Vor zwanzig Jahren stahl der Schweizer Nachtwächter Christoph Meili Unterlagen aus einem Schredder-Raum der Schweizerischen Bankgesellschaft. Der Fall sorgte für weltweites Aufsehen und ist exemplarisch für das Schicksal der Schweizer Banken.

In der Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1997 entwendete der für die Firma Wache AG tätige Christoph Meili Unterlagen aus einem Lagerraum bei der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG, später UBS). Die Dokumente standen zum Schreddern bereit, wobei Meili (fälschlicherweise) vermutete, dass es sich dabei um Belege über Bankbeziehungen mit jüdischen Holocaust-Opfern handelte.

Dabei übersah er, dass die Akten aus den Jahren 1897 bis 1927 stammten und somit nicht direkt mit nachrichtenlosen Vermögen in Zusammenhang stehen konnten. Meili übergab die Unterlagen einer jüdischen Organisation, welche die Dokumente ihrerseits der Kriminalpolizei weiterleitete.

Der Rest ist Geschichte und führte zur Eskalation der Kontroverse um die nachrichtenlosen Vermögen auf Schweizer Bankkonten. Gleichzeitig führte Meilis Vorgehen innert kurzer Zeit zu einer der grössten Krisen im Schweizer Bankwesen. Erst mit einer Vergleichszahlung der Grossbanken UBS und Credit Suisse in der Höhe von insgesamt 1,25 Milliarden Dollar an die jüdischen Sammelkläger erledigte sich die Affäre bis zur Jahrtausendwende.

Weltweite Sprengkraft

Der Fall ist insofern exemplarisch, weil er einige Entwicklungen illustriert, die sich später in abgewandelter Form wiederholen sollten. Zunächst einmal unterschätzten die Schweizer Bankenvertreter sowie die Politiker in Bern die weltweite Sprengkraft der Forderungen der jüdischen Sammelkläger.

Anstatt sich der Sache ernsthaft und vorausdenkend anzunehmen, winkten die Bankoberen zunächst arrogant ab. Als der Konflikt bereits auf seinen Höhepunkt hinsteuerte, sprach der damalige SBG-Konzernchef, Robert Studer, im Zusammenhang mit diesen Vermögen von «Peanuts» und goss damit Öl ins Feuer.

Ähnlich unbedacht verhielten sich die Schweizer Banken gut zehn Jahre später, als der US-Steuerstreit die Schweizer Finanzbranche erreichte. Auch damals unterschätzten die Verantwortlichen die Bedrohung und versäumten es, mit den USA ein Pauschal-Abkommen abzuschliessen, das wesentlich günstiger gewesen wäre, als die späteren Zahlungen, welche viele Schweizer Banken einzeln zu leisten hatten.

«Lösegeld-Erpressung»

Die Affäre um die nachrichtenlosen Vermögen offenbarte auch, dass die vermeintlich granitharten Schweizer Banken erpressbar waren. Der damalige Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz sprach von einer «Lösegeld-Erpressung» jüdischer Organisationen, womit er die Kontroverse noch zusätzlich anheizte.

Rückblickend lässt sich interpretieren, dass der Vergleich, den die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse in der Affäre um die nachrichtenlosen Vermögen aushandelten, so etwas wie die Blaupause für spätere Milliardenforderungen aus den USA, aber auch aus anderen europäischen Ländern waren; dabei ging es nicht mehr um nachrichtenlose Vermögen, sondern um unversteuerte Gelder.

Oder mit anderen Worten: Ab Ende der 1990er-Jahre begannen diverse Staaten, Straf- und Sanktionsandrohungen in Form von Vergleichszahlungen zu «monetarisieren».

Dreiste Tricks

Spätestens mit der Kontroverse um die nachrichtenlosen Vermögen verloren die Schweizer Banken zudem ihre international intakte Reputation und galten fortan – vor allem im Ausland – als menschenverachtende Institutionen, die selbst auf Kosten der Opfer aus dem Zweiten Weltkrieg auf ihre Gewinnmaximierung fixiert waren.

Auch diese internationale Wahrnehmung wiederholte sich im Verlauf des Steuerstreits mit den USA und anderen Staaten zum Teil, als publik wurde, mit welch dreisten Tricks und Methoden die Schweizer Banker ihren Kunden bei der Steuerhinterziehung oder beim -betrug «behilflich» waren. Die Swiss Banker mutierten zu Swiss Bankster – in Anlehnung an das Wort Gangster.

Globalisierung der Saläre

In die Epoche der nachrichtenlosen Vermögen in den 1990er-Jahren fällt auch der endgültige Wandel des rein schweizerischen Bankwesens hin zum angelsächsisch dominierten Banking, das sich spätestens mit der Finanzkrise (Subprime-Kredite) und dem Steuerstreit mit den USA höchst negativ rächte.

Auf Bankiers wie Robert Holzach (SBG) oder Robert A. Jeker (Credit Suisse) folgten Bankmanager wie Marcel Ospel (UBS) oder Lukas Mühlemann (Credit Suisse). Mit dieser Zäsur kam es auch zur «Globalisierung der Saläre».

Insofern hat die Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1997 tatsächlich eine symbolhafte Bedeutung für das Swiss Banking.

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