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Finanzindustrie verändert: Das Swiss Banking hat sich in den vergangenen zehn Jahren so stark gewandelt wie kaum eine andere Branche.

Akquisitionen bringen in der Regel grosse Veränderungen sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer mit sich. Beide Parteien stellen sich üblicherweise die Frage: Wie viel Veränderung ist für Mitarbeitende und die Organisation als Ganzes zumutbar?

«Als Folge der Weissgeld-Strategie wird überall, gespart ausser in den Kontrollaktivitäten»

Ich glaube, wir werden mehr Transaktionen basierend auf einer reinen strategischen Logik sehen. Will heissen: Kaufen, um sich zu diversifizieren, oder um die Expertise zu stärken. Der Konsolidierungsdruck ist zweifelsohne da, angetrieben durch Kostendruck und regulatorischen Veränderungen.

Die Schweiz ist nach wie vor als Offshore-Insel begehrt. Was müssen Schweizer Banken unternehmen, um daraus Profit zu schlagen?

Sie müssen ihr Angebot auf eine Zielkundschaft ausrichten und nur in Märkten agieren, wo sie sich von der Konkurrenz abheben können. Sie müssen sich nicht nur gegen andere Offshore-Privatbanken durchsetzen, sondern vermehrt auch gegen lokale Player im Herkunftsland des Kunden.

Gleichzeitig müssen Banken aufgrund des schwierigen Umfelds an allen Ecken und Enden sparen.

Ja, Kostensenken gehört mittlerweile zu den Dauerthemen, allerdings wünschte ich mir ein intelligenteres Cost-Cutting. Anstatt über alle Sparten zu schrumpfen, sollten Banken Geschäftsfelder schliessen, in denen sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Dies bedarf einer genauen Definition über das Leistungsspektrum der Bank. Freiwerdende Ressourcen sind dann gezielt in die neu definierten Wachstumsfelder zu reinvestieren.

Als Folge der Weissgeld-Strategie wird überall gespart, ausser in Kontrollaktivitäten. Nun müssen die Banken aber ihre Aktivitäten auf Effizienz trimmen und industrialisieren, damit sie wettbewerbsfähig bleiben.

«So gehöre ich zu einer aussterbenden Art»

Welche Optionen haben kleinere Finanzfirmen bei der Reorganisation ihres Setups?

Wenn ich keine spezifischen Stärken habe und mich auf dem alten Private-Banking-Model ausruhe, dann gehöre ich zu einer aussterbenden Art. Entweder ich finde etwas, das mich von den anderen abhebt und meinen Kunden einen Mehrwert bietet, oder ich verschwinde langsam von der Bildfläche.

Das heisst nicht zwingend, die Geschäftstätigkeit aufzugeben und zu verkaufen. Vielmehr gilt es, in hoch standardisierten Geschäftsfeldern Kooperationen mit anderen Playern zu suchen, wie im Custody-Geschäft oder im Cross-Border-Bereich. Es gibt viele Markteilnehmer, bei denen sich kleinere Firmen einhängen können.

Es scheint aber, dass sich kleine und mittelgrosse Finanzinstitute eher zögerlich bewegen. Stimmt der Eindruck?

Es ist eine Frage der Möglichkeiten, und da hapert es. Firmen ohne kritische Geschäftsmasse müssen sich von gewissen Geschäftsfeldern trennen, und dies erfordert in der Regel einen hohen Druck. Viele Firmen spüren den Druck. Aber sie stehen noch nicht mit dem Rücken zur Wand, sondern harren aus.

«Die Banklizenz an den Nagel hängen ist für ein Institut in der Regel ein dramatischer Schritt»

Die Finanzindustrie ist immer noch einigermassen profitabel. Einige Institute generieren Erträge aus bestehenden Kundenbüchern, die sie gerade noch über Wasser halten oder gar gut Leben lässt. Die Erträge nehmen zwar ab, aber sie fliessen noch. Entsprechend schwierig ist die Entscheidung, diese Ertragsströme zu kappen und in Wachstum zu investieren.

Finanzinstitute müssen sich somit neu erfinden?

Geldmanager müssen sich selber hinterfragen und Ihre Identität auf den Prüfstand stellen. Es gilt, die Frage zu beantworten: Muss ich alles selber machen? Ich glaube nicht. Wenn ich eine klare Wettbewerbsstrategie definiere, muss ich nicht alles selber machen und kann gewissen Dienstleistungen einkaufen. Dies reduziert die Komplexität und schärft gleichzeitig den Fokus.

Die Banklizenz an den Nagel hängen ist für ein Institut in der Regel ein dramatischer Schritt und würde wohl auch zu Geldabflüssen führen. Aber es könnte auch ein Schritt vorwärts bedeuten, indem mit einem geschärften Profil neue Kunden hinzugewonnen werden können.

In der aktuellen Marktsituation sind die Käufer in einer verhandlungstechnisch günstigeren Position als die Verkäufer. Was bedeutet das in der Praxis?

Sie können sich die schönsten Kirschen herauspicken. Entweder sie übernehmen eine Bank als Ganzes – mit allen Vor- und Nachteilen – oder aber sie schneiden sich jene Teile heraus, die am besten zu ihnen passen.

«Kunden abzulehnen, ist seit dem Jahr 2006 gängige Praxis»

Die Übernahme einer ganzen Bank ist unter Umständen aber einfacher, auch wenn man nur bestimmte Geschäfte im Visier hat. Vor dem Closing des Deals kann sie verkleinert, von nicht erwünschten Assets gereinigt und anschliessend integriert werden. Dabei lässt sich nicht vermeiden, dass gewisse Kunden quasi «heimatlos» werden.

Kundenbeziehungen nicht zu übernehmen, weil sie zu wenig profitabel sind oder nicht zu den Kernmärkten passen, ist erst nach 2006 gängige Praxis.

Wie lässt sich noch auf andere Weise zusammenarbeiten?

Die Digitalisierung des Geschäfts wird zur grossen Herausforderungen für Finanzinstitute. Genauso wie Kundenberater in Sachen Regulation fit werden, müssen auch die Banken ihre digitalen Angebote regulationskonform ausgestalten.

Dies verursacht signifikante Kosten, insbesondere für kleine und mittelgrosse Firmen, welche die digitale Welle reiten wollen. Dafür gibt es aber diverse spezialisierte Unternehmen, welche entsprechende Angebote für Vermögensverwalter haben. Das führt uns erneut zur Frage nach der Identität: Muss man alles selber machen, oder lassen sich gewisse Tätigkeiten outsourcen?


Ralph Kreis stiess diesen Sommer als Mitglied der Geschäftsleitung zum weltweit tätigen Beratungsunternehmen AlixPartners Schweiz in Zürich. Er verantwortet den Bereich Financial Services. Zuvor war Kreis elf Jahre lang für The Boston Consulting Group (BCG) im Strategieberatungsbereich tätig. Davor stand er während mehreren Jahren im Dienste des UBS Wealth Management – unter anderem als Leiter Business Management & Operating Officer für Portfolio Distribution.

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